Das denkmalgeschützte Opernhaus in Stuttgart soll umfangreich saniert werden. Die Bürgerinitiative Aufbruch Stuttgart plädiert dagegen für den Neubau eines Opernhauses an der Kulturmeile. Foto: dpa

Der Verein Aufbruch Stuttgart lässt beim Thema Opernsanierung nicht locker: Ein Neubau in der City sei kostengünstiger und schone das denkmalgeschützte Große Haus. Die Mehrheit der Stadträte im Rat sieht das aber anders.

Stuttgart - Eines muss man der Initiative Aufbruch Stuttgart lassen: Sie ist hartnäckig. Am kommenden Dienstag wollen der Aufbruch-Vorsitzende Wieland Backes und seine Mitstreiter im technischen Ausschuss des Gemeinderats erneut ihrer Forderung nach einem Opernneubau im Kulturquartier Nachdruck verleihen. Trotz anderslautender Beschlusslage des Gemeinderats und des Verwaltungsrats der Staatstheater (Sanierung des Littmann-Baus und Untersuchung eines Interimsquartiers bei den Wagenhallen im Stuttgarter Norden) setzt der Verein weiterhin auf den Bau einer dritten Spielstätte in der City. Das bisherige Opernhaus soll nur „maßvoll“ saniert werden und als Spielstätte für Ballett und weniger aufwendig produziertes Musiktheater dienen.

Gestützt werden soll das Begehren durch die Ergebnisse eines hochkarätig besetzten Ideenwettbewerbs nationaler und internationaler Architekturbüros, den Aufbruch Stuttgart Ende vergangenen Jahres initiiert hatte. Neben Entwürfen für die Neugestaltung des Kulturquartiers hat der Wettbewerb auch Ideen für einen Opernneubau hervorgebracht. Der geplante Umbau des Großen Hauses sei ein „teurer Irrweg“, das Kostenrisiko nicht abzusehen, so Architekt Arno Lederer, Co-Vereinschef des Aufbruchs, der die weltweit renommierte Architektenschar zusammengetrommelt hatte.

Architekt Lederer: Geplante Sanierung zerstört harmonische Ordnung des Littmann-Baus

Der Verein hat seine Argumentationsstrategie modifiziert. Während es in den Anfängen der Initiative vor allem um die Frage ging, die Kulturmeile und den Bereich um die denkmalgeschützte Oper städtebaulich aufzuwerten und den Verkehr auf der Konrad-Adenauer-Straße zu reduzieren, verengte sich der Fokus im vergangenen Jahr mehr und mehr darauf, dass das ebenfalls denkmalgeschützte Königin-Katharina-Stift in direkter Nachbarschaft zum großen Haus einem Opernneubau weichen müsse. Der Littmann-Bau solle als reines Konzerthaus weiter genutzt werden. Das stieß bei der Politik, aber auch bei der Schulgemeinschaft und bei der Intendanz der Staatstheater auf taube Ohren.

Nunmehr nehmen Backes und Lederer die Sanierungskosten und den Denkmalschutz in den Blick. „Ein Neubau lässt sich viel besser kalkulieren als der massive Eingriff in ein historisches Gebäude“, sagt Lederer. Er verweist auf den von ihm mitverantworteten Neubau des Münchner Volkstheaters zum Festpreis von 131 Millionen Euro. Für die Sanierung des Großen Hauses werden bis zu 600 Millionen Euro veranschlagt.

Auch den Denkmalschutz sieht der Aufbruch empfindlich geschädigt: Für den Einbau einer Kreuzbühne ins Große Haus müsste bekanntlich die Südfassade des Littmann-Baus auf einer Länge von rund 25 Metern aufgerissen und um vier bis sechs Meter in Richtung Landtag verschoben werden. „Das ist so, wie wenn Sie in ein zu kleines Auto einen zu großen Motor einbauen“, sagt Architekt Lederer. Die Folgekosten seien enorm – ganz zu schweigen vom anschließenden Erscheinungsbild des 1912 erbauten Opernhauses. Dessen „harmonische architektonische Ordnung“ werde zerstört. Die öffentliche Hand müsse aber „beispielhaft mit ihren Denkmälern umgehen“, so Lederer.

CDU, Grüne und Freie Wähler halten an der Sanierung des Großen Hauses fest

Sein Verdikt würde freilich auch für die über hundert Jahre alte Schule gelten, die bisher vom Aufbruch als Standort für eine Ersatzoper respektive ein Konzerthaus auserkoren war. Angesichts des breiten Widerstands gegen eine Verlegung der Schule macht Aufbruch diesmal keine konkreten Standortvorschläge. Im Raum stehen aber neben dem Gymnasium weiterhin auch der Akademiegarten und – eine Idee der Baseler Architekten Herzog/de Meuron – eine Oper an der unteren Königstraße. Die dortige Adresse 1 bis 3 gehört der Landesbank Baden-Württemberg. Der Hausherr will nach Informationen unserer Zeitung das Gebäude abreißen und einen Wettbewerb für einen Neubau ausschreiben. Das Areal war aber bei der stadtinternen Suche nach einer Interimsspielstätte für die Oper mangels Größe aussortiert worden.

Dass die Argumente des Aufbruchs die mehrheitlich ablehnende Haltung der Stadträte zum Thema Opernneubau am Dienstag ins Wanken bringen, ist unwahrscheinlich: „Wir sehen ganz klar auch in der Zukunft Oper und Ballett im Littmann-Bau, auch nach der Modernisierung“, sagt CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Die Grünen wollen das Große Haus ebenfalls als Spielstätte für Oper und Ballett erhalten, und auch die Freien Wähler sehen keine Notwendigkeit für einen Neubau. SPD und SÖS/Linke-plus dagegen wollen die Option für eine neue Oper offenhalten. Sollte die Sanierung finanziell aus dem Ruder laufen, könnten eine weniger risikoträchtige Sanierung des Littmann-Baus und ein Opernneubau eine Alternative sein, so SPD-Fraktionschef Martin Körner. SÖS/Linke-plus sehen sich durch die Aufbruch-Vorschläge bestätigt, sich nicht auf die millionenschwere Sanierung des Littmann-Baus zu fokussieren, sondern nach Alternativen zu suchen. Und das Ratsherrn-Duo vom Bündnis Zukunft Stuttgart 23 spricht sich für einen Opernneubau in Möhringen beim SI-Zentrum aus: Eine weitere Spielstätte im Zentrum erzeuge nur zusätzlichen Verkehr.