Protestfahrt in die Stuttgarter City: Schausteller und Marktkaufleute fordern ein Ende der Corona-Zwangspause Foto: Andreas Rosar

Schausteller und Marktkaufleute sorgen für Stillstand auf den Straßen, um gegen den Stillstand ihres Gewerbes zu protestieren. Die Wirtschaftsministerin macht ihnen Hoffnung.

Stuttgart - Wer kann bei solchen Geschenken schon missgelaunt bleiben? Mit unzähligen Portionen frischem Popcorn und Horden bunter Plüschtiere wurden Verkehrsteilnehmer (und andere Schaulustige) beglückt oder besänftigt, die am Donnerstagmittag für knapp zwei Stunden zwischen Bad Cannstatt und dem Charlottenplatz auf den Hauptverkehrsstraßen kaum noch vorankamen oder ziemliche Umwege in Kauf nehmen mussten. Grund für den zeitweiligen Verkehrsstillstand, dem auch diverse Stadtbahnlinien und Busse unterlagen, war ein motorisierter Demonstrationszug des Schaustellergewerbes.

Rund 800 Fahrzeuge, darunter viele mächtige Zugmaschinen und Laster, hatten sich auf dem Cannstatter Wasen zusammengefunden. Dem Aufruf des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) und des Schaustellerverbands Südwest waren mehr als 1200 Mitglieder aus dem Land nachgekommen. Pünktlich um 12.30 Uhr startete der Korso in Richtung Innenstadt. Das Ziel war der Karlsplatz, wo die Veranstalter eine große Bühne für zahlreiche Redner errichtet hatten.

Kritik an der Ungleichbehandlung

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand, uns steht das Wasser bis zum Hals und eigentlich schon darüber“, beschrieb DSB-Präsident Albert Ritter die Lage seiner Mitglieder. Bei der bundesweit dritten Großveranstaltung nach Berlin und München wurde auch in Stuttgart auf die dramatische Situation der Schausteller, Marktkaufleute, Künstler und ihrer Zulieferer aufmerksam gemacht. „Die Weihnachtsmärkte 2019 waren für viele das letzte Mal, an denen sie Einnahmen erzielen konnten“, so Ritter. Denn nach der normalen Saisonpause des Gewerbes kam Corona und damit ein Stillstand, der bis heute anhält. „Wir haben seither ein von der Politik für uns verhängtes Berufsausübungsverbot“, klagt der Chef von rund 5000 deutschen Schaustellerbetrieben mit über 30 000 Beschäftigten.

Was Ritter und seine Gefolgschaft vor allem stört, ist die Ungleichbehandlung. Während viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens längst wieder aus dem Corona-Lockdown herauskommen konnten, bleibt seiner Branche die Gewerbefreiheit verwehrt. „Alles ist geöffnet, nur für die deutschen Schausteller gilt das nicht“, schimpft Ritter, der auch nationale Unterschiede benannte. Denn mittlerweile wären in Wien, Straßburg oder Tilburg Märkte ohne Beschränkung schon wieder am Laufen. Nur die deutsche Politik verhielte sich stur, hätte auch für vorgelegte Hygienekonzepte des Schaustellerverbandes bisher kein offenes Ohr gehabt.

Hoffmeister-Kraut macht Hoffnung

Hierzulande richtet sich die ganze Hoffnung auf die Weihnachtsmärkte 2020. „Das ist für viele der letzte Rettungsanker. Und das darf uns nicht auch noch genommen werden“, richtet Albert Richter einen dringenden Appell an die Politik. Das Zuspiel nahm Nicole Hoffmeister-Kraut gerne auf. „Wir haben für Messeveranstaltungen ab 1. September Lösungen gefunden, und wir werden auch für Sie Lösungen finden“, machte die Landeswirtschaftsministerin Hoffnung. Zusammen mit dem Sozialministerium arbeite sie an Konzepten, damit die Märkte stattfinden könnten. „Dafür kämpfe ich“, versprach Hoffmeister-Kraut, „denn wir brauchen Sie und wollen Sie auch nicht verlieren“. Damit keine Existenzen kaputtgemacht würden, sei auch an anderer Stelle Nachbesserungsbedarf angesagt. Die staatlichen Überbrückungshilfen gingen an der Lebenswirklichkeit der Schausteller zum Teil vorbei, hat die Ministerin erkannt. Im Landeskabinett will sie ein neues Konzept mit finanziellen Hilfen bis zu 50 Millionen Euro einbringen.

Die wirtschaftliche Absicherung ist für die Schausteller aber nur eine Seite der Medaille. „Wir wollen nicht in die soziale Hängematte“, sagt Albert Ritter, „sondern wir wollen arbeiten.“ Die Karusselle sollen sich also wieder drehen – und das möglichst bald.