Das Bad Berg hat Kultcharakter - was das in die Jahre gekommene "Neuner" so liebenswert macht und vor allem ob es erhaltenswert ist, wollten wir von bekannten "Bergianern" wissen. Unsere Bildergalerie zeigt zudem besondere Momente im Berg. Mit der Kamera eingefangen von Dominik Thewes. Foto: Thewes

In Interview und Fotostrecke: Was das Bad Berg erhaltens- und liebenswert macht.

Stuttgart - Eigentlich ist Klaus Teichmann überhaupt kein Freibadgänger. Deutlich gesprochen findet der Journalist und Buchautor das gechlorte Nass unter freiem Himmel sogar „doof“. Nur wenn die Schwüle in seiner Wohnung im Stuttgarter Westen unerträglich wird, pilgert Teichmann ins Schwimmbad. „Aber ausschließlich ins Bad Berg“, betont er. Der studierte Soziologe liebt das „eigenwillige Soziotop“. Zusammen mit dem Fotografen Dominik Thewes hat er jetzt eine gebundene Liebeserklärung an das Kultbad im Stuttgarter Osten unter dem Titel „Hier drin ist eine Welt für sich“ verfasst. Ein Gespräch über Klischees, Subkulturen und liebenswert Schrulliges, das es zu erhalten gilt.

Sie mögen gar keine Freibäder, Herr Teichmann. Über das Bad Berg haben Sie aber ein Buch geschrieben. Passt irgendwie nicht zusammen …

Aber sicher! „Das Neuner“ ist schließlich nicht irgendein Freibad. Fernab von fliegenden Frisbeescheiben lässt sich hier vom Badehandtuch oder dem Retroholzliegestuhl aus das bunte Treiben der vielschichtigen, schrägen und teils skurrilen Badegäste beobachten. In das Mineralbad im Stuttgarter Osten kommt die Kreativszene der Stadt. Schauspieler des Staatstheaters, hippe Gastronomen oder schrille Designer tauchen hier auf und zwischendurch ab.

Ein guter Grund, aber sicher nicht der einzige, um den „Bergianern“ und ihrem „Schwimmbädle“ mit Champagnerwasser ein schriftliches Denkmal zu setzen …

Nein, sicher nicht allein. Vielmehr ist mir aufgefallen, dass durch Stuttgart 21 die Landeshauptstadt plötzlich bundesweit in den Medien präsent ist. Dabei sind die üblichen Klischees abgerufen worden wie Maultaschen, Kehrwoche und Bausparvertrag. Durch den Protest kamen diese ins Wanken und die Stuttgarter konnten nicht mehr in diese „Alles-Spießer-Kiste“ gesteckt werden. Und hier spannt sich der Bogen zum Bad Berg – es gehört zu den schrägen Seiten der Stadt und steht für alles andere als schwäbisch-provinzielle Langeweile.

Kämpfen bis zum letzten Mineralwassertropfen

Auch die „Bergianer“ gelten als rebellisches Völkchen. Als von Seiten der Stadt Pläne laut wurden, „das Neuner“ in ein Freibad „mit erweitertem Sommerbetrieb“ oder in ein Ganzjahres-Freibad umzuwandeln, regte sich sofort der Widerstand …

Der Protest ist groß. Die Leute sind empört über die Pläne der Stadt. Selbst wenn umfangreiche Sanierungsmaßnahmen kommen sollten, fürchten die Anhänger des Bades, dass es seinen nostalgischen Retrocharme verlieren könnte. Sie sind bereit, bis zum letzten Mineralwassertropfen zu kämpfen. Auch dem wollten wir mit unserem Buch Rechnung tragen.

Was würde denn für Sie persönlich verloren gehen, wenn sich die Tore des ursprünglichen Bad Berg für immer schließen würden?

Stuttgart würde dadurch ein Stück Identität verlieren – sehr schade - und für mich wäre ein sehr liebenswerter Platz Geschichte. Dieser Kontrapunkt zu den Spaßbädern, das durchgesetzte Nichts, dieses Stück Kultcharakter muss einfach erhalten bleiben.