Auf dem historischen Foto wird gerade der Kirchturm gebaut. Foto: privat

Die evangelische Haigstkirche ist vor 60 Jahren eingeweiht worden. Das feiert die Gemeinde am Sonntag.

Degerloch - Die Haigstkirche ist Dieter Franke so vertraut wie sein Wohnzimmer. Hier ist er als Jungspund konfirmiert worden, hier hat er 1970 geheiratet, hierher kommt er mehrmals die Woche. Weil Gottesdienst ist oder weil es irgendetwas zu reparieren gibt. „Ich bin der, der sich in der Kirche vom Keller bis zum Glockenturm am besten auskennt“, sagt der 73-jährige Degerlocher. Franke lebt seit 1946 auf dem Haigst, und damit länger, als es das evangelische Gotteshaus gibt. Am Sonntag, 17. März, feiert die Kirchengemeinde das 60-jährige Bestehen des Gebäudes.

Ein Fest, wie es Franke und die anderen vor zehn Jahren beim Fünfzigsten ausgerichtet haben, wird es nicht geben. Auch auf eine extra Broschüre haben die Evangelischen verzichtet. „Aber man soll dran denken“, sagt Franke. Deshalb heißt der Gottesdienst an diesem Sonntag Festgottesdienst, und wer Lust hat, kann sich danach auf eine fotografische Zeitreise begeben.

Unter anderem wird dann ein Schwarz-Weiß-Bild zu sehen sein, das den eingerüsteten, unfertigen Kirchturm zeigt. Die Haigstkirche ist in zwei Abschnitten gebaut worden. Zunächst das Kirchenschiff samt Turm. Ein Jahr später kam der Rest. Auf dem Bau-Foto von einst steht das alte Transformatorengebäude der Zahnradbahn noch. In ihm hatte die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart im Jahr 1936 eine Behelfskirche eingerichtet.

„Das Gemeindeleben war sehr viel intensiver, als es heute ist“

Dieter Franke – 38 Jahre lang Kirchengemeinderat – kann Geschichten davon erzählen, wie eng es in dem Häuschen zuging, wenn sich die Evangelischen zu ihrem Gottesdienst getroffen haben. Er berichtet zudem, dass es früher sowieso lebhafter zuging in der Gemeinde auf dem Haigst. „Das Gemeindeleben war sehr viel intensiver, als es heute ist“, sagt Dieter Franke. Hatten sich damals die unterschiedlichsten Gruppen und Kreise gegründet, lösen sich derzeit einige auf.

So wird es zum Beispiel die Veranstaltungsreihe „Kultur und mehr“ vom Sommer an nicht mehr geben. Laut Franke finden sich keine Leute mehr, die ehrenamtlich Verantwortung übernehmen, die mitgestalten und organisieren. Vielleicht bringt die neue Pfarrerin Ideen mit, was sich dagegen tun ließe. Anja Wessel fängt am 2. Juni auf dem Haigst an.

In ihrer Anfangszeit in dem alten Transformatorenhäuschen hatte die Degerlocher Haigstgemeinde 2000 Mitglieder. Inzwischen hat sich die Zahl bei etwa 850 eingependelt. Dieser Rückgang ist mit dafür verantwortlich, dass die Gesamtkirchengemeinde die Haigstkirche vor wenigen Jahren für verzichtbar erklärt hatte. Es zeichnet sich ab, dass es von 2025 kein Geld mehr für den Unterhalt des Degerlocher Gotteshauses geben wird.

Eine Stiftung, um die Rechnung selbst bezahlen zu können

Dieter Franke und die anderen wollten dies freilich nicht tatenlos nur zur Kenntnis nehmen und zusehen, wie es zu Ende geht mit ihrer hübschen Kirche. Deshalb haben sie 2008 eine Stiftung gegründet, um die Rechnungen im Ernstfall selbst bezahlen zu können. Während der zurückliegenden fünf Jahre sind auf diese Weise rund 330 000 Euro zusammengekommen.

Die Stuttgarter Gesamtkirchengemeinde wird ihre Einschätzung zwar alle drei Jahre überprüfen, die Degerlocher rechnen dennoch sicherheitshalber damit, dass sie in Zukunft auf sich allein gestellt sein werden. Denn: das erklärte Ziel ist, noch viele Freudenfeste auf dem Haigst zu feiern.