Werden gerne in schönes Licht getaucht: „Neue Väter“ Foto: dpa/Annette Riedl

Wechselt Mann die Windel, gehört er schon zur Riege „neue Väter“. Was passiert hier außer Wortgeklingel?

Stuttgart - Männer sollen es schwer haben seit einiger Zeit. Irgendwie klappt das nicht mehr mit dem Unter sich bleiben, gelegentlichem interessierten „Ah ja?“-Aufschauen und dem legendären „Auf jetzt!“, wenn der Kick des Nachwuchses gerade abgepfiffen wird.

Schnelle Erfolge

Umgekehrt gilt: Männer haben es leicht. Tragen sie ein Baby spazieren, ist ihnen ein Lächeln sicher, sprechen sie aufmerksam mit einem brabbelnden Kleinkind, beginnt Gegenüber schon die Debatte, dass der eigen gewählte Kindsvater das ja nie hinbekommt. Hantiert ein Mann einigermaßen normal mit Windel & Co., ist er schon kurz vor der Ziellinie ins gelobte „Neue Väter“-Land.

Selbst initiiertes Wohlfühlprogramm

Welten des Dauer-Staunens und Dauer-Talkens eröffnen sich – in denen sich alle so spitze fühlen, dass Mann und Frau gar nicht mehr verstehen können, wie Mann überhaupt leben konnte in der schlimmen alten lonesome cowboy-Welt.

Realitätsverlust

Bitte – wie? Schlimm ist hier doch vor allem der Erinnerungs- und Realitätsverlust. Die Arbeitsrealität bestimmt in einer (Hoch-)Industrienation die soziale Realität. Nicht die Männer, nicht flüchtende Kleinkindväter haben nach den frühen 1970er Aufbruchsjahren betont gemeinsamer Erziehung das Rad rasant zurückgedreht, sondern das so eigenwillige wie erfolgreiche Wesen Flexibilisierung. Schleichend erst, dann immer schneller hat es scheinbar ewige Regeln im männlichen Zeitbudget pulverisiert. Von 16, 17 Uhr an den Nachwuchs aktiv sein zu lassen – das kann es nie gegeben haben. Hat es aber, vom Sportverein bis zur Freiwilligen Feuerwehr – zum gesamtgesellschaftlichen Wohl.

Frauen gehen in die Falle Teilzeit

Das Aufwachen in einer Zeit der sich immer weiter ausdehnenden Schichtarbeit, befristeter Arbeitsverträge und beschränkter Planbarkeit hat gedauert. Lange. Sehr lange. Und es ist ein bitteres Aufwachen für Männer wie Frauen. Männer sehen sich bei aller beruflichen Flexibilisierung privat gerne überfordert, Frauen gehen bereitwillig in die Falle Teilzeit und machen noch immer nicht laut genug Front gegen die reale Starre einer ach so flexiblen Arbeitsgesellschaft.

Zwei verlorene Jahrzehnte

Und es ist ein Aufwachen voller Vergessen. Ging es nicht vor nun knapp 40 Jahren um eine „geistig-moralische Wende“? War nicht das versprochene und bald lähmende Roll Back und das Aus für die erste Welle von Kinderläden, freien Schulen, wilden Mädchen und weinenden Jungen aus der Fernseh-„Rappelkiste“ demokratisch gewählt? Und haben wir nicht prima mit einem Turbo-Kapitalismus gelebt, der mit größtem ökonomischen Erfolg uns wieder lernen ließ, dass echte Kerle besser Flaschen öffnend unter sich bleiben und Mädchen und junge Frauen (andere waren in den 1990er und 2000er Jahren nicht zu sehen) in netten Kleidern doch schon immer am besten aussahen?

Väter sind Partner

Was das alles mit den „neuen Vätern“ zu tun hat? Sie können sich als solche fühlen, weil wir, die Gesellschaft, sie so behandeln. Dabei ist es doch ganz einfach: Wer als Partner Vater wird, bleibt Partner im eigentlichen Sinn. Da hält keine(r) der/dem anderen den Rücken frei, damit eine/r durchstarten kann. Da sucht man sich gegenseitig den Rücken frei zu halten.

Recht auf gemeinsame Zeit

Das Gerede von den „neuen Vätern“ ist so unsinnig wie der ewig wabernde Mutter-Mythos. Kinder haben ein Recht auf bewusste Ansprache, auf gemeinsame Zeit, in der sie doch den ach so stolzen Vater für das Spiel mit Altersgenossen einfach sitzen lassen. Frauen haben jedes Recht, die bestmögliche Arbeit zu machen, die bestmögliche Position zu erreichen. Sie kann heute nicht? Er kann. Muss können wollen. Er kann heute nicht? Sie kann. Muss können wollen. Neu ist daran überhaupt nichts. Mann macht schlicht seinen Job – als Partner, als Vater.