Die Weisen aus dem Morgenland einmal ganz anders gesehen. Foto: dieKLEINERT.de / Petra Kaster

Das Christfest gerät ins Visier von Bedenkenträgern. Jetzt hat die Integrationsbeauftragte Annette Widmann-Mauz (CDU) mit einer Weihnachtskarte für Furore gesorgt, auf der das Wort Weihnachten gar nicht vorkommt. Wir zeigen satirisch zugespitzt, wohin diese Entwicklung führen könnte.

Stuttgart - Kein Witz: Eine Stuttgarter Erzieherin entschuldigte sich dieser Tage bei der Mutter eines Kindes für eine vermeintlich schreckliche Panne: In der Kita wurde aus Versehen die Weihnachtsgeschichte vorgelesen, wodurch nicht christliche Religionen und Atheisten diskriminiert worden sein könnten. Auch die Politik denkt über Weihnachten und die damit verbundenen Rituale nach. So verschickte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, eine Weihnachtskarte, auf der das Wort Weihnachten gar nicht vorkommt. Stattdessen steht dort: „Egal, woran Sie glauben – wir wünschen Ihnen eine besinnliche Zeit und einen guten Start ins neue Jahr.“ Das Bemühen der CDU-Politikerin um weltanschauliche Neutralität kam nicht sonderlich gut an – nicht nur bei ihren Parteikollegen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht auch die christliche Weihnachtsgeschichte dringend einer Überarbeitung bedarf. Gesagt, getan. Wir haben dazu Teile aus Weihnachtserzählungen für Kinder übernommen und einige nicht ganz ernst gemeinte Vorschläge für eine garantiert diskriminierungsfreie Version ausgearbeitet.

Original: „Bald wirst du ein Kind bekommen, und das sollst du Jesus nennen. Es wird der Sohn Gottes sein“, hat ein Engel zu Maria gesagt. Nun wartet sie mit ihrem Mann Josef in der Stadt Nazareth auf die Geburt des Kindes. Kurz nach der Hochzeit von Maria und Josef schickt der Kaiser von Rom, der ihr Heimatland regiert, seine Boten aus. Sie sagen: „Ein jeder muss in seine Geburtsstadt reisen, um sich zählen zu lassen.“

Neufassung: Alle Menschen, die den Datenschutzrichtlinien zugestimmt haben, werden bei einer Volkszählung anonym zu ihrer Lebenssituation befragt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bleibt gewahrt.

Original: Josef und Maria machen sich auf den weiten Weg. Maria darf auf einem Esel reiten.

Neufassung: Maria und der Esel laufen friedlich nebeneinander her, wobei sie ihm ab und zu den Nacken krault. Der Esel stammt aus einem Stall, der nach den Vorgaben führender Tierschutzorganisationen gestaltet wurde.

Original: „Jetzt suchen wir eine Unterkunft, damit du dich ausruhen kannst“, sagt Josef, als sie in Bethlehem ankommen. Aber wo er auch klopft, nirgends ist ein Zimmer frei. Am Ende müssen Maria und Josef in einem Stall schlafen.

Neufassung: Sie fragen bei der genossenschaftlich organisierten Mitwohnzentrale nach und kommen so an ein günstiges WG-Zimmer. So können sie am Ende doch noch der durch rücksichtslose Spekulanten angeheizten Wohnungsnot entgehen.

Original: Im Stall bekommt Maria ihr Kind. Es ist ein Sohn.

Neufassung: In der WG kommt Marias Kind bei einer Hausgeburt zur Welt. Es ist ein Mensch. Frühere Meldungen, nach denen es sich um einen Sohn gehandelt haben soll, entspringen einem hoffnungslos patriarchalen Gesellschaftsbild .

Original: Maria erzählt Josef, dass sie Engel gesehen hat. Die Engel haben ihr gesagt, dass das Kind Jesus heißen soll. Maria wickelt das Kind in Windeln.

Neufassung: Josef wickelt das Kind in Windeln aus ungebleichter Biobaumwolle, bevor er es in den Hort bringt. Unterdessen besucht Maria, die wie viele junge Frauen ihrer Zeit keine Ausbildung absolviert hat, das Abendgymnasium, um das Abitur nachzuholen.

