Otto, wie er leibt und blödelt. Im Körbchen rechts warten derweil Ottifanten darauf, an die Kinder unter den Fans verteilt zu werden. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Seit Otto Waalkes medial nicht mehr omnipräsent ist, macht es wieder Spaß, seine Shows zu sehen. So auch am Dienstag und am Mittwoch in der Liederhalle, wo er mit seinem Programm „Holdrio Again!“ gastierte. Sogar Sid das Faultier und andere Tiere waren dabei.

Stuttgart - In einer Hamburger Wohngemeinschaft lebte er zusammen mit Marius Müller-Westernhagen und Udo Lindenberg. Glaubt man den Zeugenaussagen, war Otto im Haus trotzdem der Schlimmste, der Abgedrehteste. In seiner Geburtsstadt Emden hat man ihm zu Ehren ein Museum hingestellt, in dem Fans die ersten Bartstoppeln des Künstlers beäugen dürfen. Außerdem erschuf er den Ottifanten. Aber was soll man noch groß über einen wie Otto Waalkes erzählen? Man kennt den Mann, er blödelt ja schon seit über 50 Jahren auf der Bühne.

Dennoch war die Sitzkapazität des Beethoven-Saals am Dienstag erschöpft. „Holdrio Again!“ heißt Ottos jüngstes Programm, was wohl nicht zufälligerweise an Howard Carpendales „Hello Again!“ erinnert: Im Lauf der Jahre, ach, der Jahrzehnte schlich sich der Schlager immer weiter ins Programm des Ostfriesen. Das zumindest von gescheiten Feuilletonisten oft belächelte Genre spielt bei Ottos Gitarrensessions stets die erste Geige. Wie im Bierzelt müssen die Songs nur angestimmt werden, das Publikum kümmert sich um den Rest: Von Marmor, Stein und Eisen, vom Wahnsinn, in die Hölle, Hölle, Hölle geschickt zu werden und dergleichen mehr johlt die textsichere Menge. Arrangements wie „Wir haben Grund zum Feiern“ und „Friesenjung“ folgen später auch. Soweit alles wie immer, abgesehen davon, dass die Glatze immer mehr Raum greift, während die langen Haare immer weniger werden, was die bekannte Flügelmütze aber gut kaschiert.

Faultiere und Dichtergenies

Am bereits erwähnten Emdener Museum, dem „Otto Huus“, orientiert sich auch das aufwändige Bühnenbild. Aus den Dachziegeln lugt ein Ottifant, unten im Schaufenster stehen die Instrumente – eines davon ist eine Ottifanten-E-Gitarre, der Rüssel das Griffbrett. Rechterhand ragt ein Leuchtturm empor. Diesen betretend, avanciert der Komiker zum Puppenspieler: Das mit den „Ice Age“-Filmen zu Ruhm gekommene und von Otto synchronisierteFaultier Sid unterhält sich, na klar, mit einem Ottifanten: „Bilde mal einen Satz mit ‚Eidechse‘!“ – „Dir frier‘n die Füße ohne Schuh? / Ich sage dir: Eidechse zu!“ Nicht verstanden? Nochmal laut lesen!

Diese „Bilden Sie mal einen Satz mit“-Späße gehen auf den genialen Dichter und Humoristen Robert Gernhardt zurück, den Otto damit auf subtile Weise ehrt. Gernhardt hatte sich zu Lebzeiten nicht nur als Mitgründer des Satiremagazins Titanic hervorgetan, sondern auch als einer jener drei Herren, die gut 30 Jahre lang mit dem Blödelstar zusammen Ottos sämtliche Bühnen- und Fernsehprogramme entwickelten und maßgeblich zu deren Originalität und Qualität beitrugen. Waalkes hatte 1973 ein Gedicht Gernhardts als sein eigenes ausgegeben und ihn nach dem Bekanntwerden dieses, naja, Irrtums samt Bernd Eilert und Pit Knorr als Pointenschreiber engagiert. Eilert zeichnete zuletzt etwa auch für die Drehbücher der Ottoschen Märchenparodienreihe „7 Zwerge“ verantwortlich.

Gutes Geld für gute Komik

Im Falle des Handpuppenfaultiers Sid spricht der brillante Denker also aus dem Munde des kommerziell ausgeschlachteten Animationsfilmwesen – vielleicht ein Sinnbild: Otto vermarktete sich zwar stets gut und gern, aber eben nicht, wie heute bei zahlreichen Möchtegernprominenten zu beobachten, um der bloßen Vermarktung willen. Oder anders: Gute Komik verdient gutes Geld. Daran ist nichts verwerflich.

Das Schöne an Ottos Show indes: Man muss sich über das eben Erwähnte gar keine Gedanken machen, wenn man nicht gerade einen Zeitungsartikel verfassen will. Und noch schöner: Der 68-Jährige wirkt frischer als etwa auf den Aufzeichnungen der 50-Bühnenjahre-Otto-Gala von vor anderthalb Jahren. Seit er medial nicht mehr permanent in Erscheinung tritt, sorgen seine gängigen Gags auch wieder für echte Heiterkeit: Man kann den mannigfaltigen Variationen der „Hänsel und Gretel“-Geschichten wieder lauschen. Man kann sich für die Kinder freuen, die vor der Pause in Scharen an die Bühne rasen und mit etwas Glück einen Plüsch-Ottifanten einheimsen. Man kann prusten angesichts der Sprüche wie „Meinen ersten Kuss hatte ich erst mit 20 – davor habe ich immer nur rumgebumst!“. Und man kann sich schieflachen, wenn in „Ottos Bäckerei“ passend zum Weihnachtslied Eier, Mehl und Kohlköpfe geworfen werden und die erste Reihe in Gedanken schon die Waschmaschine anwirft. Dass „Du Otto!“ in manchen Jugendkreisen heutzutage als Beleidigung gilt – daran trägt dieser Otto keine Schuld.