Der Exorzist: Das Foto aus dem Jahr 2005 zeigt den bekanntesten Exorzisten der Katholischen Kirche – Gabriele Amorth bei der Ausübung seiner Arbeit. Foto: AFP

Teufelsaustreibung in Frankfurt: Fünf südkoreanische Familienmitglieder stehen wegen Mordes vor Gericht. Wer oder was steckt hinter dem Bösen, dem Teufel? Und wozu dient ein Exorzismus?

Frankfurt am Main/Stuttgart - Am 16. September war für den Teufel (so es ihn denn gibt) ein Freudentag. Nicht, dass der Leibhaftige an diesem Freitag des Jahres 2016 nach Christi Geburt besonders viele verdammenswerte Seelen ins Höllenfeuer hinabgeschleift hätte. Beelzebub war an diesem höllischen Feiertag einen seiner ärgsten Widersacher auf Erden los geworden: Gabriele Amorth.

Der bekannteste Exorzist der Katholischen Kirche und langjährige Ober-Teufelsaustreiber des Bistums Rom, war im Alter von 91 Jahren in einem römischen Krankenhaus verstorben. 1986 wurde er zum Exorzisten der Diözese berufen (deren Bischof der Papst ist) und hatte im Laufe seines langen Priesterlebens nach eigenen Angaben mehr als 50 000 Exorzismen vorgenommen. Was selbst in der 2000-jährigen Kirchengeschichte rekordverdächtig sein dürfte.

Der Exorzisten-Prozess

Wie aktuell Teufelsaustreibungen bis heute sind, zeigt ein spektakulärer Fall aus Frankfurt am Main. Wegen Mordes müssen sich die Angehörigen – darunter zwei Jugendliche und ein Heranwachsender – von Montag (10. Oktober) vor dem Landgericht verantworten. Die Jugendstrafkammer hat zunächst 15 Verhandlungstage bis Mitte Januar anberaumt. Die fünf Südkoreaner hatten am 5. Dezember 2015 in einem Frankfurter Hotel ihre Verwandte mindestens zwei Stunden lang gewaltsam versucht, der Frau Dämonen auszutreiben. Bei dem Gewaltexzess erstickte die 41-Jährige.

Teufelsaustreibung mit Todesfolge

Angeklagt sind der 16 Jahre alte Sohn der Getöteten sowie dessen 15 Jahre alter Cousin. Außerdem stehen die Cousine des Opfers (44), deren Sohn (22) und deren Tochter (19) vor Gericht. Sie sollen ihrem Opfer „Schmerzen und Qualen körperlicher Art“ zugefügt haben, „die über das für die Tötung erforderliche Maß weit hinausgingen“, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft.

Die Frau starb infolge dieser grausamen Behandlung an massivem Druck auf den Brustkorb und Gewalteinwirkungen auf den Hals. „Sämtliche Angeschuldigte nahmen ein Ersticken der Frau zumindest billigend in Kauf“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Ermittler gehen vom Mordmerkmal der Grausamkeit aus. Anhaltspunkte für Mord auf Verlangen haben sie nicht.

Mordprozess in Frankfurt

Die sechs Familienmitglieder waren der Anklage zufolge am besagten 5. Dezember gemeinsam in dem Frankfurter Hotelzimmer. Die 41-Jährige soll in den frühen Morgenstunden aus unbekannten Gründen angefangen haben, um sich zu schlagen, Selbstgespräche zu führen und körperlich aggressiv zu werden. Daraufhin habe sich der Rest der Familie entschieden, eine „Teufelsaustreibung“ vorzunehmen.

Dafür hielten sie nach den Feststellungen der Anklagebehörde abwechselnd die Arme der Frau fest und drückten sie zu Boden. Die beiden Jugendlichen setzten sich auf die Beine des Opfers und hielten es fest, um Gegenwehr zu unterbinden. Der 22-Jährige presste die Schultern des Opfers auf den Boden.

Die Angeklagten sollen massiv auf den Brustkorb sowie die Schultern und den Bauch der Frau eingewirkt haben - vermutlich knieten sie auf ihr. Die 44-Jährige umfasste laut Anklage den Hals der Cousine und drückte ihr mehrfach ein kleines Handtuch und später einen stoffbezogenen Kleiderbügel in den Mund, um ihr Schreien zu ersticken. Der 22-Jährige hielt dabei den Kopf des Opfers fest.

