Die Konzertagentur Russ muss allein im November sieben Konzerte absagen – unter anderem auch den Klavierabend mit Kit Armstrong Foto: Jason Alden

Absagen, verschieben, abwarten. Das zweite Aus für Kulturveranstaltungen in diesem Jahr trifft Künstler und Veranstalter tief. Drei Stimmen aus der Musikbranche.

Stuttgart - Nein, überraschend kam der neue Kultur-Lockdown für Michaela Russ nicht. Dennoch trifft das coronabedingte Veranstaltungsverbot die Geschäftsführerin der SKS Russ tief. Das Konzert des WDR-Orchesters muss sie absagen, den Abend mit Sol Gabetta und der Camerata Salzburg, den Auftritt des Aris-Quartetts. Außerdem vier Klavierabende, darunter zwei Nachholkonzerte der vergangenen Saison. Wie lange das noch so gehen kann? Keine Ahnung – die Buchhaltung, die Genaueres sagen könnte, ist, wie alle Mitarbeiter der Agentur, in Kurzarbeit und am Donnerstag nicht da. Durch die Formalien und Fallstricke des Hilfsprogramms „Neustart Kultur“ hat sich ihr Vater, der Seniorchef Michael Russ, zwar eine Woche lang verbissen hindurchgearbeitet und dann finanzielle Unterstützung beantragt, „aber bis jetzt ist noch nichts hier angekommen“.

Markus Korselt, Intendant des Stuttgarter Kammerorchesters , hat im November zwei Tourneen streichen müssen, außerdem je ein Konzert in Freiburg, Stuttgart, Ehingen und Backnang. Sollte Österreich deutsche Musiker einreisen lassen, wäre immer hin ein Auftritt gesichert. „Unser Terminkalender im November war prall voll“, sagt Korselt. Eigentlich habe man in seiner Branche ja einen Planungsvorlauf von zwei bis drei Jahren – nun fielen auch die kurzfristig neu erdachten Projekte weg. Für das Kammerorchester bedeute dies einen sechsstelligen Gewinnausfall – „dennoch haben wir dieses Jahr so gemanagt, dass wir nicht grundsätzlich gefährdet sind“. Klar, man versuche, Projekte zu verschieben, aber eigentlich sei das Ensemble für 2021 bereits ausgebucht.

„Ausfallen“, sagt Matthias Mettmann, Geschäftsführer der Konzertagentur Chimperator und Betreiber des Klubs Im Wizemann, „kann in unseren Räumlichkeiten nichts, weil eh nichts stattgefunden hätte.“ Man warte dringend auf die neueste Corona-Verordnung des Landes, weil man zurzeit nicht genau wisse, ob man (nur) mit einem Veranstaltungsverbot oder doch mit einem Betriebsverbot zu rechnen habe – trete Letzteres ein, dann dürfe man auch die Dinge nicht mehr tun, die jetzt noch möglich seien wie etwa einen Fernsehdreh oder die „Kesselkirche“. „Wir befürchten“, sagt Mettmann, „ein hartes Betriebsverbot“. Als Veranstalter befinde man sich zurzeit in der „dritten Verschiebungswelle“ – „wobei in unserer Branche viele nicht einmal mehr an die Möglichkeit für große Konzerte im Jahr 2021 glauben“. Finanziell profitiere man zurzeit vor allem vom Kurzarbeitsgeld: Es sorge dafür, dass die persönliche Lage der Mitarbeiter „nicht mehr so existenzbedrohend“ sei.