Die neueste Aktion des Zentrums für Politische Schönheit hat es in sich. Foto: epd

Kunstfreiheit und Satire sind das eine. Der Aufruf zur Selbstjustiz, die mit einem Anruf erledigt werden kann, ist das andere. Die politischen Aktivisten vom ZPS überschreiten auf erhebliche Art und Weise ihre Kompetenzen, meint StZ-Exklusivautor Mirko Weber.

Stuttgart - Wir müssen wieder über Entnazifizierung nachdenken“, sagt Philipp Ruch, Sprecher des sogenannten Zentrums für Politische Schönheit (ZPS). Entnazifizierung? Ruch und seine Leute, die sich politische Aktionskünstler nennen, haben schon einmal durch eine Provokation Aufsehen erregt: Das war, als sie auf dem Nachbargrundstück des thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke in Bornhagen ein Stelenfeld im Minimaßstab platzierten, weil Höcke zuvor von einem „Mahnmal der Schande“ in Berlin gesprochen hatte. Die neueste Aktion des ZPS allerdings geht erheblich weiter.

Zu Wochenbeginn im Netz freigeschaltet wurde eine Seite, die sich Soko-Chemnitz.de nennt und einige der Ereignisse in der sächsischen Stadt rekapituliert, die sich Ende August zugetragen haben. Seinerzeit war es nach dem mutmaßlichen Mord eines syrischen Flüchtlings an einem Deutschkubaner zu erheblichen, meist rechtsradikalen Ausschreitungen und, unter anderem, zu einem Schweigemarsch, angeführt von Björn Höcke, gekommen. Aber auch eine große Gegendemonstration fand statt sowie ein von 60.000 Menschen besuchtes Konzert unter dem Motto „Wir sind mehr“.

Gegen „Gesinnungskranke“

Das ZPS hat nach diesen angespannten Chemnitzer Tagen nun 1524 Aufnahmen aus drei Millionen Bildern aussortiert und online veröffentlicht unter den Rubren „Drückeberger“ und „Gesinnungskranke“. Weiterhin ruft das Bündnis in angeblich satirisch-künstlerischer Absicht offen zur Denunziation auf: „Erkennen Sie ihren Arbeitskollegen?“ Entsprechende Meldungen würden, so heißt es, umgehend mit 25 Euro belohnt.

Protest vom Freistaat

Über Nacht haben sowohl der Freistaat Sachsen als auch der MDR und die jüdische Gemeinde rechtliche Schritte gegen die Aktion eingeleitet, die in beispielloser Anmaßung das demokratisch garantierte Freiheitsrecht der Kunst missbraucht, indem sie zur Ächtung von Menschen – womöglich vollkommen Unschuldigen – aufruft, die zudem von vorneherein als Irre bezeichnet werden. Das Zentrum für Politische Schönheit fügt der Chemnitzer Debatte, die zumindest ansatzweise geführt wurde, Schaden zu, indem es suggeriert, ein Demokrat sei, wer sich den Hirngespinsten von Künstlern unterwerfe. Ein Wahnsinn.