Der Akademiegarten am Charlottenplatz – für Stadtklimatologen ein wichtiges Areal, um die zunehmende Hitze im Talkessel auszugleichen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die große Hitzeperiode dieses Sommers ist vorüber. Die steigenden Temperaturen im Talkessel sind für Klimatologen ein Alarmsignal: Grünflächen in der City werden künftig wichtiger denn je – etwa auch der Akademiegarten, der für den Bau einer Konzerthalle im Gespräch ist.

Stuttgart - Die sogenannten Hundstage, in denen auch die Landeshauptstadt unter der anhaltenden Hitze stöhnte, sind vorbei. Die höchste Temperatur in diesem Sommer 2018 registrierte der Deutsche Wetterdienst (DWD) bereits am 31. Juli mit 35,1 Grad. Insgesamt gab es nach Angaben des DWD im Juli und August 18 Tage mit einer Temperatur von 30 Grad und mehr. Gemessen wurden die Werte an der Station auf dem Schnarrenberg – im Talkessel lagen die Werte an der städtischen Temperturmessstation auf dem Schwabenzentrum teilweise sogar bei knapp unter 37 Grad.

Die wenigen grünen Oasen in der City werden angesichts dieser Entwicklung immer wertvoller – und sind doch zugleich Objekt der Begierde von Architekten, Planern und Investoren, wenn es um die Stadtentwicklung geht. Die Frage ist: Wie viel Flächenversiegelung verträgt Stuttgart?

In jüngster Zeit sind, bedingt durch die notwendige Sanierung des Opernhauses, vor allem der Obere Schlossgarten und der angrenzende Akademiegarten als Standorte für eine provisorische Ausweichspielstätte vorgeschlagen worden. Zumindest die Überbauung des Eckensees – neben dem Feuersee im Westen die einzigen größeren Wasserfläche im Stadtzentrum – ist inzwischen vom Tisch. Der Akademiegarten zwischen Neuem Schloss und Charlottenplatz dagegen bleibt auf der Tagesordnung: Namentlich die SPD-Fraktion im Rathaus und der Verein Aufbruch Stuttgart, der sich für die Neugestaltung der Kulturmeile zwischen Charlottenplatz und Gebhard-Müller-Platz stark macht, könnten sich nach dem Scheitern der Interimsoper im Paketpostamt am Rosensteinpark dort den Bau eines Konzerthauses vorstellen. Schließlich, so ein Argument mancher Befürworter, sei dort ab 1775 bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg auch die Militärakademie Hohe Carlsschule gestanden, das Gelände sei also gar keine originäre Freifläche. Damals freilich war von Klimawandel noch nicht die Rede, und die Zahl der Kohlendioxid ausstoßenden Fahrzeuge hielt sich in Grenzen. Die C02-Emissionen halten die meisten Wissenschaftler für die Hauptursache des sogenannten Treibhauseffekts auf unserem Planeten.

Akademiegarten fungiert als Ventilator für die Luft

Aus Sicht der Stadtklimatologen gilt eine Bebauung des Akademiegartens jedenfalls als problematisch. Die 16 000 Quadratmeter große, mit großen Bäumen bepflanzte Fläche ist wie der Schlossgarten Teil der Hauptbelüftungsachse der Innenstadt. Über sie wird zum einen die Frischluft vom Rand des Talkessels zugeführt, zum anderen werden die hauptsächlich durch den Verkehr entstehenden Luftschadstoffe verwirbelt und verteilt. „Dieser Ventilationseffekt darf nicht beeinträchtigt werden“, sagt Hans-Wolf Zirkwitz, Leiter des städtischen Amts für Umweltschutz. Zum anderen sorge die Grünfläche tagsüber, aber vor allem auch in der Nacht für einen thermischen Ausgleich, so Zirkwitz: Die dort produzierte Kaltluft gleicht die von Gebäuden und Asphalt gespeicherte und wieder abgegebene Hitze aus. „Das ist schon ein wichtiges Gebiet“, bilanziert Zirkwitz. Nicht umsonst ist der Akademiegarten im Klimaatlas der Region Stuttgart als bedeutendes Klimatop ausgewiesen, das einen Ausgleich zur Umgebungsbebauung schafft.

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Für den Experten ist die extreme und lang andauernde Hitzeperidiode 2018 eine Folge des Klimawandels. „Wir müssen konstatieren, dass sich über die vergangenen Jahre die Extremereignisse häufen“, sagt Zirkwitz. Mit anderen Worten: Städte müssen sich auf diese Entwicklungen einstellen und Vorsorge treffen. Mittlerweile bezweifeln Forscher sogar, dass das im Klimaschutzabkommen von Paris 2015 vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, ausreicht, um den Klimawandel beherrschbar zu machen. Politisch ist das Problem in seiner ganzen Dimension aber auch bei der Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat noch nicht angekommen. Als der Gemeinderat im Juli über die Verwendung der Haushaltsüberschüsse in Höhe von knapp 400 Millionen Euro aus 2017 entschied, wurde zwar eine Wohnraumoffensive für 150 Millionen Euro beschlossen. Ein von den Grünen beantragtes Zwei-Jahres-Programm zum Klimaschutz in Höhe von 110 Millionen fand aber unter den Stadträten keine Mehrheit.

Für Klimaschutz-Programm hat die Gemeinderatsmehrheit kein Geld übrig

Wie es mit dem Akademiegarten weiter geht, wird sich im September zeigen. Dann will die Opern-Taskforce um OB Fritz Kuhn (Grüne) ihre Standortvorschläge für eine Interimsoper oder eine Konzerthalle machen. Kaum anzunehmen ist, dass Kuhn das Urteil seines Amtsvorgängers Wolfgang Schuster (CDU) revidiert. Der hatte 2010 Pläne zum Neubau des Landtags an gleicher Stelle mit der Begründung abgelehnt, der Akademiegarten sei „eine wichtige Grünzone“ und daher tabu.