Autos im Stau: Abgase fördern den Klimawandel. Foto: imago/Gottfried Czepluch

An diesem Sonntag beginnt die 27. Weltklimakonferenz. Wie schätzen Wissenschaftler die Ausgangssituation ein – und was müsste geschehen, damit das Treffen zu einem Erfolg wird?

Die Auswirkungen der Coronapandemie, die Energiekrise als eine Folge des russischen Angriffskrieges: In den vergangenen Monaten sind der Klimawandel und dessen Bekämpfung weltweit in den Hintergrund gerückt. Entsprechend stehen die Staaten vor der 27. Klimakonferenz unter dem Dach der Vereinten Nationen, der COP27, bei den Klimaschutzmaßnahmen nicht gut da, sagt Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institutes in Köln.

Vor einem Jahr, in Glasgow, hatten die 193 teilnehmenden Staaten beschlossen, ihre nationalen Klimaziele für 2030 nachzuschärfen und noch 2022 einzureichen. Doch nur etwas mehr als 20 Staaten haben dies tatsächlich eingehalten. „Wir sind richtig weit weg von dem, wo wir eigentlich hinmüssen“, sagt der Professor für Klimaschutz mit Blick auf das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen. Mit den bisher eingereichten Klimazielen würden die Treibhausgasemissionen weltweit Höhne zufolge lediglich auf dem derzeitigen Niveau stabilisiert werden. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssten sie aber halbiert werden.

Flutkatastrophe in Pakistan als Beispiel

Dabei seien die Auswirkungen der Klimakrise überall deutlich spürbar, betont Höhne – und nennt die Flutkatastrophe in Pakistan als Beispiel. „Diese gravierenden Auswirkungen werden schlimmer werden – wir sind jetzt ja schon bei 1,2 Grad Erwärmung“, sagt Höhne. „Meine Hoffnung im Hinblick auf die Klimakonferenz ist, dass das Thema Klimakrise wieder an erste Stelle rückt.“

Diese Hoffnung äußert auch Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Zumal die derzeitige Energiekrise und die Klimakrise aus seiner Sicht nicht in Konkurrenz zueinander stehen müssten: „Mit dem massivem Ausbau der erneuerbaren Energien bekämpft man beide Krisen“, sagt er. Welchen Effekt etwa die Sorge vor einem Gasmangel längerfristig im Hinblick auf die Klimaziele haben werde, ist aus seiner Sicht noch „unentschieden“. Denn: Kurzfristig setzen viele Staaten zwar wieder stärker auf fossile Energie oder planen neue fossile Infrastrukturen. Anderseits aber investieren die Staaten zunehmend in erneuerbare Energien, wie auch die Internationale Energieagentur (IEA) vor wenigen Tagen in ihrem Jahresbericht feststellte.

Um den Umstieg auf erneuerbare Energien besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern zu beschleunigen, setzen etwa Deutschland und andere Geberländer zuletzt verstärkt auf bilaterale Partnerschaften oder die Zusammenarbeit in kleinen Gruppen von Staaten, etwa mit Südafrika. Diese Partnerschaften – Just Energy Transition Partnerships – hält Niklas Höhne für einen wichtigen Weg, um bei den Klimazielen voranzukommen: „Ich hoffe sehr, dass es hier während der Weltklimakonferenz noch zu weiteren Partnerschaften kommt“, sagt er. Im Gespräch dafür sind etwa das stark von Kohle abhängige Indien und Indonesien.

Niedrige Erwartungen

Diskutiert werden wird in diesem Jahr auch viel über Klimafinanzierung: Hier haben die Industriestaaten Zusagen über finanzielle Hilfen für ärmere, historisch aber nicht verantwortliche Staaten zum Klimaschutz und zur Anpassung in den vergangenen Jahren nicht eingehalten. Zudem dringen von den Folgen des Klimawandels stark betroffene Länder auf Unterstützung auch bei klimabedingten Schäden und Verlusten. Eine Einigung dazu dürfte aber schwierig werden, prognostizieren die Wissenschaftler.

Die zwei Forscher halten die Erwartungen an konkrete Ergebnisse der Konferenz niedrig. „Was die Konferenz leisten kann, ist, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu bringen“, sagt Obergassel. Zudem schaffe das Treffen „ein politisches Momentum, wenn Entscheidungsträger Rechenschaft ablegen müssen – und dabei unter Beobachtung der Öffentlichkeit stehen“.