Ein Hacker gibt ein Passwort auf einem Computer ein. Solche Angriffe möchte Innenminister Thomas Strobl in Baden-Württemberg auch mit Hilfe einer 13 Millionen Euro teueren Cybersicherheitsagentur stoppen. Foto: picture alliance/dpa/Oliver Berg

Polizeigewerkschaften und Politik verschärfen ihre Kritik am digitalen Verteidigungsplan von Digitalisierungsminister Thomas Strobl.

Stuttgart - Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg bewertet in einer Pressemitteilung positiv, dass das Innenministerium das Land besser gegen digitale Angriffe schützen will. Es begrüße „die Stärkung der Cybersicherheit des Landes“, heißt es in der für das LKA ungewöhnlich vagen Verlautbarung. „Für ein sicheres und selbstbestimmtes Handeln in einer zunehmend digitalisierten Umgebung ist ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz erforderlich“, heißt es. Einige Medien hatten berichtet, das LKA begrüße den geplanten Aufbau einer Cybersicherheitsagentur im Südwesten.

Am vergangenen Wochenende hatten Polizeigewerkschaften, Politik und gesellschaftliche Gruppen die Pläne von Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisiert, dafür eine sogenannte Cybersicherheitsagentur (CSA) aufzubauen. Im Landeshaushalt 2020/2021 sind dafür insgesamt 13 Millionen Euro vorgesehen. In der neuen Behörde sollen 83 Mitarbeiter beschäftigt werden. Der Behördenleiter soll nach der Besoldungsstufe B 3 bezahlt werden, also ein Monatsgehalt von mindestens 8711,77 Euro erhalten.

Kritisiert wird das Vorhaben, weil sowohl das LKA wie auch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) bereits über aufgabengleiche Organisationseinheiten verfügen. Kritiker von Strobls Cyberverteidigungsplan befürchten, dass die nachrichtendienstlichen und polizeilichen Fähigkeiten und Kompetenzen durch die Cybersicherheitsagentur deshalb reduziert werden. Zudem könnte ein Kampf um die wenigen Informatiker und Programmierer zwischen den Behörden entstehen, die auf dem Markt sind. Nach der Pressemitteilung des LKA legen die Kritiker jetzt nach.

Zweiter Schritt vor dem ersten

„Die Cybersicherheit zu stärken ist richtig, allerdings mit einem ausgewogenen Konzept, das die bestehenden Strukturen angemessen berücksichtigt. Das ist aktuell nicht erkennbar“, wirft Steffen Mayer, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Strobl vor. Seine Gewerkschaft habe aus dem Mitarbeiterkreis und aus Führungskreisen der Polizei viele positive Rückmeldungen für seine Position erhalten. Derart gestärkt fordert Mayer: „Wir benötigen ausgereifte, ganzheitliche und praxistaugliche Konzepte – hier scheint der erste Schritt vor dem zweiten getan zu werden.“

Bei der Deutschen Polizeigewerkschaft wundert sich Landeschef Ralf Kusterer über die Pressemitteilung des LKA: „Ich schätze den Präsidenten des Landeskriminalamtes. Aber den Einschätzungen der Pressestelle des Landeskriminalamtes muss ich leider widersprechen.“ Er halte die Zersplitterung einer Kernaufgabe der Inneren Sicherheit und Abgabe an eine noch zu bauende Cybersicherheitsagentur für einen strategischen Fehler. „Es ist ein sicherheitspolitischer Irrweg, Kernaufgaben abzugeben. Solche Veränderungen in der Sicherheitsarchitektur eines Landes soll und darf man nicht so aus der Hüfte heraus entscheiden.“

Seine Gewerkschaft fordere vor der Abgabe einer solchen Aufgabe von höchster sicherheitspolitischer Relevanz, eine Untersuchung der bestehenden Aufgabenwahrnehmungen beim LKA und LfV. „Nur dann, aber auch nur dann, wenn vorher der Beweis geführt werden kann, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit dieses auch ein Erfolgskonzept wird, können Millionen ausgegeben und hoch dotierte Stellen geschaffen werden.“

Unfertiger Gesetzentwurf

Kritik, die bei der Opposition im Landtag auf fruchtbaren Boden fällt. „In den Aufbau der neuen Cybersicherheitsagentur soll nun aber mehr Geld fließen als in die dafür fachlich zuständigen Abteilungen in den Sicherheitsbehörden“, bemängelt der digitalpolitischer Sprecher der FDP, Daniel Karrais. Insgesamt stehen dem LKA und den auf Cyberkriminalität spezialisierten Kriminalen in den regionalen Polizeipräsidien 800 000 Euro jährlich zur Verfügung. Alleine für die Einrichtung einer Hotline zur Abwehr möglicher Angriffe aufs Gesundheitswesen während der Corona-Pandemie erhielt die Testversion der CSA etwa 850 000 Euro für drei Monate.

Den Liberalen überrascht, dass die endgültigen Aufgaben der CSA offenbar noch gar nicht feststehen obwohl der entsprechende Gesetzentwurf aber seit Monaten in der Welt ist. „Innenminister Strobl sollte sich erst darüber im Klaren sein, welchen Aufgaben die CSA nachkommen soll und erst dann ein Gesetz vorlegen“, fordert er. Ansonsten verfestige sich der Eindruck eines halb garen Projekts mit wohlklingenden Namen, aber ohne klare Abgrenzung zu Aufgaben der Landespolizei. „Torschlusspanik vor der Landtagswahl bringt nichts für die Cybersicherheit.“ Deshalb sollten sich nach der Wahl im März „die neuen Regierungsfraktionen auf eine passende Cybersicherheitsarchitektur für Baden-Württemberg einigen“. Der Gesetzentwurf Strobls soll in einer letzten acht Sitzungen des Landtages vor der Wahl im Parlament diskutiert werden.

Kleine Anfrage an die Landesregierung

Die FDP-Fraktion im Landtag hat der Landesregierung in einer Kleinen Anfrage einen umfangreichen Fragenkatalog zugestellt. In ihm will sie unter anderem wissen, in welcher Weise Justizbehörden wie die Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Cyberkriminalität bei Planung und Aufbau der CSA eingebunden waren und wie diese das Vorhaben Strobls bewerten.