Die leichten Lockerungen zeigen sich auch in Stuttgart – aber wie viel Lockerung geht nocht? Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Seit Wochen hat das Coronavirus das Land im Griff. Zwar sind kleine Läden wieder geöffnet, bald soll der Unterricht in Schulen wieder beginnen. Wenig Hoffnung wird auf mehr Lockerung gemacht.

Berlin - In der Corona-Krise haben Spitzenpolitiker Erwartungen an schnelle Lockerungen der massiven Beschränkungen gedämpft. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte vor Beratungen von Bund und Ländern in der kommenden Woche vor überstürzten Aktionen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb für Pragmatismus. Wirtschaftsbranchen geraten immer mehr unter Druck, und in den USA bemüht sich Präsident Donald Trump nach einer umstrittenen Therapieidee um Schadensbegrenzung.

Debatte um Lockerungen

Am kommenden Donnerstag (30. April) beraten Bund und Länder, wie es weitergehen soll in der Corona-Krise. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits deutlich gemacht, dass voraussichtlich erst am 6. Mai über weitere Lockerungen der Einschränkungen entschieden wird. Die Auswirkungen der am vergangenen Montag begonnenen Öffnung der Geschäfte könne man erst 14 Tage später abschätzen. Andere Lockerungen träten noch später in Kraft. Merkel hatte vor einem Rückfall gewarnt und eine zu forsche Umsetzung von Öffnungsbeschlüssen in Ländern kritisiert.

Söder schraubte die Erwartungen an das Gespräch am 30. April ebenfalls zurück. „Ich finde es gut, sich so oft wie möglich auszutauschen. Aber ich würde diesmal nicht allzu viel erwarten“, sagte der CSU-Chef in einem „Focus online“-Interview. „Es wäre sinnvoll, wenn wir nächsten Donnerstag ein Update machen, aber keine zusätzlichen überstürzten Aktionen einleiten.“

Lesen Sie hier: Senden die Lockerungen ein falsches Signal?

Spahn warb für pragmatische Lockerungen. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Partys oder Volksfeste bergen ein extrem hohes Risiko. Wer dagegen mit dem nötigen Abstand zu anderen in einem Geschäft einkaufen geht oder sich beim Sport im Fitnessstudio fit hält, sollte das tun können.“ Wichtig sei es, bei den nächsten Schritten mehr über allgemeine Kriterien als über Quadratmeter-Zahlen zu reden. „Je nachvollziehbarer die Regelungen sind, desto eher werden sie akzeptiert und gelebt.“

Kleinere und mittlere Geschäfte bis zu 800 Quadratmetern dürfen inzwischen unter Auflagen zum Gesundheitsschutz wieder öffnen - diese Regel war massiv kritisiert worden, zudem gibt es in Ländern unterschiedliche Regeln.

Schulen und Kitas

Schulen sollen ab Anfang Mai wieder schrittweise öffnen. Am Montag wollen die Kultusminister der Länder in einer Telefonkonferenz über möglichst einheitliche Vorkehrungen sprechen. Der Gesundheitsschutz habe „selbstverständlich oberste Priorität“, sagte die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Stefanie Hubig (SPD). Die KMK werde über ein Konzept abstimmen, über das Merkel und die Länderchefs dann beraten könnten.

Bei den Beratungen soll es auch um eine schrittweise Öffnung von Kindertagesstätten gehen. Die Familienminister der Länder erarbeiten derzeit einen Fahrplan, wie die federführende Hamburger Familiensenatorin Melanie Leonhard (SPD) der dpa sagte. „Wenn wir nicht wollen, dass die Eltern aus Verzweiflung irgendwann wieder die Kinder durch Großeltern und andere betreuen lassen, dann müssen wir dieses Thema jetzt intensiv abwägen“, sagte Leonhard. Ein konkretes Datum für eine Öffnung nannte sie nicht.

Neue Infektionen und Impfstoff

In Deutschland sind bis Samstagvormittag mehr als 152 400 Infektionen mit dem neuen Coronavirus registriert worden - am Freitagvormittag waren es mehr als 149 900 Infektionen. Mindestens 5461 mit dem Erreger Sars-CoV-2 Infizierte sind den Angaben zufolge bislang bundesweit gestorben.

Als zentral im Kampf gegen die Corona-Pandemie gilt ein Impfstoff, Forscher weltweit suchen fieberhaft danach. Spahn sagte, es werde so schnell keinen marktreifen Impfstoff geben. Sobald dieser vorliege, rechne er nur mit einer begrenzten Verfügbarkeit, ein Impfstoff werde zunächst nicht milliardenfach produziert. Zuerst geimpft werden sollten dann Risikogruppen und das medizinische Personal.

US-Präsident in Erklärungsnot

Donald Trump hatte Forscher ermuntert, Möglichkeiten zu prüfen, Menschen im Kampf gegen das Virus direkt Desinfektionsmittel zu spritzen. Das löste Empörung aus. Katastrophenschutzbehörden und ein Hersteller von Desinfektionsmittel sahen sich veranlasst, Bürger öffentlich davor zu warnen, solche Flüssigkeiten einzunehmen.

Am Freitag (Ortszeit) ruderte der US-Präsident zurück und mühte sich um Schadensbegrenzung. Trump sagte im Weißen Haus, die Äußerung sei nur „Sarkasmus“ gewesen. Er habe keineswegs die Bürger dazu aufrufen wollen, Desinfektionsmittel zu sich zu nehmen. Gemessen an absoluten Zahlen sind die USA international am schwersten von der Corona-Pandemie getroffen

Streit um Gutscheine bei Reiseabsagen

Die EU-Kommission erteilte Überlegungen der Bundesregierung eine Absage, dass Kunden bei abgesagten Reisen einen Gutschein bekommen statt Geld - um die Liquidität von Firmen zu sichern. Der zuständige EU-Kommissar Didier Reynders sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er sei sich der beispiellosen Krise für den Tourismussektor in Europa bewusst. Doch müssten Entscheidungen der Mitgliedstaaten mit EU-Recht übereinstimmen und in der EU koordiniert werden. Nach EU-Recht hätten Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptieren oder eine Erstattung bevorzugen.

Reisebusbetriebe fürchten um Existenz

Viele private Busbetriebe stehen mit dem Rücken zur Wand. Das Geschäft ist zum Erliegen gekommen, Fixkosten müssen weiter gezahlt werden. Andreas Scheuer (CSU) plant nun Nothilfen für die gebeutelte Busbranche. Wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr, soll damit eine Pleitewelle verhindert werden. Reisebusse könnten nicht mehr fahren, auch die Schülerbeförderung dürfte nur langsam wieder in Gang kommen.