Die Stadt Sindelfingen ist trauriger Spitzenreiter bei den aktiven Corona-Fällen im Landkreis Böblingen. Foto: factum/Simon Granville

139 aktive Corona-Fälle gibt es zurzeit in Sindelfingen. Und damit weitaus mehr als in den anderen Städten und Gemeinden im Kreis Böblingen. Woran liegt das?

Landkreis Böblingen - Wer auf der Webseite des Landratsamts Böblingen durch die Zahlen der zurzeit mit dem Coronavirus Infizierten scrollt, dem sticht die Zahl in Sindelfingen ins Auge: 139 aktive Corona-Fälle stehen da am Donnerstag in alarmierend rot leuchtender Schrift. Sindelfingen ist damit trauriger Spitzenreiter im Landkreis. Denn keine andere Stadt oder Gemeinde im Kreis Böblingen hat die 100er-Marke überschritten, beziehungsweise verzeichnet einen so hohen Wert prozentual auf die Einwohnerzahl gesehen. Sindelfingen steht da mit rund 64 000 Einwohnern bei 0,22 Prozent.

Sind Besuche und Urlaube in den Heimatländern eine Ursache?

Zum Vergleich: Die anderen Kreisstädte wie Böblingen (73 aktive Fälle) oder Herrenberg (26) liegen bei 0,15 beziehungsweise 0,08 Prozent. Sogar größere Städte außerhalb des Landkreises weisen zum Teil geringere Quoten auf: So leben in Ludwigsburg zwar knapp 30 000 Menschen mehr als in Sindelfingen, jedoch sind dort nur 84 Fälle bekannt, also 0,09 Prozent der rund 93 000 Einwohner. „Einen spezifischen Infektionsherd können wir derzeit nicht ausmachen“, teilte eine Sprecherin der Stadt Sindelfingen auf Nachfrage mit. Auch aus den zahlreichen Gesprächen, die die Stadt im Zuge der Kontaktkettenverfolgung führt, hätten sich keine Hinweise ergeben.

Sindelfingen hat einen hohen Anteil an Ausländern oder Menschen mit Migrationshintergrund – besonders aus den im Sommer größtenteils als Risikogebiete eingestuften Regionen Osteuropa, Balkan und Türkei. Darin vermutet ein Sprecher des Landratsamts Böblingen eine von mehreren Ursachen: „Diese Gruppe macht natürlich verstärkt Urlaub oder Familienbesuche in den Heimatländern.“ Und dadurch sei das Risiko, das Virus einzuschleppen, im Kreis Böblingen, aber besonders in Sindelfingen höher als anderswo. Er vermutet, dass diese Entwicklung in den Familienkreisen womöglich noch bis heute nachwirke.

Warum für den Kreis Böblingen noch keine Sperrstunde verhängt wurde

Insgesamt hat sich die Corona-Lage im Kreis Böblingen am Donnerstag wieder verschärft: Der Inzidenz-Wert, die Corona-Fälle der vergangenen sieben Tage pro 100 000 Einwohner, lag bei 72. Das Gesundheitsamt ist an seine Grenzen gelangt. Deshalb helfen von kommenden Montag an 30 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bei der Nachverfolgung von Infektionsketten und unterstützen das Gesundheitsamt dabei, die primären Kontakte einer infizierten Person zu informieren, was zu tun ist.

Eine Sperrstunde wie in Stuttgart wird aber vorerst nicht verhängt, wie das Landratsamt mitteilte: „Es bestehen noch rechtliche Fragen und es gibt aktuell keine Hinweise, dass ein erhöhtes Infektionsgeschehen von den Gaststätten ausgeht.“ Es sei aber nicht auszuschließen, dass in Zukunft im Kreis Böblingen eine Sperrstunde droht. Weiterhin gelte das Alkoholverkaufsverbot: „Fälle wie in Ischgl haben gezeigt, dass Leute, die bis in die Puppen mit viel Alkohol feiern, das Virus verbreiten“, begründete ein Sprecher die Maßnahme.