Hate-Slam-Vorleser im Club Rocker 33 (v.l.): Daniela Eichert, Achim Helbig, Wolf-Dieter Obst, Anne Guhlich, Das-Ding-Moderator Alexander Franke Foto: Jan Reich

Wie provoziert man bösartige Leserzuschriften? StN-Kolumnist Tom Hörner über Themen mit hohem Krawallfaktor und den vergangenen Hate Slam.

Stuttgart - Was für den Künstler gilt, dass der Applaus des Publikums sein Brot sei, kann für den schreibenden Kunsthandwerker nicht ganz falsch sein. Natürlich lebt ein Journalist außer von der Überweisung des Verlegers vom Zuspruch seiner Kundschaft – und doch, so scheint es, kommt ihm auch der Widerspruch, zumal der geharnischte, ihm Übel wollende, zupass.

Diesen Eindruck konnte bekommen, wer diese Woche eine Veranstaltung besuchte, auf der zwei meiner Kollegen vor Publikum Leserbriefe zum Besten gaben, die vor Verbalinjurien und Beschimpfungen der übelsten Art nur so strotzten. Hate-Slam nennt sich diese Art der Volksbelustigung, die interessanterweise gerade junge Menschen anzieht, eine Klientel also, von der es heißt, dass sie der Tageszeitung nur wenig abgewinnen könne. Der Begriff Slam bedeutet Wettstreit oder Schlacht, könnte in dem Fall aber mit Schlammschlacht übersetzt werden.

Diese Hate-Slams erfreuen sich inzwischen einer so großen Beliebtheit, dass die Hälfte der Interessenten wieder nach Hause geschickt werden muss und zu überlegen wäre, ob man die Sache von der Club- nicht in die Hallen- oder Arenenebene verlagert. Aus Sicht des Leserbriefprovokateurs scheint mir interessant, dass es Themen gibt, mit denen es ein Leichtes ist, krawallige Reaktionen hervorzurufen. Die Religion, jahrelang eine sichere Bank, scheint etwas ins Hintertreffen geraten zu sein, so dass sich der Verdacht aufdrängt, der streng gläubige Dogmatiker lese nur noch die Bibel. Wer es auf Widerspruch anlegt, der mag eine liberale Haltung beim Thema Tierschutz an den Tag legen („Streunende Kater kastrieren!“). Noch heftigere Reaktionen erntet nur, wer öffentlich darüber nachdenkt, ob gelegentlichen Geschwindigkeitskontrollen (am besten auf Autobahnen) auch eine gewisse Sinnhaftigkeit innewohnt. In dem Fall ist es von Vorteil, wenn unter dem Artikel nur die E-Mail-Adresse des Autors genannt wird – und nicht etwa, wo sein Wagen steht.