Original: Draußen auf dem Feld sind die Hirten. Sie passen in der Nacht auf die Schafe auf.

Neufassung: Die staatlich geprüften TierwirtInnen treten ihre Nachtschicht an. Für die Zeit zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens erhalten sie einen Nachtzuschlag von 50 Prozent. Laut dem Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Weide und Vieh gibt es alle zwei Stunden eine bezahlte Pause von 15 Minuten.

Original: Plötzlich erscheint den Hirten ein Engel. Er leuchtet ganz hell. Die Hirten erschrecken. Der Engel sagt zu ihnen: „Habt keine Angst. Ich habe wunderbare Neuigkeiten. Der Sohn Gottes wurde in Bethlehem geboren. Er ist der König, den Gott versprochen hat!“

Neufassung: Die TierwirtInnen treffen einen Boten oder eine Botin. Er/Sie sagt: „Ich habe gute Neuigkeiten: Gottes Kind wurde geboren. Es ist der/die König/-in, den er/sie euch versprochen hat.“

Original: Die Hirten wandern durch die stillen Straßen bis zum Stall. „Wir sind gekommen, den neuen König zu besuchen“, sagen sie. „Ihr seid willkommen“, antwortet Josef. „Aber wir sind arm“, sagen die Hirten. „Wir können dem Baby nichts als unsere Liebe schenken“.

Neufassung: „Wir sind gekommen, um den/die neue/n, in freier und geheimer Wahl bestimmte/n Regierungschef/-in unseres demokratischen Staates zu besuchen“, sagen die TierwirtInnen. Sie haben auch Geschenke für das Baby dabei, die sie dank dem bedingungslosen Grundeinkommen in einem Secondhandgeschäft kaufen konnten.

Original: Die Hirten erzählen jedem, den sie treffen, dass Gottes Sohn geboren ist (. . .). In einem fernen Land leben drei kluge Männer. Man nennt sie die Weisen aus dem Morgenland.

Neufassung: In einem Nicht-EU-Land leben drei schlaue GesamtschulabsolventInnen, die sich dank individueller Förderung und lebenslangem Lernen ständig weiter qualifizieren konnten – auf Kosten des Arbeitgebers. So wird sichergestellt, dass Akademiker und Nichtakademiker gleiche Chancen haben.

Original: Eines Abends entdecken die Weisen am Himmel einen neuen Stern. „Der Stern leuchtet, weil ein neuer König geboren wurde“, sagt einer der Weisen. „Vielleicht führt uns der Stern zu ihm“, vermutet ein anderer. Sie machen sich auf den Weg in die Stadt Jerusalem, wo sie den neuen König vermuten. Stattdessen treffen sie dort Herodes. Der will keinen König neben sich.

Neufassung: Die klugen Personen sehen einen Stern am Himmel. Sie glauben, dass er sie zum/zur neuen Regierungschef/-in führen wird. Im KanzlerInnenamt angekommen, wollen sie ihre Glückwünsche überbringen. Doch dort wohnt der Diktator Herodes, der die Opposition unterdrückt und nichts von Presse- und Meinungsfreiheit hält. Er will das Kind finden und ins Ausland abschieben lassen.

Original: Die weisen Männer reiten nach Bethlehem, wo der Stern sie zum Stall führt. „Wir sind gekommen, den neuen König zu sehen“, sagen sie. Sie knien vor dem Kind nieder und holen ihre Geschenke hervor. Sie schenken ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Außerdem beschließen sie, Herodes nicht zu sagen, wo das Kind ist.

Neufassung: Als die klugen Personen die WG gefunden haben, in der Maria, Josef und Jesus wohnen, holen sie ihre Geschenke hervor. Statt teuren, womöglich durch Kinderarbeit gewonnenen Golds haben sie handgeschnitztes Holzspielzeug von regionalen Traditionsbetrieben dabei. Und statt Weihrauch und Myrrhe, die mit Schadstoffen belastet sein könnten, bringen sie Kräuter von einem nahen Biobauern. Als Maria und Josef hören, dass der Diktator Herodes vor den UN-Gerichtshof für Menschenrechte kommt, fahren sie zurück nach Nazareth.