Diesen Anblick werden die Fans der New Englans Patriots sicherlich vermissen: Dont’a Hightower wird mindestens ein Jahr lang nicht auf dem Football-Feld stehen. Foto: imago images//Fred Kfoury

Die Corona-Pandemie geht auch an der US-Football-Profiliga NFL nicht spurlos vorbei. Einige Superstars verzichten freiwillig auf die Teilnahme an der kommenden Saison. Was hat dies für Auswirkungen?

New York - American Football ist in den USA eine Art Religion. Millionen von Kindern und Jugendlichen in den Vereinigten Staaten haben den Traum, später einmal in der Profiliga NFL zu spielen, der mit Abstand besten Liga der Welt. Nur für einen Bruchteil geht dieser Traum in Erfüllung. Doch auf einmal gibt es eine Welle von Spielern, die freiwillig auf die kommende NFL-Saison verzichten. Was normalerweise undenkbar ist, wird im Jahr 2020 Realität. Wie so viele Dinge in der heutigen Zeit, hat auch dieses Phänomen mit der Corona-Pandemie zu tun, die in den USA so hart um sich greift wie in wenig anderen Ländern.

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Die NFL-Verantwortlichen haben den Spielern der 32 Teams die Möglichkeit eingeräumt, von einer „Opt-out-Klausel“ Gebrauch zu machen, also aufgrund von Sicherheitsbedenken bezüglich des Virus in der kommenden Spielzeit nicht mitzuwirken. Die Frist hierfür ist am Donnerstag um 22 Uhr deutscher Zeit abgelaufen. Der Blick auf die Liste der Athleten, die freiwillig verzichten, dürfte der NFL nicht gefallen: 67 Spieler werden in der kommenden Saison nicht auf dem Feld stehen.

Eine solche Absagenflut hatten die Verantwortlichen offenbar nicht kommen sehen. Laut einigen Medienberichten versuchte die NFL im Laufe der Woche, die Frist nach vorne zu verlegen – und das, obwohl sich die Liga mit der Spielergewerkschaft NFLPA erst wenige Tage zuvor auf den Termin verständigt hatte. Das stieß bei den Spielern auf Unverständnis. „Ich denke, es ist ein Witz, dass die NFL die Opt-Out-Periode verändern will. Hauptsächlich, weil sie keine weiteren Spieler aussteigen sehen wollen. Ich bin mir sicher, dass sie schockiert sind, dass so viele auf die Saison verzichten wollen. Ich finde es schrecklich“, sagte zum Beispiel Devin McCourty von den New England Patriots.

Unmut in den sozialen Medien

Es ist ein Novum im US-Sport. Die große NFL bekommt die Auswirkungen von Covid-19 gnadenlos zu spüren. Es gibt kaum ein besseres Beispiel, um zu verdeutlichen, dass in Zeiten von Corona andere Dinge im Vordergrund stehen. Es geht um die Gesundheit, und nicht etwa um Ruhm und Erfolge – übrigens anscheinend auch nicht um Geld. Denn die Spieler, die auf die Saison verzichten, müssen große Gehaltseinbußen hinnehmen. Betroffene Akteure erhalten statt ihres normalen Salärs 150 000 Dollar von der NFL, Sportler mit erhöhtem Corona-Risiko – etwa aufgrund einer Asthma-, Diabetes- oder überstandenen Krebserkrankung – erhalten 350 000 Dollar. Das sind zwar immer noch stattliche Summen, im Vergleich zu den üblichen Millionengehältern in der NFL allerdings eher kleine Beträge. Zumal das Geld nicht geschenkt ist: Bei den Spielern mit geringem Risiko werden die 150 000 Dollar mit ihrem Gehalt für 2021 verrechnet.

Die Fans reagieren gemischt auf die Absagen ihrer Vorbilder. In den sozialen Netzwerken gibt es viele, die die Sinnhaftigkeit des Saisonverzichts in Frage stellen. Nach dem Motto: „Ihr seid Athleten, ihr gehört doch nicht zur Risikogruppe.“ Doch viele der betroffenen Spieler haben diese Entscheidung vor allem aus Rücksichtnahme auf ihre Familien getroffen. So zum Beispiel Dont’a Hightower, Defensiv-Anker der erfolgsverwöhnten Patriots. Hightowers Verlobte brachte am 16. Juli das erste gemeinsame Kind zur Welt, zudem leidet seine Mutter an Diabetes. Vor diesem Hintergrund stellte der Hüne das Wohl seiner Familie über den Sport und verzichtet damit auf knapp acht Millionen Dollar.

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Der Gehaltsverzicht der Stars hat enorme Auswirkungen auf die Kaderplanung der 32 Teams. Denn wie auch die anderen großen Sportligen, arbeitet die NFL mit einem sogenannten Salary Cap. Übersetzt heißt das, dass jedes Team eine gewisse Gehaltsobergrenze nicht überschreiten darf. Wenn hoch bezahlte Spieler wie Hightower auf ihre Teilnahme an der Saison und damit auch auf ihre Vergütung verzichten, steht ihren Teams das freigewordene Geld wieder zur Verfügung. Sprich: Sie können auf Einkaufstour gehen und gegebenenfalls ins Rennen um vertragslose Akteure einsteigen, für die ihnen zuvor der nötige finanzielle Spielraum gefehlt hat.

Dennoch: Es überwiegt der Schmerz über das Fehlen der Stars. Die Patriots müssen beispielsweise gleich acht teils wichtige Stützen ersetzen. Das erhöht wiederum die Chancen des gebürtigen Stuttgarters Jakob Johnson auf Einsatzzeiten bei New England. Es ist vielleicht der einzig positive Aspekt der Absagenflut: Jungen Spielern, die unter normalen Umständen kaum eine Chance auf einen Kaderplatz gehabt hätten, bietet sich nun die Möglichkeit auf den Sprung in die große NFL – sofern sie das angesichts der Corona-Pandemie derzeit überhaupt wollen.

Die prominentesten NFL-Spieler, die auf die kommende Saison verzichten, finden Sie in der Bildergalerie.