Im westbosnischen Bihac stranden Tausende Migranten auf dem Weg nach Westeuropa. Foto: dpa/Danilo Balducci

Der CDU-Politiker Thorsten Frei, stellvertretender Fraktionschef der Union, zeigt die Wunden des europäischen Asylsystems auf.

Stuttgart - Thorsten Frei fordert eine faire Lastenverteilung in der Flüchtlingspolitik. Es müsse darauf eine europäische Antwort geben, sagt der 46-Jährige, der seit 2018 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist. „Wir müssen den Dienstantritt der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen nutzen, um Schritte nach vorne zu machen“, fordert der Jurist.

Herr Frei, warum sind die Lasten im europäischen Asylsystem so ungleich verteilt?

Deutschland ist mit seinem sehr guten Arbeitsmarkt und seinen relativ hohen Sozialleistungen ein attraktives Zielland. Seit 2011 nimmt Deutschland mehr Migranten auf, als es unserem europäischen Anteil entspricht. Der allergrößte Teil ist bereits in einem anderen EU-Staat registriert worden und reist illegal nach Deutschland weiter. Deshalb haben wir ein großes Interesse an einer fairen Lastenverteilung.

Wie sollte das zu erreichen sein?

Da wir es mit einer Frage von europäischer Dimension zu tun haben, müssen wir darauf auch eine europäische Antwort geben. Wir müssen den Dienstantritt der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen nutzen, um Schritte nach vorne zu machen. Da gibt es jetzt ein offenes Zeitfenster. Das schließt sich wieder mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020. Dann müssen wir uns auf die Rolle eines ehrlichen Maklers beschränken. Deswegen müssen wir die nächsten Wochen für einen neuen Vorstoß nutzen. Dabei kann es auch nicht nur um die Lastenverteilung gehen. Vor allem ist ein wirksamer Schutz der Außengrenzen wichtig.

Der Ausbau von Frontex wurde auf 2027 verschoben. Wie denken Sie darüber?

Ich halte das für eine Fehlentscheidung. Es geht dabei nicht allein um die zeitliche Verzögerung, sondern auch um die Frage, ob 10 000 Frontex-Beamte ausreichen, um die EU-Außengrenzen zu schützen. Darüber hinaus stellt sich die entscheidende Frage: Was darf Frontex eigentlich? Da haben wir unzureichende Kompetenzen. Wir brauchen an den Außengrenzen zudem europäische Asylverfahren. Das können wir nicht alles den nationalen Behörden überlassen.

Das Dublin-System ist ein großer Verschiebebahnhof für Migranten. Was halten Sie davon?

Da läuft vieles falsch. Allein der Umstand, dass wir 55 000 Asylbewerber in Deutschland haben, deren Verfahren in einem anderen EU-Staat durchzuführen wäre und die trotzdem auch bei uns – wenn auch auf Druck der Union inzwischen reduzierte – Leistungen beziehen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es ergibt keinen Sinn, die Menschen kreuz und quer zu verschicken. Wir müssen dazu kommen, dass über Asylberechtigungen am besten außerhalb von Europa entschieden wird. Und wenn das nicht gelingen sollte, dann wenigstens am Rande Europas. Dann dürfen auch nur diejenigen verteilt werden, die eine reale Bleibeperspektive haben.

Welche Länder – innerhalb oder außerhalb der EU – wären denn bereit, solche Asylzentren einzurichten?

Das ist eine Aufgabe für die neue EU-Kommission. Ich weiß nicht, ob das bisher mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorangetrieben wurde. Wir bräuchten Partnerländer – natürlich wird das nicht zum Nulltarif zu haben sein. Das wäre aber gut investiertes Geld. Solche Zentren in nordafrikanischen Ländern müssten auf eine Weise betrieben werden, wie es europäischen Standards entspricht.

Europaweit ist die Anerkennung von Asylbewerbern sehr verschieden. Wie ließe sich das harmonisieren?

Es wäre hilfreich, wenn wir zu einem gemeinsamen Verständnis über die Schutzwürdigkeit von Migranten aus unterschiedlichen Ländern kommen. Was uns mit Sicherheit helfen würde, wären einheitliche Kriterien für sichere Herkunftsländer. Das sollte zu erreichen sein.