Das älteste Haus am Marktplatz – erbaut von einem Vaihinger. Foto: factum/Jürgen Bach

Historische Häuser: Vor 300 Jahren wurde das erste Privatgebäude am Ludwigsburger Marktplatz errichtet. Dem Eigentümer hat es kein Glück gebracht.

Ludwigsburg - Zwar ist 1718 der Ludwigsburger Marktplatz in seinen Maßen schon abgesteckt – noch aber steht kein einziges der arkadengesäumten Bürgerhäuser. Gelegt ist zu diesem Zeitpunkt der Grundstein zur heutigen evangelischen Stadtkirche, die der herzogliche Baumeister Donato Giuseppe Frisoni entwirft und bis 1726 errichtet. Als erstes Haus am Marktplatz entsteht 1719 das Haus des Vaihingers David Beckh – heute beherbergt es das Restaurant Lange am Markt.

Langes Warten auf Bürgerrecht

Der Strumpfweber folgt dem Dekret vom 17. August 1709, dem ersten Aufruf des Herzogs Eberhard Ludwig zur Ansiedlung in Ludwigsburg: „Demnach Wir, zu mehrerer Aufnahm und Erweiterung allhiesigen Lust-Schlosses Uns gnädig resolvirt haben, allen und jeden, so allhier zu bauen, und sich häußlich nider zu lassen, willens seynd, nicht nur den Platz und die Baumaterialien gratis und ohne Entgelt, zu überlassen, sondern auch solche Leuthe, Fünffzehn Jahr lang, von allen Beschwerden und allen Steuern zu befreien.“

Offensichtlich war dem Stadtgründer Herzog Eberhard Ludwig bewusst, dass es eines attraktiven Angebots bedurfte, um Bürger für seine barocke Planstadt zu ködern. Dem ungeachtet verhallte der erste Aufruf zur Ansiedlung nahezu wirkungslos. Man fühlte sich nicht zur „Ludwigsburg“ hingezogen. Ein kostenloses Haus und ein Leben in Steuerfreiheit, irgendwo im Nirgendwo eines menschenleeren Geländes in der Nähe einer Schloss-Baustelle, ohne geeignete Infrastruktur waren nicht jedermanns Sache.

Der Vaihinger Strumpfwirker Beckh ist einer der ersten Mutigen, der, den unsicheren Voraussetzungen zum Trotz, dem Dekret des Herzogs folgen will. Bereits am 15. Februar 1710 „offeriert“ er sich den Behörden mit seinem Wunsch, in Ludwigsburg zu siedeln. Es dauert allerdings Jahre, bis er das Ludwigsburger Bürgerrecht erhält. Erst am 7. Juli 1718 wird David Beckh per Urkunde zum Bürger der Stadt – schon am 16. Juli 1718 erhält Beckh die Baugenehmigung. Ein Jahr später, 1719, ist das Haus bereits errichtet – als erstes und heute ältestes Haus am Marktplatz.

Falsche Ausrichtung zum Marktplatz

Das Haus Am Marktplatz 4 ist eines der sogenannten Ludwigsburger Richthäuser, also eines jener Häuser, mittels derer Frisoni die auf dem Reißbrett entworfenen Achsen der Stadt, die Proportionen der Plätze (Holzmarkt, Marktplatz), der Wohnquartiere und die Lage der ersten Innenstadtstraßen festlegte, (Schloss-, Eberhard-, Obere- und Untere Marktstraße als Nord-Süd-Achsen, Kaffeeberg, Wilhelm-und Lindenstraße als West-Ost-Achsen). Vielleicht erklärt das dessen merkwürdige Ausrichtung. Die Hauptfront des Hauses, die den Vorgaben Frisonis für das typische Ludwigsburger Stadthaus entspricht, zeigt gar nicht auf den Marktplatz, sondern nach Süden, hin zur heutigen katholischen Kirche, die es 1719 noch gar nicht gab. Richtung Marktplatz ausgerichtet ist hingegen die Schmalseite des Hauses mit den typischen Arkaden.

Erbauer hat Pech mit dem Haus

In den 300 Jahren seines Bestehens war das Haus „Am Marktplatz 4“ vermutlich nur selten ein reines Wohnhaus. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ist es eine Herberge, dann wechseln in schöner Regelmäßigkeit Gastronomie und Gewerbe. Seit dem Sommer 2017 findet sich in den historischen Räumen des Hauses die Kochschule, die Tagesbar und das Restaurant „Lange am Markt“

Der Strumpfwirker ist ein im vorindustriellen 18. Jahrhundert durchaus angesehener Beruf. Beckh verfertigt, anders, als es die Berufsbezeichnung nahelegt, wohl mehr als nur Strümpfe. Auf den Webstühlen jener Zeit wird durch Fadenverschlingung aus den Rohstoffen Baumwolle, Leinengarn oder Seide eine Vielzahl von Kleidungsstücken des alltäglichen Gebrauchs produziert: Hauben, Hosen, Handschuhe. Vermutlich ist David Beckh in der Lage, feinere Ware zu produzieren, denn offensichtlich spekuliert er auch auf den Hof des Herzogs als seine Zielgruppe.

Ganz offensichtlich war David Beckh vermögend – gut gemeint hat es das Schicksal trotzdem nicht mit dem Neuansiedler: 14 Tage, nachdem er sein neues Haus bezogen hatte, ist er dort verstorben.