Wetterstationen erfassen heutzutage Daten in Echtzeit – im Vergleich mit ihren historischen Aufzeichnungen zeigt sich jedoch erst, wie stark sich das Klima bereits wandelt (Symbolbild). Foto: Imago//I. Schulz

Unsere Klimazentrale setzt das Wetter in Ihrer Region tagesaktuell in seinen historischen Kontext und schlägt die Brücke zum Klimawandel. Hier erklären wir, welche Daten wir nutzen und wie wir bei unseren Analysen vorgehen.

Ist dieses Wetter noch normal? Unsere Klimazentrale hilft mit aktuellen und historischen Wetterdaten, diese Frage zu beantworten. Das Datenprojekt macht deutlich, wie stark globale Klimaveränderungen bereits heute in Baden-Württemberg messbar sind.

Wie wir dabei vorgehen und welche Daten wir dafür nutzen, berichten wir in diesem Beitrag.

Woher stammen die Daten?

Der größte Teil unserer Daten stammt vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Er stellt historische und aktuelle Messwerte sowie Vorhersagedaten für seine Wetterstationen als Open Data frei zugänglich im Internet zur Verfügung. Für den jeweils heutigen Tag verwenden wir neben aktuellen Messwerten zudem Vorhersagedaten des DWD, die wir indirekt über die Schnittstelle des Open-Source-Projekts „Brightsky“ beziehen.

Für das Wetter in der Stuttgart Innenstadt nutzen wir die Aufzeichnungen einer städtischen Wetterstation auf dem Dach des Stuttgarter Schwabenzentrums, betrieben von der Abteilung Stadtklimatologie des Amts für Umweltschutz. Als historischen Vergleich nutzen wir außerdem Daten der bis 1984 betriebenen DWD-Wetterstation nutzen in der nahen Alexanderstraße, die mit den Daten der Stadt vergleichbar sind. Für den Raum Bad Cannstatt nutzen wir Daten einer Luftmessstation der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) in der Gnesener Straße.

Fachliche Beratung bei der Recherche und Aufbereitung der Daten erhielten wir insbesondere von Dr. Florian Imbery (DWD) und Dr. Rayk Rinke (Abteilung Stadtklimatologie des Amts für Umweltschutz der Stadt Stuttgart).

Wie zuverlässig sind die Daten?

Die historischen Messwerte des DWD gelten als sehr zuverlässig, weil sie rückwirkend auf ihre Qualität geprüft werden. Die Stationen der Stadt Stuttgart und der LUBW gehören dagegen nicht zum DWD-Stationsnetz. Die LUBW prüft ihre Daten nicht nachträglich. Deshalb können die Daten vereinzelt Messfehler enthalten. Wir haben die historischen Daten um zumindest offensichtlich falsche Werte bereinigt.

Die von der Stadtverwaltung betrieben Station in der Stuttgarter Innenstadt befindet sich auf dem Dach des Schwabenzentrums an der Hauptstätter Straße, Ecke Torstraße. Die Temperaturen können vor allem im Sommer eher hoch ausfallen, weil sich die Luft über dem Dach zusätzlich erwärmt. Im Zeitverlauf sind ihre Werte jedoch einheitlich und damit vergleichbar, weil die Bedingungen an der Station immer gleich waren.

Um eine Höchst- und Tiefsttemperatur für den jeweils aktuellen Tag zu erhalten, nutzen wir in den ersten Stunden jedes Tages die DWD-Prognosedaten und berichten etwa die erwartete Höchsttemperatur an diesem Tag. Diese Vorhersagen sind umso genauer, je näher sie in der Zukunft liegen. Selbst für den übernächsten Tag trifft die DWD-Wettervorhersage aktuell mit mehr als 90 Prozent Genauigkeit zu. Im Laufe des Tages ersetzen wir die DWD-Prognosedaten automatisch durch tatsächlich gemessene Werte.

Welche Einschränkungen haben die Daten?

Wetterstationen können ausfallen. Der DWD setzt jedoch auf hohe Ausfallsicherheit, denn er ist schließlich für offizielle Wetterwarnungen zuständig.

Das gilt für die Stationen von LUBW und Stadtverwaltung nicht, weshalb sie in ihren historischen Daten immer wieder Lücken haben. Diese sind jedoch klein genug, dass für jeden Tag mindestens 75 Prozent der Vergleichswerte vorhanden sind. Das gilt in der Meteorologie als ausreichend für seriöse Vergleiche.

Was heißt „normal“?

