.... wie hier in „Masterplan“ (2018) bekannt geworden. Foto: Frank Kleinbach/Schlichtenmaier

Malerei als Haltung – das ist Cordula Güdemann auch als Professorin an der Stuttgarter Akademie wichtig. Ihre Klasse ist Anlaufpunkt für junge Künstler aus aller Welt.

Stuttgart - Güdemann international – das ist ein Stempel, mit dem die Malerin Cordula Güdemann gut leben kann. Güdemann international – das beschreibt kurz und treffend das Selbstverständnis der Malerin als Professorin an der Kunstakademie Stuttgart.

Mit Güdemanns Antritt auf dem Weißenhof 1995 wird der Anspruch des globalisierten Denkens Realität. Vor allem für junge Künstlerinnen und Künstler aus Asien wird die Klasse Güdemann ein Tor zu neuen künstlerischen Aufbrüchen. „Die Studierenden aus dem Ausland“, summierte Güdemann einmal, „vor allem die, die aus einer ganz anderen Kultur kommen, nehmen viel auf sich, weil sie hier ihre künstlerische Arbeit weiterentwickeln wollen.“

Gelebte Interkultur

Mehr noch aber war und ist Güdemann (1955 im badischen Wehr geboren), die selbst in Karlsruhe und Düsseldorf studiert hat, an den Wechselwirkungen interessiert. Bis heute beobachtet sie „ein starkes interkulturelles Interesse in der Klasse“.

Studienfahrten vertiefen die gegenseitigen Eindrücke – es geht nach Moskau, St. Petersburg, nach Istanbul, nach Äthiopien und nach China. Natürlich steht da Interesse an der Kunst im Vordergrund. Beeindruckend aber bleibt für Güdemann und die Studierenden – darunter quer durch die Jahre Jungmin Ryu, Seunghee Hong, Tesfaye Geleta Urgessa, Jingfang Li und Yongchul Kim – vielleicht mehr noch dies: „der Alltag in seinen vielfältigen Erscheinungsformen“, der Alltag, wie er in „Politik, Architektur, sozialem Leben, Urbanistik, Stadtentwicklung und auch im puren Erleben von Landschaft“ spürbar wird.

Beobachter werden zu Mitstreitern

Cordula Güdemann spricht erwartungsvoll, fordert eine Reaktion, erwartet Einstiege, Kommentare. Leicht legt sie dann den Kopf zwischen die hochgezogenen Schultern.

Ist Erwartung auch Verteidigung? Fast immer ist Güdemann auf der Suche nach Schutz für die Kunst. Beobachter, so scheint es mitunter, existieren für sie nicht – wer Kunst begegnet, wird für Güdemann zum Mitstreiter. Vielleicht auch deshalb wird man Cordula Güdemann nie eine bloße Klage führen hören. Sie empört sich – über gesellschaftliche „Realitäten“ nicht weniger als über öffentlich finanzierte Kunstbühnen, die sich aus ihrer Sicht doch mehr und mehr aus der sie umgebenden Öffentlichkeit zurückziehen.

Zwischen den Stühlen

Zwischen den Stühlen – ist das Cordula Güdemanns Ort? Das wäre wohl zu einfach. Über ihre Anfänge sagt die Malerin: „Ich habe versucht, für existenzielle Themen wie Tod, Unfreiheit, Nähe und Distanz eine Bildsprache zu finden.“ Hier wird man eher ansetzen können. Wem es um Grundsätzliches geht, der kann Kompromisse nicht schätzen. Erst recht nicht in der eigenen Bildfindung.

Und so gehört dies folgerichtig zu Cordula Güdemann: sich in ein Thema, in eine Bildfindung hineinzustürzen, in Varianten alles herauszuholen, alles zu erkunden – mit dem Risiko, die Grenzbereiche einer Bildfindung nicht mehr in aller Schärfe abzustecken.

Humor gegen Macht

Zwei Herren im grauen beziehungsweise schwarzen Anzug durchschreiten betont selbstbewusst einen Gang im machtpolitischen Irgendwo, kurz drehen sie den Kopf zu den Kameras, lächeln. Doch das Lächeln gerät zur realen Maske.

Mit Humor, mit scharfer, aber nie auf bloße Entlarvung zielender Ironie wendet sich die Malerin Cordula Güdemann gegen Situationen, die Macht behaupten. „Zu spät“ ist das Bild der beiden Politprofis von 1997 betitelt – der Deal, so ahnen wir, ist schon gelaufen. Die Themen wechseln, die Lust auf die Umkehrung der Verhältnisse bleibt – in den Reihen „Autobilder“ (beginnend 1997), „Lucky Times“ (2003) oder auch „Cowboys“ (2004). Fast vorab bereits zieht Güdemann die Summe ihrer Machtanalysen: 1999 entstehen kopflose, aber schussbereite „Friedensengel“.

Abgrund Himmelblau

In den neuen Arbeiten Cordula Güdemanns, jüngst umfangreich in den Räumen der Galerie Schlichtenmaier in Grafenau vorgestellt – und dort aktuell beispielhaft im Rückblick auf 50 Jahre Galeriearbeit bis zum 25. Januar zu sehen (in den Stuttgarter Galerieräumen am Kleinen Schlossplatz bis einschließlich diesen Samstag, 18. Januar) –, verschlingt die Farbe alle Figuration. Ein wogendes Meer an Farbmaterie entsteht, alles Sein ist in Aufruhr. Spiegelt sich hier das Erleben derjenigen, die dem „Masterplan“ der durch wenige Damen ergänzten, immer noch grauen Herren unter einer auf die „Bilder aus der bewohnten Welt“ zurückverweisenden riesenhaften Güdemann-Maske nicht trauen?

Günter Baumann, Güdemann-Kenner der Galerie Schlichtenmaier, schreibt hierzu, es entstünden „irritierend schöne, seismografisch überwältigende, geheimnisvoll formwerdende Chiffren einer undurchdringbar gewordenen Welt, die sich anschickt, wieder in ein vorzivilisatorisches Chaos zu stürzen“. Und er ist überzeugt: „Dagegen malt Cordula Güdemann an.“

Die Lust am Konter im Bild selbst bleibt. Wie in „Vollmond Himmelblau“ (2018). Das verheißende Licht in und über dem rot bestimmten Farbmeer ist ebenso Sinnbild unserer ewigen Überhöhung des Erdbegleiters wie zugleich ein Schlund, der lockend Sicherheit verspricht und doch alle Sehnsüchte nach Schönheit in einen Abgrund stürzen lässt.