Das große Rechnen der Kämmerer gleicht noch einem Rätselraten. Foto: dpa/Christin Klose

Bisher sind es noch Spekulationen, doch die Trends weisen in eine eindeutige Richtung: Die Corona-Krise trifft Städte und Gemeinden finanziell hart. Ausgaben steigen, Einnahmen fallen. Das bringt vorgesehene Projekte ins Wanken.

Filder - Es ist nicht allzu lang her, da standen die Kommunen finanziell gut da. Zwar hat sich dieser Trend bereits vor Corona wieder eingetrübt, doch die Krise dürfte die Lage verschärfen. Die Ausgaben steigen aktuell, die Einnahmen brechen derweil ein. Die Folgen der Pandemie werde Kommunen härter treffen als die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, schätzt ein Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Heißt unter dem Strich, dass sich die Kommunen weit weniger leisten könnten, als zunächst gedacht. Noch gleicht das große Rechnen der Kämmerer einem Rätselraten, weil das Ende der Krise nicht abzusehen ist, doch es gibt Tendenzen. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen an den Beispielen Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen.

Mit welchen Gewerbesteuereinbußen wird wegen der Krise gerechnet?

„Hier kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren, da die Unternehmen nach und nach erst den Weg zum Finanzamt suchen und eine Anpassung der Steuermessbeträge und daraus folgernd die Gewerbesteuervorauszahlungen für 2020 beantragen“, erklärt Georg Braunmüller, Filderstadts Kämmerer. Dieser Trend werde wohl bis 15. Mai zunehmen. Dann wird die nächste Gewerbesteuer-Vorauszahlung für Unternehmen fällig. Im Etat für 2020 habe Filderstadt mit einem Gewerbesteueraufkommen von 32 Millionen Euro kalkuliert, so Braunmüller. „Ausgehend von den bisher eingegangenen Anträgen, müssen wir wohl von Mindererträgen von mindestens zehn Millionen Euro ausgehen.“ In L.-E. sieht es laut dem Kämmerer Tobias Kaiser nicht besser aus. „Aktuell liegen die Einnahmen aus der Gewerbesteuer bereits gut zehn Millionen Euro unter dem geplanten Ansatz.“ Und die Kommune rechnet mit weiteren Einbußen in den nächsten Wochen.

Wie viele Betriebe haben bisher Steuerstundungen beantragt?

In Filderstadt sind dies laut Kämmerer Braunmüller – Stand 16. April – 34 Unternehmen, Tendenz steigend. Denn man erwarte noch eine deutliche Zunahme im Hinblick auf den Stichtag 15. Mai. Sein Kollege aus L.-E. sagt dazu: „Genau Zahlen hierüber gibt es nicht beziehungsweise wird die Stundung in eine Reduzierung der Vorauszahlungen umgewandelt.“

Wegen Kurzarbeit bröckelt auch die Einkommensteuer. Wie sehr?

Wie bei der Gewerbesteuer tut sich der Filderstädter Kämmerer aktuell auch hier schwer mit seriösen Aussagen. Die Zahl hänge nicht nur mit der der Kurzarbeiter zusammen, sondern auch mit der wohl steigenden Arbeitslosenzahl. „Hier erwarten wir aus den Daten der Mai-Steuerschätzung entsprechende Anhaltspunkte“, so Braunmüller. Im Etat für 2020 sei man von einem Einkommensteueranteil von 33,57 Millionen Euro ausgegangen, „dies wird aber sicherlich nicht mehr zutreffen“. Ersten Schätzungen zufolge rechne Filderstadt mit „einem mittleren siebenstelligen Minderertrag“. Tobias Kaiser, aus L.-E., will die Steuerschätzung im Mai abwarten. „Es wird von einem nicht unerheblichen Rückgang ausgegangen.“

Wie stark machen sich erlassene Kita-Gebühren bemerkbar?

Sowohl in Filderstadt als auch in Leinfelden-Echterdingen ist den Eltern von Kita-Kindern die Betreuungsgebühr wegen der Schließung der Einrichtungen für den Monat April erlassen worden. „Der Ertragsausfall allein bei den städtischen Einrichtungen beträgt etwa 110 000 Euro“, so Braunmüller. „Überschlägig rechnen wir inklusive der Ausfälle bei den freien Trägern der Kinderbetreuung in Filderstadt mit circa 250 000 Euro.“ Nicht eingerechnet seien die Beträge, die durch den Bund-Länder-Beschluss vom 15. April und die dort vereinbarte Fortsetzung der Notbetreuung hinzukämen. In L.-E. betrage der Ausfall durch erlassene Kita-Gebühren im April 340 000 Euro, sagt Kaiser.

Ist weiterer Gebührenerlass geplant, wenn Kitas länger zu bleiben?

Laut Filderstadts Kämmerer hänge dies damit zusammen, wie lange die Einrichtungen geschlossen bleiben müssen. Zudem sei den Kommunen noch nicht bekannt, auf welche Berufsgruppen die Notbetreuung – gemäß dem Beschluss von Bund und Ländern am 15. April – in den Kitas ausgeweitet werde. Der Kämmerer von L.-E. verweist auf die Entgeltregelung der Stadt, die besage, dass Eltern „ab einer, aufgrund höherer Gewalt, nicht erbrachten Betreuungsmöglichkeit von acht Tagen pro Monat das Anrecht auf anteilige Erstattung der Kita-Gebühren“ haben.

Welche weiteren Ausgaben entstehen den Gemeinden durch Corona?

Kosten, die den Kommunen außerplanmäßig wegen Corona entstehen, sind zum Beispiel jene für Reinigung und Desinfektionsmittel. In Filderstadt geht man da von Mehrausgaben von 100 000 Euro aus. Weitere Kostenfaktoren seien zudem die Ausweitung der Homeoffice-Arbeitsplätze, so der Kämmerer aus L.-E., aber auch der Verlustausgleich für die Filderhalle, weil dort Veranstaltungen ausfallen.

Ist eine Etatsperre geplant?

In Filderstadt befindet sich der Etat für 2020/21 aktuell in einer Interimsphase, weil er noch nicht genehmigt sei. Sobald dies der Fall sei, „werden wir eine Haushaltssperre verhängen, den Gemeinderat über die finanzielle Situation unterrichten und mit diesem das weitere Vorgehen abstimmen“, erklärt Braunmüller. Sein Kollege Kaiser sagt: „Der Haushaltsplan 2020 enthält bereits eine globale Sparvorgabe von vier Millionen Euro, die in gewisser Weise einer Haushaltssperre gleichkommt.“ Am 5. Mai solle die Situation mit dem Gemeinderat besprochen werden.

Ist ein Nachtragshaushalt nötig?

Beide Filderkommunen gehen von diesem Szenario aus; in der derzeitigen Situation sei dies unumgänglich.

„Sollte sich der Trend verstetigen, wird man zunächst gemeinsam mit dem Gemeinderat die ins Auge gefassten Projekte unter der neuen Finanzsituation bewerten und priorisieren müssen“, erklärt der Kämmerer Braunmüller aus Filderstadt. Noch vor der Sommerpause soll es hierzu eine Klausurtagung geben. „Ob sich daraus dann ein höherer Kreditbedarf ergibt, bleibt abzuwarten.“ In L.-E. zeigt man sich hier etwas optimistischer. Von neuen Schulden sei nicht auszugehen, so Kaiser. „Die Liquidität ist im Moment noch hoch genug.“