Christoph Waltz in Tim Burtons neuem Film „Big Eyes“ Foto: Verleih

In Tim Burtons „Big Eyes“ spielt Christoph Waltz einen Hochstapler. Im Interview formuliert er präzise und nuanciert, lässt sich die Worte wie Sachertorte auf der Zunge zergehen. Dabei ist er ausgesprochen höflich, sucht im Gespräch immer Augenkontakt. Gute alte Schule eben.

Herr Waltz, in „Big Eyes“ spielen Sie Walter Keane, einen Charismatiker, der die Bilder seiner Frau Margaret jahrelang als seine ausgab und sie als Massenkunst vermarktet hat. Eine wahre Geschichte . . .
. . . die mich überhaupt nicht interessiert. Ich habe in keiner Dokumentation mitgespielt, sondern in einem Drama, einem Film, der ein paar ausgesuchte Aspekte der conditio humana beleuchtet. Ich hasse diesen „Nach einer wahren Geschichte“-Nonsens. Der Walter Keane, den ich spiele, ist natürlich nicht der echte, der wirkliche Walter Keane. Der Walter Keane, den ich spiele, hat keine Wahl: Er wird nämlich von mir dargestellt. Er hängt voll und ganz von mir ab. Ich will nie wieder gefragt werden, ob ich die Person, die ich darzustellen habe, minutiös studiert hätte. Oder wie ich mich auf diese oder jene Rolle vorbereitet habe. Jede Rolle, die ich spiele, geht durch mich. Wird durch mich gefiltert. Natürlich hätte ich sie auch ganz anders spielen könnten. Wollte ich aber nicht. Deshalb habe ich sie so gespielt. Als Schauspieler – und übrigens auch als Mensch – muss man Entscheidungen treffen.
Sie haben mit Größen wie Quentin Tarantino, Roman Polanski, Terry Gilliam und Tim Burton gearbeitet. Gibt es etwas, was sie – bei allen Unterschiedlichkeiten – verbindet?
Sie alle kreieren Welten. Welten, die sich, wie Sie richtig sagen, sehr voneinander unterscheiden. Sie haben alle diesen starken, immer sichtbaren Drive. Zu echten Künstlern macht sie, dass sie Visionen haben, von denen sie angetrieben werden. Man fühlt immer, warum diese Menschen Künstler geworden sind. Integrität, Authentizität, Transzendenz sind da Schlüsselworte. Und bei Tim Burton fasziniert mich besonders, wie er sich in seinen Werken mit der Psychologie des Menschen befasst, mit den unterdrückten Ängsten, Begierden, Gefühlen . . . Wie jeder gute Regisseur ist auch er immer auf der Suche, auf einer ganz persönlichen künstlerischen Odyssee. Und sie alle benutzen das Medium Film, um sich auszudrücken, mitzuteilen, zu kommunizieren. Das macht es für mich so interessant. Für mich als Schauspieler ist es ein großes Glück, wenn ich per Anhalter für die Länge eines Films mitfahren kann.
Tim Burton meinte, es sei Ihnen einzigartig gelungen, Charisma und Düsternis der Rolle zu vereinen.
Das freut mich zu hören.
Terry Gilliam meinte, dass Sie immer alles ganz genau verstehen wollen. Und dass er das sehr österreichisch an Ihnen fand. Gibt es den „inneren Wiener“ in Ihnen?
Es kann sicher nicht abgestritten werden, dass wir alle sehr starke kulturelle Einfärbungen haben. Woher wir kommen, wo wir aufwuchsen und wie wir sozialisiert wurden, was für eine Sprache oder ein Idiom wir sprechen – all das sind natürlich sehr starke Prägungen, die unseren Charakter formen. Ich finde es hochinteressant, wie sich das bei jedem Einzelnen von uns mixt. Aber für mich steht diese Charakterprägung nicht unter einer nationalen Überschrift. Und ganz sicher sind für mich Staatsgrenzen nicht identisch mit den Grenzen des Denkens. Oder gar damit, wie man die Welt sieht. Aber sicher haben Sie recht: Ich stamme aus Wien – und dagegen kann ich nichts machen. Und will es auch nicht. Den Wienern wird sicher dieses und jenes nachgesagt, was man auch in manchen Zügen meines Charakters wiederfindet. Aber letztlich ist das für meine Arbeit irrelevant.