Eine Osterkerze brennt in der Dunkelheit. Vielen Christen ist wichtig, das mit anderen Menschen Foto: Archiv (Ruth Baron)

Das christliche Symbol der Erlösung kann in digitalen Gottesdiensten nicht weitergegeben werden. Deshalb bieten Kirchengemeinden andere Wege an.

Marbach/Bottwartal - Für Christen ist es ein zentraler Moment: Die Kirche ist dunkel, am Samstagabend nach 22 Uhr oder am Sonntagmorgen um 5 Uhr, und von der großen weißen Osterkerze am Altar wird das Osterlicht behutsam von Mensch zu Mensch weitergereicht – bis das zerbrechlich flackernde Licht einer kleinen Kerze auch das eigene Gesicht warm erhellt. Das „Licht Christi“ drückt Hoffnung aus. Zeugt vom Glauben, dass nicht Verzweiflung und Tod das letzte Wort haben. Und dass Gott die Liebe am Ende doch siegen lässt. Gibt es das Happy End? Wird am Ende alles gut? Auch schon im Leben, im Hier und Jetzt mit unseren Lieben? Diese Frage stellen sich viele angesichts des Würgegriffs der Corona-Pandemie. In diesen Tagen fällt das Osterfest mitten in diese schwere Zeit.

Gottesdienste finden nicht statt. Der feierliche Moment muss also entfallen. Aber: Es gibt ihn doch, in abgewandelter Form, praktisch als „Osterlicht to go“. Einige Kirchengemeinden im Raum Marbach und im Bottwartal entfalten Kreativität. Sie wollen, dass das Licht ankommt, auch wenn niemand Gottesdienste besuchen darf.

Osterkerze steht in der Kirche bereit
Manche Kirchentüren stehen offen – zum Beispiel bei der katholischen Kirchengemeinde in Marbach an beiden Osterfeiertagen von 9  bis 19 Uhr. Gläubige können ihre kleine Kerze an der großen Osterkerze anzünden. „Wir nehmen sie vom hohen Leuchter herunter und stellen sie auf den Boden“, erklärt der Pfarrer Stefan Spitznagel. Probleme mit dem Brandschutz befürchtet Spitznagel nicht. „In unseren Kirchen brennen immer Kerzen – zum Beispiel Teelichter vor Marienbildnissen.“ Eine Feuerwache durch ein anwesendes Gemeindemitglied halte er deshalb nicht für nötig.

In die Flut von digitalen Gottesdienstangeboten will Stefan Spitznagel an den Ostertagen nicht eintauchen. Insbesondere am Ostersamstag, dem „Tag der Grabesruhe“, gehe es darum, „in die Stille zu gehen und herunterzufahren“. Mithilfe von geistlichen Impulsen könnten Christen über ihr Leben nachdenken. Dies sei auch am Ostersonntag möglich. Am Tag der Auferstehung könnte man sich etwa fragen: „Was bricht in meinem Leben auf, wo erlebe ich an mir neue Seiten, woran will ich in dieser Zeit wachsen?“

Gemeinschaft erleben durch digitale Gottesdienste – das ist durch viele Angebote möglich. Stefan Spitznagel sieht jedoch die Grenzen. „Es kommt doch stark auf die wirklich gelebte Gemeinschaft an.“ Warum nicht als Familie Eucharistie feiern, fragt sich der Theologe, durchaus im Bewusstsein, damit ein heißes Eisen in der katholischen Kirche anzufassen. Denn die Eucharistie, das Teilen des geweihten Brotes als Abendmahl im Altarraum, ist im Katholizismus dem Priester als geweihter Person vorbehalten. In abgewandelter Form könne aber, so Spitznagel, auch ein Vater oder eine Mutter zum Beispiel vor einer Mahlzeit durchaus eine Scheibe Brot teilen und dazu ein Gebet sprechen. „Bibelhauskreise teilen ja auch das Wort miteinander.“

Die Hoffnungskerze kommt nach Hause
Einen Schritt weiter mit ihrem „Osterlicht-to-go-Konzept“ geht die evangelische Kirchengemeinde in Erdmannhausen. Sie stellt am Ostersonntag und am Ostermontag nicht nur den ganzen Tag über kleine Osterkerzen vor der Januariuskirche auf, die man dort anzünden und mitnehmen kann. Wer möchte, kann sich eine Hoffnungskerze auch vor die Haustüre bringen lassen. Das Pfarrerehepaar Annegret und Martin Weigl schwärmt selbst aus. „Wir machen das nach Absprache, ein Anruf im Pfarramt genügt“, sagt Martin Weigl. Spezielle Stumpenkerzen mit Tropfschutz und Windbecher helfen, das Osterlicht auch bei Wind vor der Haustüre am Brennen zu halten. Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus haben die Weigls nicht. „Wir stellen das Licht tatsächlich nur ab und handeln kontaktlos“, berichtet der Pfarrer.

Hadern kommt für Martin Weigl nicht infrage. Er weiß: Die Corona-Pandemie komme an Ostern einerseits zur Unzeit und sei für die Menschen ganz schwierig zu bewältigen, andererseits bilde sich in der Krise sehr viel von der christlichen Botschaft ab: „Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Leben und Tod stehen sich gegenüber – die Liebe soll sich ausbreiten, aber das Virus, das sich nicht ausbreiten soll, tut es.“ Bei den Weigls im Pfarramt laufen derzeit auch die Fäden der Aktion „Erdmannhausen hilft“ zusammen. „Viele Telefonate sind eher seelsorglich“, berichtet Martin Weigl. Er habe den Eindruck, dass nicht so viele Menschen derzeit mit Lebensmitteln versorgt werden wollen, aber durchaus das Gespräch suchen. Was ihn auch wieder den Wert realer Gemeinschaft erkennen lasse. Ein Zusammensein, wie es sich auch nicht durch den gefilmten Familiengottesdienst ersetzen lässt, der am Sonntag um 10 Uhr mit der Vorstellung streambar ist. „Man hat Gemeinschaft, ist aber nicht zusammen“, bedauert der Seelsorger, der die wirkliche Begegnung als ganz wesentlich für den Glauben ansieht.

Angesichts von Klick-Zahlen von 300 bis 500 im Internet für die digitalen Angebote auf YouTube fragt sich Martin Weigl, ob die Kirchen aus der Krise nicht auch etwas für die Zukunft mitnehmen können. „Denn solche Zahlen haben wir bei unseren Gottesdiensten nicht.“ Wenn sich aber wie bei den Filmen, bei denen das Vikarehepaar Helen und Paul Vögler hinter der Kamera steht, ein breiteres Publikum erreichen lässt, könnte das etwas bedeuten. Virale Ausbreitung der österlichen Botschaft? Wie auch immer: Die Kirchen möchten, dass Gottes Wort bei möglichst vielen Menschen ankommt, die Herzen erwärmt – und tätige Nächstenliebe entsteht.