So sehen die Kunstwerke von Walter giers aus, die gezeigt werden. Foto: Stadtmuseum

Als dritte Zwischennutzung öffnet im künftigen Stadtmuseum das „Palais des Techno“. Im Mittelpunkt stehen Kunstwerke des Elektronic-Art-Pioniers Walter Giers.

Stuttgart - Walter Giers hat einen Lebensweg vorzuweisen, wie er bunter schwer sein könnte. Geboren wurde er 1937 in Mannweiler in der Pfalz, im zweiten Weltkrieg hielt er sich bis 1945 in Prag auf, bis 1959 in Kevelaer am Niederrhein. Von 1955 an war er J azzmusiker, seit 1959 bildete er sich in seiner nun neuen Heimat Schwäbisch Gmünd als Stahlgraveurmeister aus, anschließend erwarb er an der dortigen Werkkunstschule einen Abschluss als Industriedesigner. Seit den sechziger Jahren arbeitete er als freischaffender Künstler, 1969 und 1970 kam es zu ersten Ausstellungen in Galerien. Es folgten bis zu Giers’ Tod im vergangenen April fünfzig Jahre lang viele Einzel und Gruppenausstellungen im In- und Ausland, dazwischen reihte sich Anfang der neunziger Jahre ein Lehrauftrag an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.

Letzteres ist wichtig, weil das dortige ZKM Giers im kommenden Jahr mit einer großen Schau würdigen will, wie seine Witwe Petra Giers anlässlich der jetzigen Stuttgarter Schau berichtet. Der Nachlass besteht aus etwa 150 Objekten; einige von ihnen sind schon jetzt im Schmiedturm in Schwäbisch Gmünd zu sehen, nach einem größeren Museumsstandort werde derzeit noch gesucht.

Autodidakt und Pionier

Noch wichtiger ist jedoch, dass Giers sich neben der formalen handwerklichen und kunsthandwerklichen Ausbildung autodidaktisch auch noch im Umgang mit elektronischen Bauteilen ausgebildet hat. Elektroakustik ist nämlich das prägende Material seiner Werke, von denen im künftigen Stadtmuseum nun ein gutes Dutzend ausgestellt sind. Im Erdgeschoss des Wilhelmspalais etwa ist das 1981 entstandene Werk „Vulkan“ zu sehen. Auf dem Boden ist die quadratisch angelegte Arbeit positioniert, in ihrer Mitte thront ein voluminöser Basslautsprecher, dessen Membran wie eine kurz vor der Eruption stehende Magma immer wieder aufwabert, zufallsgeniert von den drumherum gruppierten Elektronikbauteilen. Originell, aber nur zum Betrachten geeignet.

Anders sieht es bei den rund ein Dutzend im zweiten Obergeschoss ausgestellten Werken aus. „PE2“, „Hände“ oder „Erotischer Zyklus“ heißen einige, ihre Wirkung ist haptisch. Erst wenn man sie berührt, an den Reglern dreht oder verschiedene Knöpfchen drückt, erzeugen sie Töne oder modulieren die so erzeugten Klänge.

Fast schon buchstäblich auf die Spitze getrieben hat Walter Giers sein Arbeitsprinzip bei dem 1981 entstandenen „Brustbild“. Erst wenn man die beiden voluminösen nachgebildeten weiblichen Brüste auf der Installation umfasst, setzt sich der audiovisuelle Apparat in Bewegung. Das zentrale Werk der Schau schließlich ist wiederum im Erdgeschoss zu sehen – und vor allem zu hören. Dort ist ein Auditorium und die 1977/78 entstandene „Zeitmaschine“ aufgebaut, die in den kommenden Tagen täglich eine etwa dreißig Minuten lange, seinerzeit für das Bremer Neue-Musik-Festival Pro Musica Nova entstandene Auftragskomposition abspielt – wie bei den meisten seiner Arbeiten erzeugt von hinter Plexiglas sichtbaren Analogsynthesizerkonstruktionen.

Kunst trifft Dancefloor

Giers’ Werk ist unikal, und ihm wohnt ein großer Pioniergeist inne. Verehrer hat dieser Gründungsvater der Electronic Art und der interaktiven Klangerzeugung reichlich, die sehr sehenswerte – und im Vergleich zur vorangegangenen Kolchose-Schau auch deutlich üppiger bestückte – Ausstellung zeigt, warum.

Walter Giers, laut dem Museumsdirektor Torben Giese Repräsentant der „Vorgängergeneration des Techno“, dient der Schau als Verbindungsglied zum Techno. Diesem Dancefloormusikstil widmet sich die Ausstellung ebenfalls, wenngleich eher in den anstehenden Diskussionsrunden und einem Tanzabend zur Erinnerung an den legendären Stuttgarter Club Rocker 33.

Dieser Spagat wirkt etwas gewollt herbeigezerrt, dass die Interimsnutzungen jedoch Resonanz finden, belegen die Zahlen. Zur Architekturausstellung kamen über 20 000 Besucher, zur Kolchose-Schau immerhin 6000. Nach dem „Palais des Techno“ folgen noch zwei weitere kleinere Zwischennutzungen, ehe das eigentliche Stadtmuseum dann im kommenden April endgültig eröffnet wird.