Die Revue „Corteo“ bietet viele moderne Varianten klassischer Artistennummern. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Der Cirque du Soleil gastiert mit seiner nostalgisch-anspruchsvollen Show „Corteo“ in Stuttgart. Ein sterbender Clown lässt sein buntes Leben noch einmal Revue passieren.

Stuttgart - Heute, an seinem letzten Tag auf Erden, ist Clown Mauro ein König. Ein prachtvolles Portal umrahmt die Szene, auf der sein Sterbebett steht. Unterm Hallendach pendeln kostbare Riesenkronleuchter, in denen sich schöne Frauen wiegen. Alle Freunde des Clowns sind da, um ihm einen würdigen Abschied zu bereiten und sein pralles Zirkusleben Revue passieren zu lassen.

„Corteo“, deutsch „Umzug“, lautet der Titel der Show des Cirque du Soleil, der wenige Tage vor Weihnachten in der Porsche-Arena gastiert. Neu ist „Corteo“ nicht, Premiere feierte das aufwendig ausgestattete Zirkusevent schon im Jahr 2005 und war bis 2015 in einem Zelt zu sehen. Nach einer Frischzellenkur im Jahr 2018 tourt es nun durch Arenen.

„Romeo und Julia“ als Krawall

Sechzehn artistische Nummern sind in die Rahmenhandlung um den sterbenden Hanswurst eingebettet, darunter Jonglage, Schleuderbrett-Artistik, Leiter- und Luftakrobatik. Auch ästhetisch verweist die Inszenierung auf die Zirkustradition. Die schönen Kostüme entstammen Moden des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Besonders hübsch ist ein Miniaturbühnenkasten im Stil des Rokoko. Darin geben mehrere Clowns, darunter zwei Kleinwüchsige, eine wilde Krawallversion von „Romeo und Julia“.

Trotz dieser nostalgischen Anleihen sind die Darbietungen alles andere als historisch und werden dem Cirque Nouveau, dem Zirkus moderner Machart, zugerechnet: Auf die Mitwirkung von Tieren wird ganz verzichtet, der künstlerisch anspruchsvolle Eventcharakter betont. Das Publikum nimmt in Reihen vor und hinter der Drehbühne Platz, wodurch teils ungewohnte Perspektiven entstehen. Besonders in der turbulenten Exposition verliert man fast den Überblick, weil sich nicht nur Figuren am Boden um das Bett des Clowns scharen, sondern sich auch diverse Engel in der Vertikalen tummeln.

Dem Publikum ausgeliefert

Ein wenig befremdlich mutet die Darbietung der kleinwüchsigen Clownin Valentyna Pahlevanyan an, die an heliumgefüllten Ballons über dem Publikum schwebt. Sobald Pahlevanyan an Höhe verliert, geben die Zuschauer ihr durch Druck gegen die Füße neuen Auftrieb. Manche bekommen dabei nur eine Sohle zu fassen und bringen die Dame durch die ungleichmäßig ausgeübte Kraft ins Trudeln. Im Gegensatz zu ihren aktiven Kollegen aus der Clownerie, die etwa eine lustige Slapstick-Nummer mit Golfschläger präsentieren, hängt Valentyna Pahlevanyan sprichwörtlich in der Luft, passiv der Hilfe des Publikums ausgeliefert.

Beeindruckend dagegen die perfekte Reck-Choreografie oder der Tanz an einer teils frei in der Luft schwebenden Stange. Daniele Finzi Pasca und Line Tremblay, die kreativen Köpfe hinter der Inszenierung, haben eine Show geschaffen, die wie ein nostalgisches Pop-up-Bilderbuch funktioniert: Eben nichts wirklich Neues, aber doch etwas, das man immer wieder gerne anschaut.

Porsche-Arena, 20. und 21. Dezember 2019, je 16 und 20 Uhr, 22. Dezember 2019, 13 und 17 Uhr.