Mitte Dezember soll in der DEL wieder der Puck übers Eis fliegen – wie im Oktober 2019 im Match Eisbären Berlin gegen EHC München. Foto: imago//Engler

Die 14 Clubs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hängen am Tropf der Zuschauereinnahmen, die Corona-Beschränkungen lassen eine wirtschaftliche Saison nicht zu. DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke zieht alle Register – und erwartet eine Reaktion der Politik.

Stuttgart - Mitte Dezember ist der Saisonstart der DEL geplant, und Ligachef Gernot Tripcke ist zuversichtlich, den Termin halten zu können. Doch er weiß, dass sich dafür noch weitere Geldquellen auftun müssen.

Herr Tripcke, wie viel Spaß macht Ihnen der Job als DEL-Chef in diesen Monaten?

(Lacht) Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht. Aber wir sind dafür da, schwierige Situationen zu managen und, soweit nötig, den Clubs zur Seite zu stehen, was die politischen Kontakte angeht, etwa bezüglich Zuschauerbeschränkungen und Fördermitteln. Das war in den letzten Monaten sehr frustrierend, weil man einen Schritt nach vorn macht, und dann geht es wieder zwei zurück. Da macht man Hygienekonzepte, dann dürfen sie nicht umgesetzt werden. Da wird eine Zuschauerkapazität von 20 Prozent der Hallenauslastung eingeräumt, dann macht die Pandemielage das wieder zur Makulatur. Man arbeitet viel für die Tonne.

Versteht die Politik die Probleme der Eishockey-Liga und der Clubs nicht?

Nein, das kann man nicht behaupten. Wir arbeiten eng mit Fußball, Handball und Basketball in der Initiative Profisport Deutschland zusammen, wir arbeiten mit den Verbänden, mit dem DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund, d. Red.), der unser Kanal zum Innenministerium ist, wir halten Kontakt zu allen Staatskanzleien. Wir hatten erst vorgestern eine Anhörung in den Staatskanzleien, wobei es um das Thema Zuschauer ging. Da wurden alle Ligen angehört, nicht nur Fußball. Handball, Basketball und Eishockey sind ja noch abhängiger von den Spieltagseinnahmen. Die machen bis zu 80 Prozent unserer Erlöse aus. Profisport macht man auch für die Zuschauer.

Es gibt aber eine Förderung des Bundes für den Profisport abseits des Fußballs.

Ja, es existiert ein Paket von 200 Millionen Euro, wobei wir davon ausgehen müssen, dass nur ein Bruchteil bei uns ankommt. Im Kleingedruckten gibt es viele Wenns und Abers, und da liest man heraus, dass bei manchen Clubs gar nichts ankommen wird, bei manchen vielleicht auch 800 000 Euro – wenn aber Clubs Erlösausfälle von acht bis zehn Millionen Euro haben, helfen 800 000 Euro nur bedingt. Die 200 Millionen Euro würden den Profisport in Deutschland retten, wenn sie komplett verteilt würden. Ich gehe aber davon aus, dass bestenfalls nur 50 bis 60 Millionen Euro ausgeschüttet werden.

Dann gibt es keine Rettung fürs Eishockey?

Ich mache jetzt mal eine Milchmädchenrechnung. Wenn 200 Millionen Euro zu Verfügung stehen für die Ligen, die in der Saison 2018/2019 etwa 15 Millionen Zuschauer hatten, dann rechne ich um: Die DEL hatte 2,7 Millionen Zuschauer, dann sind das 18 Prozent. Und wenn wir jetzt einfach annehmen, jedes Ticket ist gleich viel wert, kommen wir für die DEL in einen Bereich von 35 Millionen Euro, Handball und Basketball würden je gut 20 Millionen kriegen. Dann wären wir alle ganz nah dran, sogar Geisterspiele hinzukriegen. Natürlich müssen die Spieler den Clubs noch immer beim Gehalt entgegenkommen, manche Sponsoren müssten für eine Leistung bezahlen, die sie nicht voll bekommen, und der eine oder andere Gesellschafter müsste wohl in die Tasche greifen.

Geht es denn wirklich nicht ohne Fans?

