Erst mit 20 Jahren ließ sich Pfarrerin Teresa Nieser taufen. Es war wie nach Hause kommen, sagt sie. Foto: Julia Barnerßoi

Teresa Nieser ist neue Pfarrerin in der Michaelsgemeinde. Ihr Weg zur Kirche war eher ungewöhnlich. Bis heute erfüllt sie kein Schema einer Pfarrersfamilie.

Degerloch - Teresa Nieser tapst barfuß über die alten Dielen in ihrer neuen Wohnung im Gemeindehaus an der Erwin-Bälz-Straße. Teilweise stehen noch unausgepackte Kartons in den Räumen, die den Charme einer Berliner-Altbau-WG versprühen. Die junge Frau ist zierlich, trägt einen getupften Rock. Doch da ist auch das Kinderzimmer mit dem Rutschenbett, auf das man durch einen Türspalt einen Blick ergattert, und die Bücherwand mit theologischen Werken, die sich über die gesamte Länge des Arbeitszimmers erstreckt. Teresa Nieser ist 31 Jahre alt, alleinerziehende Mutter ihres fünf Jahre alten Sohnes und die neue Pfarrerin in der evangelischen Michaelsgemeinde.

„Natürlich gibt es das traditionelle Bild der Pfarrfamilie noch immer“, sagt Teresa Nieser. Es sage ihr zwar keiner direkt ins Gesicht, aber natürlich wisse sie, dass sie als junge, alleinerziehende Pfarrerin auffällt. „Gerade, weil ich noch so jung wirke“, sagt die 31-Jährige. Ablehnung erfährt sie in ihrer neuen Heimat aber keine. Ganz im Gegenteil: „Die Degerlocher begegnen mir mit freundlicher Neugier. Jonathan und ich fühlen uns sehr wohl“, sagt sie und strahlt. So außergewöhnlich sei es ja heute doch nicht mehr. „Inzwischen gibt es schon alle Familienmodelle. Auch bei Pfarrern“, sagt die moderne Mama.

„Auf der Straße werde ich mit Frau Pfarrerin angesprochen“

Zum 1. März hat Teresa Nieser die Stelle als Pfarrerin zur Dienstaushilfe bei Dekan Wolfgang Röhl angetreten. Schon jetzt wirkt sie bestens integriert. Sie gibt Religionsunterricht an der Filderschule, kümmert sich um die Kinderkirche, predigt, tauft, beerdigt oder macht Geburtstagsbesuche. „Bei diesen Anlässen lernt man die Menschen schnell kennen“, sagt Teresa Nieser. Degerloch sei eben doch wie ein kleines Dorf – aber mit Stadtanschluss. „Auf der Straße werde ich mit Frau Pfarrerin angesprochen“, sagt die junge Frau mit den langen blonden Haaren und lacht: „Das hätte es in Göttingen nie gegeben“.

In der niedersächsischen Universitätsstadt hat Teresa Nieser studiert und ihr Vikariat absolviert. Zuvor widmete sich die gebürtige Tübingerin in Lyon und Berlin der Theologie. Dass sie einmal Pfarrerin werden würde, dachte Teresa Nieser lange selbst nicht. Den Bezug zur Kirche fand sie spät. „Mir fehlt diese klassische Kirchenlaufbahn.“ Damit meint sie Taufe, Kinderkirche, Konfirmandenunterricht, Konfirmation. Denn taufen ließ sich Teresa Nieser erst während des Studiums, ungetauft hätte sie den Abschluss nämlich nicht machen können. Das Gefühl aber überwältigte die junge Frau: „Es war wie nach Hause kommen“, sagt Nieser.

Zunächst hatte sie mit Kirche nichts am Hut

„Meine Eltern waren die klassischen 68er-Studenten, haben eine enge Kirche kennen gelernt und sind deshalb irgendwann ausgetreten“, nennt Teresa Nieser den Grund, warum sie als Kind nicht getauft wurde und zunächst nichts mit der Kirche am Hut hatte.

Zwischen ihren Sätzen klingelt mehrmals schrill das rot-schwarze Handy. Ihr Sohn Jonathan hat sich eine Zecke eingefangen. Routiniert und unaufgeregt organisiert Teresa Nieser, dass der Opa den Fünfjährigen aus dem Kindergarten abholt und zum Arzt bringt. Ohne ihre Eltern würde es nicht so reibungslos gehen, erzählt sie. Dafür sei sie sehr dankbar. Immerhin hätte sie sich die Sache mit der kleinen Familie auch anders vorgestellt.

Doch zurück zu ihrem Weg zur Kirche. „Ach ja: In der Schule habe ich trotzdem den Religionsunterricht besucht. Meine Eltern wollten mir die Wahl lassen.“

Die Eltern fanden es „erstaunlich“

Und sie traf ihre Entscheidung. Nach dem Abitur zog sie los, um Theologie zu studieren. Die Eltern fanden es „erstaunlich“, wie sie sagt, unterstützten sie aber. Trotz der Studienwahl hatte sie nie den Gedanken, Pfarrerin zu werden. „Wenn mir das jemand zu Beginn des Studiums erzählt hätte, hätte ich nur gelacht“.

Auch nach dem Studium fühlte Teresa Nieser sich längst noch nicht als künftige Pfarrerin, mehr als „Wissenschaftlerin, die mit theologischen Texten arbeiten kann“, sagt sie. Erst mit dem Vikariat kam schließlich die Überzeugung. „Ich habe gelernt, dass Christen nicht nur Menschen mit grauen Haaren und Brillen sind“, sagt Teresa Nieser. Sondern – und das scheint auch ihr Lebensmotto zu sein – „Gemeinde ist, was man daraus macht“.