Eine Sitzung des Landtags live vor Ort miterleben? Das ist für Schulklassen seit Beginn der Corona-Pandemie nicht möglich. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Viele Schülerinnen und Schüler haben sich nach den Sommerferien gefreut, dass sie wieder Präsenzunterricht haben. Nach dem langen Lockdown stehen Exkursionen hoch im Kurs. Doch ein Besuch des Landtags scheidet aus. Warum eigentlich?

Stuttgart - Der Besuch des Landtags gehört für viele Schülerinnen und Schüler zur Schulzeit wie das Vesperbrot in der Großen Pause. In diesem Fall muss man freilich sagen: gehörte. Denn auch der politischen Bildung hat die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Seit dem 12. März 2020 haben Schulklassen im Landtag keinen Zutritt mehr. Das bestätigt auch Landtagspressesprecher Willi Reiners. Wer einen Besuch auf der Internetseite buchen will, der liest dort: „Leider sind aktuell keine Besuche vor Ort im Landtag möglich. Daher freuen wir uns, wenn Sie Ihre Klasse zu einem unserer digitalen Angebote anmelden. Wir erarbeiten momentan Möglichkeiten, auf Basis der aktuellen Corona-Verordnung des Landes wieder Schulklassen begrüßen zu können.“

Im Landtag ist es doch viel sicherer, oder?

Das ruft auch ein Hohn und Spott hervor. So hatte die Lehrerin Caro Blofeld in einem Interview mit unserer Zeitung neulich gesagt: „Wenn die Schulen jetzt sichere Orte sind, die keine Luftfilter brauchen, warum dürfen dann Schüler nicht in den Landtag, obwohl dort sogar Luftfilter installiert sind?“ Eine andere Lehrerin schrieb auf Twitter: „Dabei wären die Schüler*innen im Landtag viel sicherer als in ihren Klassenzimmern.“ Manch einer mutmaßt gar, dass die Politiker sich ein wenig Sorge machen um die hohen Inzidenzen bei den Schülern und lieber unter sich bleiben wollen.

Das Problem ist der Abstand

Fakt ist: die Schülerinnen und Schülern dürfen nicht in den Landtag rein. Doch warum ist das eigentlich so? Zumal ja auch in den Museen gerade wieder Besuche von Schulklassen möglich sind. Warum muss für die politschen Volksvertreter eine Extrawurst gebraten werden? „Um den Landtag unter den Bedingungen der Pandemie arbeitsfähig zu halten, gilt im Plenarsaal und in allen Sitzungssälen ein Abstandsgebot von 1,5 Meter“, sagt Landtagspressesprecher Willi Reiners. Um das Abstandsgebot einhalten zu können, platziere daher die Landtagsverwaltung auf der Basis eines Beschlusses des Landtagspräsidiums Mitglieder aller Fraktionen an Plenartagen auf der Besuchertribüne. Reiners ergänzt: „Leider steht die Besuchertribüne deshalb für Schülerinnen und Schüler an Plenartagen nicht zur Verfügung. Abseits der Plenartage finden nicht-öffentliche Fraktions- und Ausschusssitzungen in den großen Sitzungssälen und im Plenarsaal statt. Dadurch sind diese Räumlichkeiten nur sehr eingeschränkt für Besucherinnen und Besucher nutzbar.“

Digitale Angebote werden gut angenommen

Während Schülerinnen und Schüler noch draußen bleiben müssen, sind laut Reiners seit dem 5. Juli dieses Jahres Besuchsgruppen im Landtag wieder zugelassen, aber auch hier gelte: „Die begrenzten Raumkapazitäten, die sich aus dem Abstandsgebot ergeben, sind ein limitierender Faktor.“

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Analog ist noch tabu, aber es gibt digitale Angebote. Dieser würden sehr gut angekommen, sagt Reiners. Er ergänzt: „Manche Schulen bitten sogar darum, dieses Angebot weiterzuführen. Gerade Schulen, die weit von Stuttgart entfernt sind, können so mit wesentlich geringerem Aufwand ihren Schülerinnen und Schülern den Landtag lebendig nahebringen.“ In Zahlen heißt das seit dem Start der digitalen Besuchsformate im Oktober 2020: „Bisher wurden 117 digitale Programme durchgeführt. Rund 50 Prozent entfielen auf Schulklassen, die digital bei uns im Haus zu Gast waren“, sagt Reiners.

Noch ist offen, wann Lockerungen kommen

Schön und gut, doch den Besuch vor Ort können die digitalen Formate nur bedingt ersetzen. Ab wann dürfen den Schulklassen wieder die politischen Debatten in Stuttgart live miterleben? Reiners teilt dazu mit: „Der Landtag bedauert die Einschränkungen im Besuchsverkehr. Gerade Besuche von Schülerinnen und Schülern sind allen Abgeordneten sehr wichtig. Die Landtagsverwaltung prüft deshalb in Abstimmung mit den Fraktionen weitere Lockerungen im Besuchsverkehr auf der Basis der anstehenden neuen Corona-Verordnung.“

Man darf gespannt sein, wann dieser „Politik-Lockdown“ endet. Und wie war das noch einmal mit dem Schaden und dem Spott? Bis vor Kurzem konnte man unter der Rubrik „Besuch vom Landtag“ auf der Seite des Landtags noch lesen: „Anmeldungen sind derzeit nicht möglich. Zu Schuljahresbeginn werden wir Sie an dieser Stelle wieder über das Angebot informieren. Wir bitten um Verständnis.“ Welches Schuljahr da wohl gemeint ist, flachste da manch einer. Das ist jetzt geändert worden: „Coronabedingt sind Anmeldungen derzeit nicht möglich. Wir bitten um Verständnis“, heißt es jetzt dort. In der Sache ändert sich freilich wenig – aber immerhin kann man aus der Stellungnahme des Pressesprechers zwischen den Zeilen herauslesen, dass sich eigentlich viele darauf freuen, wenn durch Schulklassen endlich wieder Leben in den Landtag kommt.