Die Konservatorin Patricia Peschel (links) und die Staatssekretärin Gisela Splett mit der wiederentdeckten „Landschaft mit Waldung“. Foto:  

Vermutlich hat es ein französischer Soldat im Zweiten Weltkrieg geraubt, 75 Jahre war es verschollen: Jetzt ist das Ölgemälde „Landschaft mit Waldung“ bei einer Auktion in Paris wieder aufgetaucht. Bald kommt es zurück an seinen alten Platz im Ludwigsburger Schloss.

Ludwigsburg - Die Kunst und der Krieg – es ist eine unheilvolle Verbindung, die auch lange nach dem Zweiten Weltkrieg geeignet ist, Gemüter in Wallung zu bringen. Als die Nationalsozialisten die Welt ins Unglück stürzten, begann die dunkelste Zeit der Menschheit. Und wie fast immer, wenn viele leiden, gibt es einige wenige, die profitieren. Die Kriegsjahre waren goldene Jahre für Kunsträuber. Die Nazis rafften in den besetzten Gebieten Kulturgüter en masse an sich und auch in Deutschland gingen, vor allem in den letzten Kriegsjahren, unzählige Kunstwerke verloren. Wenn heute solch ein Werk wieder auftaucht, gibt es meist Streit: Wer war der ursprüngliche Besitzer? Wer ist heute der rechtmäßige Besitzer?

Umso bemerkenswerter ist der Coup, der den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg (SSG) jetzt gelungen ist. Sie haben das einzige Gemälde des Residenzschlosses, das in den Kriegswirren verloren gegangen war, in Frankreich wiedergefunden und zurück nach Ludwigsburg geholt. „Es ist ein großer Glücksfall“, sagt SSG-Geschäftsführer Michael Hörrmann. „Ein vor 75 Jahren geraubtes und verlorenes Kind ist zurück.“

König Friedrich I. hängte das Bild einst ins Schloss

Das Ölgemälde stammt von dem niederländischen Barockmaler Jan van Kessel (1648 bis 1698) und trägt den Titel „Landschaft mit Waldung“. Es zeigt auf 62,7 mal 54,5 Zentimetern ein klassisches Motiv jener Zeit: Wald, im Vordergrund ein abgestorbener Baum und Graureiher, im Hintergrund eine Lichtung und ein Reiter zu Pferd. Das Werk muss Eindruck auf König Friedrich I. von Württemberg gemacht haben – er ließ es in der Gemäldesammlung des Schlosses aufhängen.

Einmalig ist indes vor allem die Rettungsgeschichte, die nun für immer mit der „Landschaft mit Waldung“ verknüpft sein wird. „Dass es so gut funktioniert hat, ist fast unglaublich“, sagt Patricia Peschel, die Oberkonservatorin des Schlosses.

Den Anfang nimmt die Geschichte im Jahr 1918. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Monarchie ging das Kunstwerk in den Besitz des Landes über. 1935 wurde es an die Staatsgalerie in Stuttgart verliehen, wo es bis 1944 blieb. In diesem Jahr flogen die Briten die schwersten Luftangriffe auf die Stadt, und die Staatsgalerie begann, ihre Kunstschätze in Sicherheit zu bringen. Irgendwann in dieser Phase sei die „Landschaft mit Waldung“ verloren gegangen, erzählt die baden-württembergische Finanzstaatssekretärin Gisela Splett. Verloren heißt in diesem Fall: gestohlen. „Das Bild muss aktiv entwendet worden sein, sonst wäre es ja noch da gewesen“, sagt Hörrmann. Peschel spekuliert, dass es „irgendwo von einem LKW gefallen ist“, von einem französischen Soldaten mitgenommen und später verkauft wurde.

Das Pariser Auktionshaus zeigte sich äußerst kooperativ

Fakt ist: In Paris tauchte es nun wieder auf. Der entscheidende Hinweis kam von einer Stiftung in Berlin, die jede größere Auktion in Europa im Blick behält und nach Beutekunst sucht. Im vergangenen Jahr informierten die Berliner das Ludwigsburger Schloss, dass bei einer Auktion in Paris der Besitz eines französischen Kunstsammlers versteigert wird – inklusive der „Landschaft mit Waldung“. Sofort liefen die Drähte zwischen Stuttgart und Paris heiß. „Wir mussten schnell beweisen, dass das Gemälde Eigentum des Landes Baden-Württemberg ist“, sagt Splett.

Das gelang auf Grundlage alter Fotos und Inventarlisten, und das Auktionshaus in Paris zeigte sich kooperativ. Es strich das Gemälde aus der Auktion und gab es frei. Wenige Wochen später durften Vertreter des Landes es abholen. Geld ist dafür nicht geflossen, zumal der Wert des Bildes sich kaum ermitteln lässt. „Für uns ist es unbezahlbar, weil es zum Erbe Ludwigsburgs gehört“, sagt Hörrmann.

Die Öffentlichkeit wird das Gemälde voraussichtlich erst 2023 zu Gesicht bekommen. Es soll wieder an seinen originalen Platz gehängt werden, aber die Königswohnungen und die dazugehörige Galerie werden derzeit aufwendig saniert.