Cowboy mit fliegenden Untertassen: das Cover zum Los-Santos-Album „Cowboys & Cosmonauts“ Foto: Label

Die Stuttgarter Band Los Santos mischt auch auf ihrem neuen Album Country, Cumbia und Raumfahrtromantik. „Cowboys & Cosmonauts“ klingt trotzdem erfreulich aktuell.

Stuttgart - Kurz bevor es mit Corona so richtig losging, war das neue Album von Los Santos eingespielt, sagt Stefan Hiss. Schlechter Zeitpunkt, aber das wusste der Frontmann der Stuttgarter Band damals natürlich noch nicht. Und so erscheint jetzt eben „Cowboys & Cosmonauts“ im weiterhin recht strikten popmusikalischen Lockdown und zunächst ohne Releaseshow. Zwar ist für Anfang Oktober im Laboratorium ein Konzert angesetzt – doch ob das stattfinden darf? Womöglich ist der Auftritt beim Lümmelpicknick in Großhöchberg (Rems-Murr-Kreis) am 9. August die einzige Gelegenheit, um mit der Band im Konzertsetting auf das Album anzustoßen.

Einziger Trost: diese Musik ist betont zeitlos. Los Santos huldigen dem Sound einer Zukunft, die längst Vergangenheit geworden ist. Niemand hätte verwundert aufgehorcht, wenn er 1969 in seinem Straßenkreuzer irgendwo zwischen Texas und Mexico im einen Radiosender eine Livesendung zur Mondlandung und im anderen einen Los-Santos-Song gehört hätte.

Country und Cumbia

Das sind keine herbeifantasierten Assoziationen. Das ist der Eindruck, den die Band erzeugen möchte. Die Mischung aus Country und Cumbia wird auf dem mittlerweile dritten Tonträger mit dem Weltraumthema verschnitten – eben weil Stefan Hiss’ Philicorda-Orgel, Joscha Brettschneiders Rockabilly-Gitarren und der reichlich eingesetzte Federhall an den Sound genau jener Zeit anknüpfen. Dazu trägt neben den Bläsern die Sängerin Lucia Schlör bei, deren Stimme stets an der richtigen Stelle ihre Stimme einen Hauch Sixties-Coolness beiträgt.

Dass „Cowboys & Cosmonauts“ trotzdem erfreulich aktuell klingt, ist dem Tonmeister Bernhard Hahn zu verdanken. Andererseits greifen Los Santos mit dem Weltallthema eine von Elon Musks Raketenfirma Space X neu entfachte Raumflug-Begeisterung auf. So weit weg ist die Vergangenheit also nicht.

Los Santos huldigen einem Grenzgänger-Sound. Wie selbstverständlich sind die Texte mal auf Englisch, mal auf Spanisch, mischt das Songwriting Elemente von nördlich und südlich jenes Grenzwalls, den Donald Trump erst diese Woche reichlich dämlich bei einem Wahlkampftermin anschaute. 200 Meilen davon sind inzwischen gebaut. Aber selbst wenn es 2000 wären: Musik kennt keine Grenzen. Auch das ist die ewig aktuelle Botschaft von Los Santos.

Eine herrliche Anekdote erzählt Stefan Hiss dann noch: Als er sich einst den Bandnamen „Los Santos“ ausdachte, ergab eine kurze Googlesuche, dass mit nicht allzu viel gleichlautender Konkurrenz zu rechnen sei. Mittlerweile würde man eher bei Spotify oder im digitalen Plattenarchiv Discogs nachsehen. Und dort ist gut ein Dutzend Bands mit diesem Namen gelistet. Eine davon wird auf „Cowboys & Cosmonauts“ gecovert: die peruanischen Los Santos haben 1972 einen Cumbia namens „Saturno 2000“ veröffentlicht. Der passt bestens ins Programm der Stuttgarter Los Santos, die den Song behutsam aktualisieren und ein wunderbares Gitarrensolo auf Bernd Öhlenschlägers tropischen Beat spielen.

So mischt das neue Los-Santos-Album musikalischen Retrofuturismus, spielerische Klasse und ernsthaft betriebene Popnerdigkeit. „Cowboys & Cosmonauts“ bietet jenen Hörgenuss, den der auf der Rückseite der Plattenhülle abgedruckte Text verspricht – eine in Streamingzeiten fast vergessene Darstellungsform. So passt die Hülle zum Inhalt: Zurück in die Zukunft – sie kann nur besser werden.