Wasserwerfer auf dem Marktplatz: ein Bild, das erschreckt. Foto: Andreas Ros/r

Einzelhändler beklagen immense Verluste und bitten die Verantwortlichen um mehr Rücksicht und Sensibilität. Eine Lösung ist allerdings noch nicht in Sicht.

Wasserwerfer, bewaffnete und berittene Polizisten, Absperrungen und lautes Gegröle: Die Szenen, die sich an einem Samstag mitten im November vergangenen Jahres auf dem Stuttgarter Marktplatz während einer AfD-Kundgebung samt Gegendemonstrationen abgespielt haben, möchte eigentlich niemand sehen. Diese Bilder schrecken ab. Sie sorgen dafür, dass die Innenstadt an Attraktivität verliert. Und das bekommen auch die Einzelhändler zu spüren. Zwei von ihnen waren am Freitag zu Gast im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen des Gemeinderats, um gemeinsam mit Citymanager Sven Hahn über die Auswirkungen der vielen Demonstrationen auf den Handel zu berichten.

Alle Redner betonten, dass das Recht auf Demonstrationen ein wichtiges Gut sei, das bewahrt werden müsse. „Wir kommen heute auch nicht mit Forderungen zu Ihnen, sondern um vielleicht für ein bisschen mehr Sensibilität bei diesem Thema zu sorgen“, sagte Hahn. Die rund 1500 bis 2000 Demonstrationen im Jahr würden aber Auswirkungen auf den Handel, die Kulturbetriebe und die Gastronomie haben. Viele Demonstrationen seien unproblematisch. Aber bei etwa 20 Prozent sei im Vorfeld schon klar, dass sie Konfliktpotenzial haben. Und das erschrecke vor allem freitags und samstags die Kundschaft – genau an den Tagen, an denen der Handel eigentlich Geld verdiene. „Entweder kommen die Kunden an solchen Tagen erst gar nicht in die Innenstadt oder sie verlassen fluchtartig das Haus, wenn es losgeht“, sagte Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer-Thalia. Er gehe davon aus, dass an solchen Tagen etwa 500 Kunden verloren gehen und konservativ gerechnet somit ein Umsatz in Höhe von 10 000 Euro fehle. Bei zehn Demonstrationen seien das schon 100 000 Euro. „Wir reden hier über echte Schäden, die wir nicht kompensieren können“, betonte Bartle.

Stadtverwaltung möchte helfen, hat aber wenig Spielraum

Thomas Breuninger, Geschäftsführer des Traditionsunternehmens Tritschler, geht für sein Geschäft sogar von einem noch größeren Verlust aus. „Zudem gibt es Demonstrationen, die den Leuten Angst machen und die langfristige Imageschäden verursachen“, sagte Breuninger. Vielleicht könne man sich über die Orte der Demonstrationen und über die Uhrzeiten noch einmal Gedanken machen. Müsse es denn immer der Kleine Schlossplatz, der Marktplatz oder die Königstraße am Nachmittag sein?

„Uns ist klar, dass der Einzelhandel erhebliche Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Es ist immer ein Interessenskonflikt. Die Garantie der Versammlungsfreiheit muss aber gegeben sein“, erklärte Bürgermeister Thomas Fuhrmann. „Sie wissen ja, dass Demonstrationen nur angemeldet und nicht genehmigt werden müssen.“ Der Spielraum sei gering. Das sahen auch die Stadträte so, die auf das Amt für Öffentliche Ordnung und die Rechtssprechung verwiesen. „Heute werden wir keine Lösung finden. Aber es war wichtig, Ihre Sicht und Ihren Blickwinkel zu hören und zu verstehen“, sagte Fuhrmann. Auf jeden Fall wolle man das Thema weiter im Auge behalten.