Überraschend selten kommt es zu Tatbeständen. bei denen es um das Maskengebot geht: 19 Fälle gab es im Kreis. Foto: Gottfried Stoppel

Ein Verstoß gegen die Corona-Verordnung kann bis zu 10 000 Euro kosten. Manchmal lohnt es sich, dagegen Widerspruch einzulegen. Die häufigsten und seltensten Fälle der vergangenen Monate im Rems-Murr-Kreis – auch kuriose sind dabei.

Waiblingen - Eine Imbissbude am Stuttgarter Platz in Fellbach, während des ersten Lockdowns im April 2020: Ein Mitarbeiter setzte sich nach Betriebsschluss des Abholservice, den das Lokal anbot, mit einem arbeitswilligen Bekannten zu einem Bewerbungsgespräch auf Stühle, die zusammengebunden vor dem Imbiss standen. Sie tranken vom Bewerber mitgebrachte Energy-Drinks. Parallel kam ein gehbehinderter Stammgast dazu und ruhte sich kurz im Sitzen aus, vor ihm stand zufällig eine leere Kaffeetasse.

Just in diesem Moment fuhr eine Polizeistreife vorüber und wertete die Situation als Verstoß gegen die Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. 2500 Euro Bußgeld sollte die Besitzerin wegen illegaler Bewirtung zahlen (wir berichteten). Die 41-Jährige Wirtin legte jedoch Einspruch ein und zog vor das Amtsgericht Waiblingen. Die Richterin glaubte der Klägerin und stellte das Verfahren ein. Mit dem für sie glimpflichen Ausgang ist die Betreiberin aber offenbar in der Minderheit. Aber der Reihe nach.

Abhalten einer Veranstaltung ist am teuersten

In den vergangenen Monaten tauchten auf den Sitzungsplänen des Amtsgerichts Waiblingen massenhaft Ankündigungen von Verhandlungen auf, die noch vor wenigen Jahren völlig exotisch geklungen hätten: Ordnungswidrigkeitsverfahren nach dem Infektionsschutzgesetz, wie es im Juristendeutsch heißt. Der Volksmund würde es Verstoß gegen die Corona-Verordnungen nennen.

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Wer im öffentlichen Raum von der Polizei ohne Maske angetroffen wird, den festgelegten Mindestabstand nicht einhält oder mit mehr Personen als erlaubt zusammentrifft, wird zu einem Bußgeld verurteilt. Der Rahmen liegt derzeit je nach der Schwere des Vergehens zwischen 25 Euro (bei Verstößen gegen die Maskenpflicht im schulischen Raum) und 10 000 Euro (beim Abhalten einer Veranstaltung). Wer sich zu Unrecht zur Zahlung aufgefordert sieht, kann Einspruch gegen den Bescheid erheben und vor Gericht ziehen. Dabei kann es allerdings passieren, dass sich bei erfolglosem Widerspruch das Bußgeld erhöht.

Meist Bußgeld zwischen 100 und 200 Euro

Wie das Landratsamt Rems-Murr-Kreis in Waiblingen gegenüber unserer Zeitung mitteilt, wurden zwischen dem 1. April 2020 und dem 31. Januar 2021 im Kreis 574 Fälle rechtskräftig abgeschlossen, sei es durch einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid, einen Gerichtsbeschluss oder eine Einstellung des Verfahrens.

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Wie oft Personen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegten und vor Gericht zogen, lasse sich laut Landratsamt nach dem Abschluss eines Verfahrens nicht mehr so einfach aus der Datenbank auslesen, genauso wenig wie die Zahl der erfolgreichen Einsprüche und die Höhe des Bußgeldes. Der Direktor des Amtsgerichts Waiblingen, Michael Kirbach, schätzt, dass bisher um die 50 Fälle vor Gericht landeten. Das Bußgeld bewegte sich dabei meist zwischen 100 und 200 Euro. Nur in wenigen Ausnahmefällen war der Einspruch laut Kirbach erfolgreich. Genaue Statistiken führe das Gericht nicht.

Viele Treffen mit mehr Personen als erlaubt

Präzise aufdröseln kann das Landratsamt aber, wie sich die 574 Ordnungswidrigkeiten nach konkreten Tatbeständen verteilen lassen. Mit großem Abstand, nämlich mit 392 Verfahren, führen die Fälle, bei denen sich Menschen mit mehreren Personen aus einem anderen Hausstand trafen, als jeweils gerade nach den Verordnungen erlaubt war. Die hohe Zahl erklärt sich daraus, dass in diesen Fällen alle Beteiligten einen Bußgeldbescheid ausgestellt bekommen. Weit abgeschlagen auf Platz zwei landet der Verstoß gegen den Mindestabstand mit 41 Fällen. Darauf folgen mit 40 Verfahren die Tatbestände, bei denen mehr Teilnehmer als erlaubt eine Veranstaltung besuchten. Verstöße gegen die Ausgangssperre rangieren mit 29 Fällen etwa im Mittelfeld.

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Überraschend selten kam es zu Verfahren wegen Verstößen gegen das Maskengebot. In nur 19 Fällen traf die Polizei Maskenverweigerer oder -Muffel völlig ohne eine Mund-Nase-Bedeckung an, sechs Mal mit einer Maske, die nicht den Anforderungen entsprach. Exoten mit jeweils einem Casus waren das Abhalten einer öffentlichen oder einer privaten Veranstaltung sowie der Betrieb einer Einrichtung trotz Verbot.

In einem Fall geht es um den Betrieb einer Disco

Ein Ende der Prozesse ist für das Amtsgericht momentan nicht absehbar. Stand 12. Februar 2021 waren 176 Fälle noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Unter den offenen Verfahren führt mit 59 Fällen der Verstoß gegen den Mindestabstand. Das Zusammentreffen mit zu vielen Personen rangiert diesmal auf Rang zwei (51 Ordnungswidrigkeiten). Platz drei besetzen Missachtungen der Ausgangssperre zwischen 20 und 5 Uhr. Neu dazu im Vergleich zu den abgeschlossenen Verfahren kam einmal der Betrieb einer Disco und – zu Silvester – zweimal das illegale Abbrennen eines Feuerwerks.

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In 62 der 176 Fälle haben die Betroffenen Einspruch gegen das Bußgeld eingelegt. Sie hoffen darauf, es vor Gericht der Betreiberin des Fellbacher Imbisses gleichzutun und ohne Strafe davonzukommen.