Die Klimazentrale ermittelt, inwiefern das aktuelle Wetter im historischen Vergleich als normal bezeichnet werden kann. Dafür vergleichen wir die aktuellen Mess- und Vorhersagewerte mit historischen Wetterdaten. Mit Ausnahme der LUBW-Station in Bad Cannstatt nutzen wir Zeitreihen, die mindestens bis 1961 zurückreichen. Wir vergleichen dann die aktuellen Werte mit den Zeiträumen 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020. Das sind in der Wissenschaft international gängige Referenzzeiträume, um längerfristige Veränderungen des Klimas zu untersuchen und einzuordnen.

Als Maßstab für den Vergleich des aktuellen Werts mit dem Referenzzeitraum definieren wir einen sogenannten Normalbereich. Bei den Temperaturen begrenzen das heißeste und kälteste Fünftel der Tage den Normalbereich. Das bedeutet, dass 20 Prozent der Tage wärmer waren als der Normalbereich, 20 Prozent waren kälter. Wenn eine aktuell gemessene Temperatur oberhalb oder unterhalb dieses Normalbereichs liegt, bezeichnen wir sie als „ungewöhnlich“. Beim Niederschlag gehen wir ähnlich vor, vergleichen aber jeweils die Summe der letzten 30 Tage. Der Grund dafür ist, dass Niederschläge viel stärker schwanken als Temperaturen.

Warum vergleichen wir nicht mit dem langjährigen Mittel?

Viele Wettervergleiche beziehen sich auf das sogenannte langjährige Mittel, also beispielsweise die mittlere Temperatur von 1961 bis 1990 oder die mittlere Regenmenge in diesen 30 Jahren.

Diese Vergleiche sind zwar gut geeignet, um beispielsweise eine Erwärmung des Klimas insgesamt abzubilden. Von Tag zu Tag und Jahr zu Jahr schwanken die Werte jedoch deutlich - und der Klimawandel verschiebt eben auch den Bereich, in dem diese Schwankung als „normal“ gelten darf. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, für die 30-Jahres-Zeiträume einen Normalbereich als Vergleichswert zu berichten. Dementsprechend heben wir in der Berichterstattung nur solche Werte hervor, die aus dem so definierten Bereich des Erwartbaren herausfallen.

Welche Besonderheiten gibt es bei Niederschlagsmessungen?

Regen und Schnee können auch auf kleinem Raum extrem ungleichmäßig fallen. Ein oder zwei Kilometer weiter misst eine Station oftmals ganz andere Werte. Deshalb können die Niederschläge, die wir angeben, von der persönlichen Wahrnehmung der Nutzer abweichen, wenn die nächste Station sich in einiger Entfernung befindet. Wir nutzen aus diesem Grund Daten aus einem möglichst dichten Netz aus Stationen – auch solche, die nur Niederschläge und keine Temperaturen messen. Die Temperaturdaten stammen dann jeweils von einer Nachbarstation mit möglichst ähnlicher Höhenlage.

Wie viel Regen an einem Tag fällt, wird je nach Messmethode unterschiedlich berechnet. DWD-Stationen verwenden aus historischen Gründen für ihre täglichen Werte die Summe der Niederschläge von circa 6 bis 6 Uhr des Folgetages in der Zeitzone UTC. Nach dieser Methode haben wir auch die Niederschläge an der LUBW-Station in Bad Cannstatt rückwirkend summiert. Die Stadt Stuttgart zählt an ihrer Station hingegen den Niederschlag von 0 bis 24 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit, allerdings ohne Rücksicht auf die Winterzeit. Das beeinflusst aber nur die Vergleichbarkeit der Werte zwischen den verschiedenen Messstellen, nicht aber den in unserem Projekt berichteten Vergleich von Daten derselben Station über einen längeren Zeitraum.

Wo kann ich mehr Daten zur Klimakrise finden?

Die Klimazentrale Stuttgart ist nicht das einzige journalistische Datenprojekt, das sich mit der Klimakrise beschäftigt, aber nur wenige bieten eine so kleinräumige lokale Aufbereitung. Die Darstellung der Temperaturentwicklung als „Klimastreifen“ stammt ursprünglich von Ed Hawkins und wurde schon von vielen anderen Medien aufgegriffen, zum Beispiel von Zeit Online. Einen Überblick über globale Klimaentwicklungen geben der Klimamonitor der Süddeutschen Zeitung und ein Schwerpunkt auf Spiegel Online. Einen ähnlichen, deutschlandweiten Ansatz wie die Klimazentrale verfolgt „Ist das noch Wetter oder schon Klimawandel?“ von Quarks (WDR). Wir danken dem Quarks-Team rund um Andrea Wille und Lara Schwenner für den fachlichen Austausch, durch den wir von ihren Erfahrungen lernen konnten.