Angeklagte sind voll schuldfähig

Alle fünf Angeklagten sitzen seit der tödlichen Teufelsaustreibung in Untersuchungshaft. Psychiatrische Gutachten haben der Staatsanwaltschaft zufolge keinen Hinweis auf seelische Störungen oder eine verminderte Schuldfähigkeit ergeben. Die Angeklagten sollen Christen sein – mit buddhistischen und schamanistischen Einflüssen. Welcher Kirche oder Sekte sie angehören, konnten die Ermittler zunächst nicht herausfinden.

Der Exorzist

Exorzisten-Treffen in Rom

Zurück zu Pater Amorth: 1994 gründete der Geistliche die „Internationale Exorzisten-Vereinigung“ (Associazione internazionale degli esorcisti, AIE) in Rom, die er bis 2000 leitete. Der Vatikan erkannte den Zusammenschluss 2014 offiziell an. Im April 2015 trafen sich in der katholischen Universität Regina Apostolorum in Rom hunderte Exorzismus-Experten aus aller Welt und tauschten ihre Erfahrungen aus. Priester, Mediziner, Psychologen und andere Fachleute diskutierten sechs Tage lang über den Kampf gegen den Teufel.

Interview mit einem Exorzisten

„Ich spreche jeden Tag mit dem Teufel“, sagte Gabriele Amorth im Jahr 2000 in einem Interview der britischen Zeitung „Sunday Telegraph“. Er rede dann Latein. Der Teufel antworte auf Italienisch. Bis zuletzt blieb Amorth ein streitbarer Anwalt dieser auch innerhalb der katholischen Kirche umstrittenen Praxis. Man könne die Realität des Bösen nicht leugnen, entgegnete Amorth solche Einwände. Wenn sich die Kirche davon verabschiede, überlasse sie das Feld Kartenlegern, Magiern und Sekten.

In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten im Jahre 2011 kritisierte der berühmte Exorzist, dass sich in der heutigen Kirche eine Teufels-Vergessenheit breit mache. „Wir hatten fast drei Jahrhunderte ohne Exorzisten. Das Problem ist, dass man in der Kirche nur noch selten über den Teufel spricht. Das liegt vor allem daran, dass die meisten jüngeren Geistlichen überhaupt nichts wissen vom Belzebub.“

Unter den beiden Päpsten Johannes Paul II. und seinem Nachfolger Benedikt XVI. wäre der Kampf gegen das Böse aber wieder neu entfacht worden, so Amorth. Auf die Frage, ob sich etwas unter dem deutschen Papst geändert hätte, sagte er: „Ich antworte Ihnen mit den Worten des Teufels. Mit Worten, die er mir während verschiedener Exorzismen entgegenschleuderte. ‚Johannes Paul II. fügte uns großen Schaden zu!‘ Wenn wir Exorzisten seinen Namen benutzten, schreit der Teufel laut auf. ‚Aber der deutsche Papst ist viel schlimmer!‘, sagen die Teufel, wenn ich sie auf Benedikt XVI. anspreche. Mit Ratzinger sind wir endlich wieder in den besten Händen.“

Der Teufel

Wer oder was ist der Teufel?

Der Teufel: Das ist der Diabolos, der Verwirrer, Faktenverdreher, Verleumder, der Zerwürfnis stiftet, verleumdet und zum Schlechten anstiftet. In vielen Religionen ist er ein eigenständiges, übernatürliches Wesen. Im Christentum und im Islam ist er die Personifizierung des Bösen, der Fürst der Finsternis, die Quelle aller Niedertracht und alles Schlechten. Ein Wesen, das als Engel mit schwarzen Flügeln oder als Junker mit Pferdefuß in Erscheinung tritt. Im Buddhismus heißt er Mara oder Devadatta und ist ein Dämonenwesens.

Über Satan heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche: „Die Schrift bezeugt den unheilvollen Einfluss dessen, den Jesus den ,Mörder von Anfang an‘ nennt (Johannes-Evangelium 8,44) und der sogar versucht hat, Jesus von seiner vom Vater erhaltenen Sendung abzubringen. ‚Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören‘ (Erster Johannesbrief 3,8). Das verhängnisvollste dieser Werke war die lügnerische Verführung, die den Menschen dazu gebracht hat, Gott nicht zu gehorchen.“

Satan – der gestürzte Engel

Allerdings ist der christlichen Tradition gemäß auch Satans Macht begrenzt. Denn er ist bloß ein Geschöpf. Ein mächtiger Engel zwar, aber gefallen und hinabgestürzt in das Reich der Finsternis, weil er sich gegen Gott auflehnte und deshalb von ihm verstoßen wurde. Ständig strebt er danach das Reich Gottes, dessen Kommen Jesus von Nazareth angekündigt hat, zu verhindern. Doch auch wenn sein boshaftes Tun die Welt in Chaos und Unfrieden stürzt, kann er die Heilsgeschichte nicht aufhalten.