Wir haben normalerweise 120 Millionen Euro Erlöse, davon geben wir, so ist das im Profisport, jeden Cent wieder aus, um vor allem Fixkosten und die Spieler zu bezahlen – da nimmt sich kein Gesellschafter eine Dividende heraus. Es geht nicht um Gewinn, es geht ums Gewinnen! Wenn wir keine Spieltagserlöse haben, brechen uns bis zu 80 Prozent weg, es fehlen also 80 bis 90 Millionen. Wenn wir nun 20 Prozent Zuschauer haben, können wir ein bisschen was kompensieren; unsere Spieler haben auch 25 Prozent Gehalt umgewandelt – dann fehlen uns, Stand vor vier Wochen, noch etwa 60 Millionen Euro. Die Fixkosten kann man nicht signifikant runterschrauben. Bleiben die Gehälter, da reden wir nicht von Unsummen, denn das Durchschnittsgehalt in der DEL liegt zwischen 100 000 und 120 000 Euro brutto. Irgendwo liegt eine Schmerzgrenze, gerade bei Spielern, die unter dem Schnitt verdienen.

Und jetzt bekommen Sie nicht einmal mehr die 20 Prozent Zuschauer.

Da geht das Loch dann noch weiter auf. Das Geld muss irgendwo herkommen, nicht nur, aber auch von der Politik – wie für die Tui oder die Lufthansa. Und wenn die gesamten in Aussicht gestellten 200 Millionen Euro fließen, dann kriegen wir das auch hin, wie auch Handball und Basketball.

Das klingt nicht gut. Wie wahrscheinlich ist denn der Start der DEL Mitte Dezember?

Man muss realistisch sein: Wir müssen mit Spielen ohne Zuschauer rechnen, was wir bislang immer ausgeschlossen hatten. Wir haben für sechsstellige Summen Hygienekonzepte entwickelt, nach denen die Gesundheitsämter den Clubs informell bis zu 70 Prozent Auslastung zugestanden hätten, doch die Politik hat nicht mitgezogen, obwohl die Konzepte funktionieren und bislang in Europa in letzter Zeit keine Sportveranstaltung als Superspreader-Event bekannt wurde. Es passiert in der Schweiz nichts bei 66 Prozent Zuschauern, in Finnland nichts bei 50 Prozent. Wir sind aber nun an einem Punkt, wo wir sagen, wir wollen mit aller Macht spielen, dann müssen wir kalkulieren, wie wir auch Geisterspiele finanziell dargestellt bekommen. Das ist jetzt alternativlos – und alles, was irgendwann an Zuschauern kommt, ist ein Bonus.

Fußball hält sich wegen der TV-Verträge auch ohne Fans in den Stadien über Wasser. Sehen Sie eine Chance, mehr als vier Millionen Euro für die TV-Rechte für die DEL zu erzielen?

Wir haben einen langfristigen Vertrag mit der Telekom, mit dem wir sehr glücklich sind. Selbst wenn wir unsere TV-Einnahmen verdoppeln könnten, wäre das schön, aber das wäre nicht die Lösung und könnte nicht den Spieltag ersetzen. Ich lasse uns nicht vorwerfen, wir hätten kein alternatives Konzept gehabt. Wie sollen wir ein Konzept aufstellen, das ohne Fans funktioniert? Das ist, als würde ich einem Restaurant sagen: Du musst dir ein Konzept ausdenken, bei dem die Gäste nichts mehr essen dürfen.

Die DEL 2 will am 6. November starten.

Das ist deren Plan, die Situation dort ist ein wenig anders. Die Umsätze liegen etwa bei einem Drittel der DEL, da ist die Fallhöhe weniger hoch. Da schließt eine Förderung von 800 000 Euro ein deutlich größeres Loch, wenn sie denn kommt. Aber selbst für die wird es sehr schwer. Ich bin guter Hoffnung, dass wir bis Dezember eine gute Lösung für die DEL finden. Spieler, Sponsoren und Gesellschafter rücken noch näher zusammen, um irgendwie eine Saison auf die Beine zu stellen. Wir wollen auf der Bildfläche bleiben, wollen aber nicht ins Verderben rennen.

Was würden Sie sich wünschen, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?

Beruflich, dass Corona bald verschwindet.