Mit Abstand begegnen sich der Klinik-Geschäftsführer Jörg Noetzel (links) und Landrat Roland Bernhard im Eingangsbereich des Böblinger Krankenhauses. Foto: Landratsamt

Mehr als 300 Personen haben sich auf den Aufruf des Klinikverbunds für mehr personal gemeldet – aber nicht genug Fachkräfte. Auch Pflegekräfte sind jetzt gefragt.

Böblingen - Die gute Nachricht vorneweg: Laut dem Landrat Roland Bernhard haben im Kreis Böblingen bisher schon 33 Personen ihre Corona-Infektion überstanden. Bis Mittwochvormittag wurden 664 Menschen positiv auf das Virus getestet, zehn sind daran gestorben. Zu den Todesfällen konnte der Landrat keine näheren Auskünfte geben. In den Krankenhäusern im Kreis Böblingen werden aktuell 68 Corona-Patienten behandelt, 20 von ihnen müssen beatmet werden. Damit ist fast ein Drittel der 63 Intensivpflegeplätze belegt.

„Der Trend geht moderat nach oben“, sagte Jörg Noetzel zur Entwicklung der Patientenzahlen. Die Belegung der Beatmungsplätze sei in den vergangenen vier Tagen konstant geblieben, erklärte der medizinische Geschäftsführer des Klinikverbunds Südwest. Am vergangenen Donnerstag waren es noch 14 Personen gewesen. Der Plan ist, die von ursprünglich 33 auf aktuell 63 Beatmungsplätze gesteigerte Kapazität auf 100 zu erhöhen. Außerdem gibt es in den vier Krankenhäusern im Kreis derzeit rund 600 freie Betten. Die Hälfte davon befindet sich in speziellen Stationen für Corona-Verdachtsfälle und Isolierstationen.

Enorme Resonanz auf den Aufruf

Auch Jörg Noetzel hat gute Nachrichten: Im Böblinger Krankenhaus konnte am Dienstag ein Corona-Patient von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt werden – nach nur acht Tagen. Normalerweise müssten Schwerkranke zwei bis drei Wochen beamtet werden, und die Sterblichkeit sei hoch, erklärte der Geschäftsführer. Er berichtete, dass es auf den Aufruf des Klinikverbunds „Gemeinsam gegen Corona“ nach zusätzlichem Personal „eine enorme Resonanz gibt“. Mehr als 300 Personen haben sich bereits registriert, um in den Krankenhäusern einzuspringen. Bei entsprechender Qualifikation werden Arbeitsverträge auf Abruf geschlossen. Der Bedarf an Fachkräften für die Anästhesie- und Intensivpflege sei aber weiterhin groß, die Telefonnummer lautet 0 70 31 / 9 81 10 00. Der Landrat schließt deshalb nicht aus, dass der Katastrophenfall ausgerufen wird, um das Personal zwangsweise rekrutieren zu können.

Jörg Noetzel zufolge ist die Versorgung der Krankenhäuser mit Schutzkleidung noch gut. „Wir haben vorgesorgt, aber man lebt in Sorge, ob es am Ende reicht“, sagt er. Seiner Meinung nach hat sich die Marktlage beruhigt, es gebe viele Angebote, aber nicht alle seien seriös. Eine Lieferung des Landes vom vergangenen Wochenende bezeichnete Roland Bernhard als Tropfen auf den heißen Stein. Die Mengen entsprächen ungefähr einem Tagesbedarf des Herrenberger Krankenhauses, kritisierte er. Deshalb hat die Kreisbehörde für 1,7 Millionen Euro Schutzausrüstungen bestellt, um sie unter anderem an Feuerwehren, die Polizei, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen zu verteilen. Über das Landessozialministerium wurden noch 35 Beatmungsgeräte für den Kreis Böblingen in China geordert. „Ich bin guter Dinge, dass es funktioniert“, sagte der Landrat.

Überlaufmanagement falls die Krankenhäuser voll sind

Das Landratsamt arbeitet zudem an einem Konzept für ein Notfalllazarett. In einer ersten Stufe sollen in einer geeigneten Immobilie zwischen 50 und 100 Plätze geschaffen werden. In dieser Einrichtung könnten leicht erkrankte oder auch pflegebedürftige Menschen aufgenommen werden. Roland Bernhard rechnet nicht nur mit einem Ansturm auf die Krankenhäuser, sondern auch mit einem Engpass in Pflegeheimen und in der häuslichen Pflege. Eine Aufstockung auf bis zu 600 Plätze sei geplant. „Wir müssen gewappnet sein.“ Deshalb wurde mit dem Kreisseniorenrat ein Aufruf für Pflegepersonal gestartet. „Wir brauchen Sie!“, lautet der Aufruf an ehemalige Pflegekräfte: Sie sollen sich unter 0 70 31 / 6 63 17 15 melden.

Die Kreisärzteschaft reagiert auf die Corona-Krise mit der Eröffnung einer Infektionspraxis beim Sindelfinger Testzentrum. Bei Bedarf soll eine solche Anlaufstelle auch in Herrenberg entstehen. Damit soll vermieden werden, dass die Betroffenen ins Krankenhaus oder zu ihrem Hausarzt gehen. Reibungslos funktioniere mittlerweile die Hotline des Gesundheitsamtes, berichtet Roland Bernhard weiter. Die Voraussetzungen für einen Test sind vereinfacht worden: Mittlerweile reichen Symptome einer Corona-Infizierung aus. Im Kreis Böblingen sind bisher 5000 Tests gemacht worden. Täglich werden 400 Abstriche genommen. Eine weitere gute Nachricht des Landrats ist, dass es dafür keine Wartezeiten mehr gibt.