Die Facebook-Live-Diskussion im Stadtpalais mit Wolfram Pyta, Albrecht Ernst, Torben Giese, Jan Sellner, Veronika Kienzle, Wolfgang Müller und Lisa Gerlach (von links). Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Wo ist der geeignete Platz für das Denkmal des letzten württembergischen Königs? Über diese Frage hat eine Expertenrunde im Stuttgarter Stadtmuseum diskutiert. Dabei wurde deutlich: Hinter dem Streit um Wilhelm II. stehen größere Fragen.

Stuttgart - Führt König Wilhelm II. im Garten des Stadtpalais ein Schattendasein? Ist es das richtige Denkmal für ein Museum des 21. Jahrhunderts, das sich als Museum für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Stuttgarts versteht, wie es Stadtpalais-Direktor Torben Giese formuliert? Und welchen Stellenwert hat überhaupt die Monarchie in der deutschen Erinnerungskultur?

Bei dem von Jan Sellner, dem Lokalchef unserer Zeitung, moderierten Podiumsgespräch, das im Rahmen des Digitalen Stadtpalais am Mittwochabend live auf Facebook zu sehen war, wurde rasch deutlich, dass hinter der aktuellen, in der Stuttgarter Bürgerschaft mitunter hochemotional geführten Debatte eigentlich größere Fragen verhandelt werden, als nur die nach dem zukünftigen Ort der Skulptur des Künstlers Hermann-Christian Zimmerle, die den letzten württembergischen Monarchen als liberalen „Bürgerkönig“ mit Spitzern zeigt. Wolfram Pyta, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart, sieht in der Auseinandersetzung um das Denkmal nichts weniger als die Chance, dass „aus Stuttgart heraus eine Debatte für ganz Deutschland angestoßen wird“. Es gehe um die Frage nach dem Stellenwert der Monarchie in Deutschland. Diese Debatte sei überfällig, so Pyta. Ein Denkmal als Diskursbeschleuniger?

„Wilhelm II. war es zuwider, glorifiziert zu werden.“

Um Diskurs geht es auch Torben Giese. Er machte deutlich, dass er zwar nicht verantwortlich sei für die Versetzung der Skulptur, die vor rund 30 Jahren von Bürgern gestiftet worden war, dass er jedoch zu der Entscheidung stehe: „Wilhelm ist der liberalste der deutschen Monarchen im Deutschen Reich gewesen“, argumentiert der Museumsleiter, doch als Monarch könne er nicht für eine freie, selbstbestimmte Stadt im 21. Jahrhundert stehen. Pyta gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass man König Wilhelm II. aus der Zeit heraus beurteilen müsse. „Davon will ich abhängig machen, wo er in Stuttgart einen Standort verdient.“ Es brauche deshalb mehr Forschungsarbeit.

Die leistet der stellvertretende Leiter des benachbarten Hauptstaatsarchiv, Albrecht Ernst, dadurch, dass er aktuell zahlreiche private Briefe Wilhelms II. auswertet. Er hat darin „eine spannende Persönlichkeit“ entdeckt. In den Briefen werde auch deutlich, „wie zuwider es ihm war, glorifiziert zu werden“.

Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, betonte, dass es ihr „nicht um die Figur, sondern um den Diskurs geht“, der bislang nicht breit genug in der Stadtgesellschaft geführt worden sei. Für den Bezirksbeirat, der sich für Wilhelms Verbleib am alten Standort vor dem Palais ausgesprochen hat, sei die Historie nicht das zentrale Thema gewesen. „Man kann die Skulptur an einen anderen Ort stellen, aber man muss die Bürgerschaft einbeziehen“, kritisierte Kienzle. Giese räumte ein, dass man „diesen Diskurs früher hätten führen sollen“.

Giese: „Wir wollen Wilhelm nicht hergeben“

Doch wie eine Mehrheit der Stuttgarter tatsächlich zu dem Kunstwerk steht, das Wilhelm II. als liberalen Monarchen präsentiert, ist nach wie vor unklar: Während der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte Stuttgart, Wolfgang Müller, daran erinnerte, dass es sich bei der Statue um „ein Geschenk der Bürger handelt“, mit dem respektvoll umgegangen werden sollte und sich dezidiert „für einen bessere Platz“ als im Garten des Stadtpalais ausspricht, glaubt Lisa Gerlach, die sich als Historikerin und Bürgerin in Leserbriefen positioniert hat, „dass es eben etwas über uns als Gesellschaft aussagt, wen wir ausstellen“.

Wie geht es konkret weiter?, wollte Moderator Sellner wissen. Wird es auf einem Kompromissstandort zwischen Stadtpalais und Hauptstaatsarchiv hinauslaufen, den zuletzt Albrecht Ernst ins Spiel gebracht hat? Giese betont: „Wir wollen Wilhelm nicht hergeben.“ Er stellt jedoch die Frage, ob es angemessen sei, die Tradition der württembergisches Liberalität ausgerechnet an einem Monarchen festzumachen? Die kommende Sonderausstellung zu König Wilhelm II., die ab 2. Oktober 2021 im Stadtpalais zu sehen sein wird, dürfte dazu Impulse liefern. Das Podiumsgespräch ist auf der Internetseite des Stadtpalais oder auf Facebook abrufbar. https://www.youtube.com/watch?v=k9-UIxBB6CQ&feature=youtu.be