Glen Campbell (1936 – 2017) war ein Superstar der Country-Musik. Foto: AP

Der Country-Popmann Glen Campbell hatte einige Monsterhits, unter anderem 1969 „Rhinestone Cowboy“. Aber er war viel mehr als eine Glitzerfigur im Nashville-Zirkus – unter anderem ein interessanter Geschichtenerzähler.

Nashville - Country-Musik, das sei die pure Ehrlichkeit zu einfachen Akkorden, vorgetragen von knorrigen Leuten, die sich am Leben schon heftig gerieben haben, behaupten Country-Fans. Zu dieser Mythologie der echten Volksmusik passt kaum etwas von dem, was die Musikfabrik Nashville im Dutzend produziert. Seltsam stolz und fast unbedarft schien Glen Campbell 1969 mit seinem Riesenhit „Rhinestone Cowboy“ den Widerspruch einzugestehen: In diesem Lied träumte ein noch Erfolgloser von Nashville als Märchengarten, vom Verkauf der knallbunten Illusion der Wildwest-Freiheit, von der Karriere als Strass-Cowboy.

Aber der 1936 in Arkansas geborene Campbell war eben kein Heuchler, er brachte in seiner Person die Widersprüche des Country auf den Punkt: das Erdige und das Geföhnte, das Intelligente und das Naive, das Hintersinnige und das Sentimentale, das Virtuose und das Selbstverkleinernde. Der exzellente ehemalige Studiomusiker, als Gitarrist viel gefragt und nach Brian Wilson Zusammenbruch sogar eine Weile dessen Ersatzmann bei den Beach Boys, begriff sich als Liedermacher. Country war für ihn ein Oberbegriff für Musik, in der die zu erzählende Geschichte im Vordergrund stand. Dass einer seiner Riesenhits 1967 „Gentle on my Mind“ hieß, hinderte ihn nicht daran, in seine von 1969 bis 1972 erfolgreich laufende TV-Show „The Glen Campbell Goodtime Hour“ zum Grimm der Produzenten beinharte Country-Querschläger wie Johnny Cash, Willie Nelson und Merle Haggard einzuladen.

Alkohol und Alzheimer

Campbells Musik wurde als das saubere Gegenstück zum dreckigen Rock verkauft. Aber sein Privatleben entgleiste in Suff und streitgeprägten Ehen so gründlich wie das der Rocker, wie er später freimütig zugab. Sehr offen ging er ab 2011 auch mit seiner Alzheimer-Erkrankung um. Er trat eine mehrjährige Abschiedstournee an, die gerade mit ihrer Ankündigung von Schwäche – das Publikum wurde vorab gebeten, Momente der Verwirrtheit zu entschuldigen – eher zum Comeback wurde. Plötzlich stand da wieder im Raum, dass Campbells Country-Pop doch mutiger aus subjektiver Wahrheit schöpfte als manche vermeintlich wildere Musik. Am 8. August ist der Mann, dessen „By the Time I get to Phoenix“ einst so herb und zart vom Zurücklassen des nicht mehr Festhaltbaren erzählt hat, in einer Pflegeeinrichtung in Nashville gestorben. Er lässt eine Welt zurück, in der erstaunlich viele Menschen wenigstens eines seiner Lieder pfeifen können und das auch ab und an tun – keine schlechte Bilanz für einen Strass-Cowboy.