Die Hölle – Ort der Verdammten?

Die Hölle ist in der Bibel das finstere Reich des Teufels und der von Gott getrennten Toten (Hiob 1, 9), der Ort des endzeitlichen Strafgerichts (2. Buch der Könige, Kapitel 23, 10), wo die Menschen für ihre Sünden ewig büßen müssen. Doch gibt es überhaupt einen solchen Ort, wo die Sünder Höllenqualen erleiden und kleine und große Teufel fürs Quälen zuständig sind? Die moderne Theologie verneint dies. Sie hat die Hölle in das Reich der Fabeln und Legenden verlegt.

Die Verdammnis ist zu einer „Existenzform des Menschen“ erklärt worden, „in der er unter dem Schmerz leidet, auf Gott verzichten zu müssen“. Die Katholische Kirche definiert Hölle als „Reinigungszustand“. Papst Johannes Paul II. (1920–2005) erklärte: „Die Hölle meint nicht so sehr einen bestimmten Ort, sondern vielmehr die Situation dessen, der sich frei und endgültig von Gott entfernt hat.“ Himmel, Hölle und Fegefeuer sind demnach keine realen Orte auf der irdischen oder kosmischen Landkarte, keine Topografien des Jenseits. Sie sind vielmehr Zustände der absoluten Nähe und Ferne Gottes, Situationen des Gott-Verlustes.

Der Exorzismus

Teufelsaustreibung in aller Welt

Unter Exorzismus wird in vielen Religionen die rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister aus Menschen, Tieren oder Gegenständen verstanden. In der Katholischen Kirche war der Exorzismus von „Besessenen“ im Mittelalter gang und gäbe. Heute unterliegt er strengen Auflagen.

Zum Exorzismus (griechisch: exorkismós, das Hinausbeschwören) gehören in der katholischen Kirche das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen. Nach den Kirchenvorschriften darf die „Teufelsaustreibung“ nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Ortsbischofs durch einen Priester vorgenommen werden, „der sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnet“. Zuvor müssen alle medizinischen oder psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein.

So läuft ein Exorzismus-Ritual ab

Es gibt „Anzeichen“, an denen ein Priester erkennen kann, ob Satan von einer Seele Besitz ergriffen hat: wie das Sprechen fremder, dem Besessenen unbekannter Sprachen, unnatürliche körperliche Kraft oder abgrundtiefe Abneigung gegen Gott. Ablauf: Der Priester besprengt den „Besessenen“ mit Weihwasser, legt ihm die Hände auf, betet und liest aus der Bibel. Dann bittet er Gott um Befreiung vom Bösen und befiehlt dem Teufel, den Besessenen zu verlassen. Dämonen: Im Katechismus der Katholischen Kirche heißt es: Der Exorzismus diene dazu, „Dämonen auszutreiben oder vom Einfluss von Dämonen zu befreien, und zwar kraft der geistigen Autorität, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat“. Der Hauptdämon sei ein „gefallener Engel, der Satan oder Teufel genannt wird“.

Das Böse: Für die Kirche eine Glaubenswahrheit

Für die Katholische Kirche ist die Existenz des Bösen eine Glaubenswahrheit. Das Rüstzeug, mit dem Priester dem Bösen zu Leibe rücken, heißt offiziell Großer Exorzismus. 1614 wurde sein Ablauf in dem liturgischen Buch „Rituale Romanum“ geregelt. Die überarbeitete Version von 1999 trägt den Titel „De exorcismis et supplicationibus quibusdam“ (Über die Exorzismen und Bittgebete, die sich darauf beziehen). In verschiedenen christlichen Kirchen, vor allem in evangelikalen und charismatischen Gemeienden sind zudem „Befreiungsdienste“ entstanden, die sich eine ähnliche Aufgabe gestellt haben.

Der Große Exorzismus ist ein theologisches Befreiungsritual, die Richtlinien sind streng. So muss die Teufelsaustreibung von einem Bischof angeordnet werden. Um religiöse Besessenheit von psychiatrischen Störungen zu unterschieden, muss der Priester ärztlichen Rat einholen. Der Exorzist müsse „mit Klugheit und Nüchternheit streng nach den von der Kirche aufgestellten Kriterien vorgehen“, heißt es in einem Schreiben der Deutschen Bischofskonferenz. „In keinem Fall ist der Exorzismus ein Ersatz für ärztliche Bemühungen.“