Der große Sitzungssaal des Gerichts ist aufgerüstet worden mit durchsichtigen TrennwändenEs gibt auch eine neue Sitzordnung im Saal. Foto: KS-Images.de

Im Amtsgericht läuft der Betrieb normal weiter – unter Einhaltung strenger Vorschriften.

Marbach - Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und trotz geschlossener Tore im denkmalgeschützten Gebäude des Amtsgerichts Marbach arbeitet „die Justiz“ und wird Recht gesprochen. „Das Gericht hat keine Pforte an der Eingangstür, und somit können wir angesichts der Corona-Pandemie keinen kontrollierten Zugang gewährleisten“, erläutert Direktorin Ursula Ziegler-Göller die derzeitige Lage. Unter strenger Einhaltung der Hygienevorschriften hat sie die Marbacher Zeitung hinter die Kulissen blicken lassen.

Die derzeit 15 Mitarbeiter der Behörde schützen sich bei ihrer Arbeit mit Mundschutz und arbeiten allein in ihren jeweiligen Büroräumen. Darüber hinaus wurden die beiden Treppenhäuser des erst vor einiger Zeit aufwendig renovierten Gebäudes getrennt. Eines dient nur zur Nutzung als Eingang, das andere nur als Ausgang. „Das klappt prima, auch, weil sich alle Beschäftigten an die Vorschriften zur Hygiene halten“, sagt die Dienstherrin nicht ohne leisen Stolz in der Stimme.

Die Behörde organisiere einen Schichtbetrieb, sodass im Falle einer Erkrankung nicht die gesamte Mannschaft in Quarantäne gemusst hätte. Das war möglich, weil das Justizministerium sehr schnell zahlreiche Homeoffice-Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt habe. „Von außen nicht wahrnehmbar, lief der Betrieb ganz normal weiter“, berichtet Ziegler-Göller weiter. Zwar konnten Ratsuchende nicht mehr zu den regulären Öffnungszeiten die Rechtsantragsstelle aufsuchen, doch telefonisch wurden Termine so vergeben, dass die Menschen im Gebäude einander nicht begegneten. Ähnlich wurde bei Fragen und Anträgen zur Betreuung, für die ebenfalls das Amtsgericht zuständig ist, vorgegangen. „Alten- und Pflegeheime waren auch für uns persönlich geschlossen, doch wir haben ärztliche Atteste angefordert und konnten in vielen Telefongesprächen wesentliche Punkte klären und Entscheidungen treffen“, beschreibt die Richterin das Vorgehen.

Vom Shutdown unberührt blieben die so genannten Haftsachen, denn die deutsche Strafprozessordnung sieht vor, dass ein in Untersuchungshaft sitzender Angeklagter allerspätestens nach sechs Monaten seinen Fall vor einem Gericht verhandelt bekommt. Nur unter besonderen Umständen, über die eine höhere Instanz urteilen muss, ist die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus gerechtfertigt. Zudem müssen Länge der Haft und zu erwartendes Urteil verhältnismäßig sein. In Marbach gelang es, die Haftsachen durchgängig und fristgerecht zu verhandeln. Entscheidend dazu beigetragen hat die Aufrüstung des großen Sitzungssaales des Gerichts mit durchsichtigen Trennwänden sowie eine neue Sitzordnung für die jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Doch auch hier gibt es Grenzen: Sind es mehrere Angeklagte mit Dolmetschern, reicht der Platz unter Einhaltung der Hygieneregeln nicht aus. Die Vorsitzende Richterin trennt diese Verfahren nun ab: „Es wird ab Juni Verhandlungstage geben, an denen das Schöffengericht drei Mal die gleiche Sache in Etappen für die jeweiligen Angeklagten behandelt, und die Pausen dazwischen werden für Lüften und Tische desinfizieren genutzt.“

Der Rückstau an liegen gebliebenen Verfahren ist laut Direktorin für das ganze Haus enorm. Denn bereits vor Corona fehlte dem Amtsgericht eine halbe Richterstelle für Zivilverfahren durch die Versetzung eines Richters. Dann fiel auch noch die ganze Richterstelle in diesem Bereich weg. „Weil es seit Februar in Marbach praktisch keine Zivilverfahren mehr gibt, beschwerten sich viele Parteien und Anwälte“, zeigt Ziegler-Göller dafür Verständnis. Ab 1. Oktober ist diese Zivilstelle wieder voll besetzt und von da an, ist die Hausherrin „vorsichtig optimistisch“, sollte es im Amtsgericht wieder rundlaufen.