Mit Leidenschaft wollte Bernhard die Truck-Sparte auf Rendite trimmen.  Foto: dpa

Wolfgang Bernhard hat nach jedem Karriereknick wieder neu Anlauf genommen. Nun wirft der Truck-Chef von Daimler die Brocken hin.

Stuttgart - Vor einer Woche musste Wolfgang Bernhard Hiobsbotschaften verkünden – wieder einmal. Auf der Jahrespressekonferenz von Daimler saß der Truck-Chef des Autokonzerns Schulter an Schulter mit Konzernchef Dieter Zetsche und Finanzvorstand Bodo Uebber vor den Journalisten und musste ein neues Sparprogramm erläutern: „Wir gucken in allen Ecken nach und drehen jeden Stein um“, kündigte der 56-Jährige an. Alle Bereiche in Brasilien und Europa kämen auf den Prüfstand, von der Entwicklung über Produktion, Vertrieb und Verwaltung bis hin zu den Zulieferfabriken. „Ende des ersten Quartals werden wir klarer sehen“, bat Bernhard um Geduld.

Nun ist indes bereits viel früher klar, dass Bernhard keine weiteren schwierigen Gespräche über Sparrunden mit dem Daimler-Betriebsrat mehr führen wird, denn Bernhard verlässt auf eigenen Wunsch Knall auf Fall den Konzern.

Genug von den Mühen der Ebene?

Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren. Hatte der vorwärtsdrängende und stets unter Strom stehende Manager einfach genug davon, immer wieder schlechte Zahlen präsentieren zu müssen, Gewinnwarnungen zu verkünden, Kritik einstecken zu müssen, weil er sein ehrgeiziges Renditeziel nicht erreichte – und dies auf einem Posten den ihm letztlich die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aufgezwungen haben? Und nachdem er schon vor einiger Zeit alle Hoffnungen fahren lassen musste, irgendwann einmal Daimler-Chef werden zu können? Hatte er einfach genug von den Mühen der Ebene?

Bernhard war am Freitag nicht zu erreichen. Eingeweihte sagen, dass er sich wie so mancher, der in einem Konzern aufgestiegen ist, auf der letzten Etappe des Berufslebens einen Traum erfüllen will: unternehmerisch tätig sein ohne die Zwänge eines Großunternehmens, ohne einen festgezurrten Terminkalender, schnell entscheiden können ohne die umständliche Abstimmung mit vielen Gremien. Es gibt indes auch kritische Stimmen, die sagen, dass Bernhard das unternehmerische Talent fehle, dass er auch nicht motivieren könne, die Stimmung in der Truck-Sparte schlecht sei und viele in Untertürkheim, wo die Lkw-Entwickler sitzen, aufgeatmet haben, als bekannt geworden sei, dass Bernhard gehe: „Der kann Berater, aber nicht Unternehmer“, sagt einer, der ihn über Jahrzehnte im Stuttgarter Konzern begleitet hat.

Der Makel des kaltherzigen Beraters

Dieser Makel des Beraters, der nur die Kosten im Blick hat und die Menschen nicht sieht, haftet Bernhard an wie ein Kaugummi am Schuh, obwohl er sich immer wieder bemüht hat, das Image eines kaltherzigen Managers zu korrigieren. „Ich bin nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren“, sagte Bernhard einmal, der als fünftes von elf Kindern eines Volksschullehrers im Allgäu zur Welt kam. In der Münchner Fußgängerzone spielte er Gitarre, um sich damit das Geld für sein Studium zu verdienen.

Mit einem Abschluss als Wirtschaftsingenieur und einem Master of Business Administration der renommierten Columbia University in New York startete Bernhard zunächst bei McKinsey, betreute für die Berater auch Mercedes-Benz. Der Auftrag: Materialkosten senken, Produktivität steigern. Das war der Türöffner für eine Blitzkarriere im Autokonzern. Centerleiter in Sindelfingen, Chef der Tuning-Tochter AMG in Affalterbach, die als Karrieresprungbrett gilt.

Feuerwehrmann bei Chrysler

Bernhard präsentierte bei der kleinen Edelschmiede AMG binnen kurzer Zeit hervorragende Zahlen und empfahl sich damit für einen Sanierungsjob, der ihn eng mit Zetsche zusammenschweißte. Gemeinsam mit Zetsche ging er Ende 2000 als zweiter Mann in die Zentrale von Chrysler in Auburn Hills. Beim US-Autobauer, der damals zu Daimler gehörte, brannte es lichterloh. Die beiden strichen in drei Jahren massiv Stellen, schlossen Werke.

Mit 43 Jahren bereits schien Bernhard dann eine Topposition zu erreichen, von der viele träumen: „Mercedes hat einen neuen Stern“, jubelte die „Bunte“, zeigte Bernhard in Lederklamotten auf einem schweren Motorrad und gemeinsam mit Konzernchef Jürgen Schrempp und „Mister Mercedes“ Jürgen Hubbert, dessen Nachfolger der Aufsteiger werden sollte. In der entscheidenden Sitzung indes ließ ihn der Aufsichtsrat überraschend fallen. Wie es anschließend hieß, hatte der Senkrechtstarter, der seit 2002 auch Vorstandsmitglied war, zuvor Schrempp in einer Sitzung des Kontrollgremiums Kontra gegeben, ob Daimler mehr Geld in den japanischen Autobauer Mitsubishi pumpen soll, an dem die Stuttgarter beteiligt waren. Bernhard verlor den Machtkampf mit Schrempp. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nutzten daraufhin die Chance, den bei ihnen als harten Sanierer verschrienen Manager als Mercedes-Chef zu verhindern. Damals wurde kolportiert, Bernhard habe angekündigt, er wolle seine Frau erst dann von den USA nach Deutschland holen, „wenn hier das Blut von der Straße gefegt ist“.

Die Leidenschaft ist passé

Bernhard ging daraufhin zu VW, wo er jedoch auch nicht glücklich wurde, erhielt eine weitere Chance als Produktionschef von Mercedes, wo er jedoch erneut mit den Betriebsräten aneckte. Die Arbeitnehmervertreter erzwangen 2013 ein Revirement im Vorstand. Bernhard musste seinen Job als Produktionschef von Mercedes, wo es viele Reibungspunkte mit dem Betriebsrat im Tagesgeschäft gab, abgeben und stattdessen die Führung der Lkw-Sparte übernehmen. Truck-Chef Andreas Renschler übernahm Bernhards Posten. Am liebsten hätten die Arbeitnehmervertreter Bernhard gleich ganz aus dem Unternehmen gekegelt.

Als Bernhard das Steuer in der Lkw-Sparte übernahm, klang er noch sehr euphorisch: „Die neue Aufgabe ist ebenso faszinierend wie die bisherige“, schwärmte Bernhard damals und kündigte an „mit Leidenschaft alles dafür zu geben, um dieses Geschäft erfolgreich voranzubringen“. In letzter Zeit hat er wohl mehr gelitten als Leidenschaft verspürt.