Am Wochenende wird Querdenken 711-Gründer Michael Ballweg in Berlin sprechen. Foto: factum/Simon Granville

Bei einer Demo der Stuttgarter Initiative Querdenken 711 gegen die Corona-Maßnahmen werden am Samstag 10 000 Menschen erwartet. Zunächst war von einer halben Million die Rede. In der Hauptstadt wird es Wochenende trotzdem voll werden.

Berlin - Dass die Anzahl der Corona-Infektionen auch in Deutschland wieder ansteigt, ist für die Stuttgarter Initiative Querdenken 711 kein Thema. Am Samstag in Berlin will die Gruppe um Michael Ballweg, Initiator der Plattform, bei einer Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen das „Ende der Pandemie“ verkünden und den „Tag der Freiheit“ feiern. 10 000 Demonstranten seien für die Kundgebung auf der Straße des 17. Juni angemeldet, so die Polizei.

Sogenannte Hygiene-Demos, die sich wie die Querdenken-Veranstaltungen gegen die angebliche Abschaffung der Grundrechte richten und für die Unterwanderung durch Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker am Pranger stehen, sind in Berlin nichts Neues.

Ballweg kandidiert bei Stuttgarter OB-Wahl

Doch warum verschlägt es ausgerechnet den IT-Unternehmer Ballweg, der bei der Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl im November als parteiloser Kandidat antreten will und dessen Gesicht inzwischen an zig Litfaßsäulen im Kessel hängt, in die Bundeshauptstadt? Eine entsprechende Anfrage an Ballwegs Pressesprecher, Stephan Bergmann, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Ballweg selbst war am Freitagvormittag „aus Zeitgründen“ nicht zu einem Telefonat bereit.

In Stuttgart finden die Demonstrationen immer weniger Zulauf. Zwar sollen zur Corona-Demo am 2. Mai laut Ballweg 5000 Anhänger auf den Cannstatter Wasen gekommen sein, und eine Woche später lag die Teilnehmerzahl nach Informationen unserer Zeitung sogar bei knapp 10 000. Mitte Juni waren es im Unteren Schlossgarten nur 2000 von 5000 Angemeldeten, Wochen später lag die Teilnehmerzahl im Hunderterbereich.

90 000 Menschen weniger als zunächst angekündigt

Und wie viele Demonstranten gehen am Samstag in Berlin auf die Straße? Ballweg kündigte im Juni zunächst an, dass eine halbe Million Menschen in der Hauptstadt erwartet werde. Die Versammlung auf dem Tempelhofer Feld sei angemeldet, hieß es damals. Dass der Veranstaltungsort nun doch ein anderer sein wird, teilte der IT-Unternehmer dann vor zwei Wochen auf dem sozialen Netzwerk Facebook mit; dass man mit 490 000 Menschen weniger rechne, als zunächst angekündigt, erwähnte er nicht.

Trotzdem ist der Andrang auf die Demonstration in der Hauptstadt offenbar groß. Auf der Internetseite von Kaden Reisen, das als eines von vielen Busunternehmen Anhänger der Querdenker aus der Republik nach Berlin bringt, war am Freitagnachmittag zu lesen: „Wir haben aktuell so viele unbearbeitete Anmeldungen, dass wir vorübergehend keine weiteren entgegennehmen.“

Kein Zwang zu Maske im Bus

Bedenklich ist in diesem Rahmen auch, dass die Busfahrer während der Fahrt lediglich Hinweise hinsichtlich der Maskenpflichten in den einzelnen Bundesländern aussprächen, ob diese befolgt würden, bleibe jedem selbst überlassen. Das erklärt Alexander Ehrlich im Gespräch mit Ballweg. Ehrlich ist Initiator der europaweiten Initiative Honk for Hope, deren Ziel es sei, „die Busunternehmen durch die Krise zu bringen“. Sie will sich den Demonstranten in Berlin anschließen.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte am Freitag im RBB-Inforadio, bundesweit werde für die Corona-Demo mobilisiert, auch Neonazi-Organisationen hätten zur Teilnahme aufgerufen. Er machte deutlich, dass es kein „Akt der Freiheit“ sei, sich und andere in einer Pandemie in Gefahr zu bringen: „Ein souveräner Akt der Freiheit wäre es, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen für die Gesundheit in diesem Land.“

Geisel rechnet für das ganze Wochenende mit 22 000 Demonstranten. Neben einer weiteren Veranstaltung der Querdenker aus anderen Regionen am Sonntag, sind etwa 80 Veranstaltungen angemeldet – darunter Gegendemos. 1500 Polizeibeamte sollen im Einsatz sein.