Christine Käferle ermutigt Unternehmer und Beschäftigte, die Unterstützungsmöglichkeiten der Arbeitsagentur zu nutzen. Foto: Stoppel

Als Christine Käferle vor rund einem Jahr als Leiterin bei der Agentur für Arbeit angetreten ist, herrschte nahezu Vollbeschäftigung im Rems-Murr-Kreis. Wie sich das und die Arbeit der Agentur verändert hat, berichtet die 56-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung.

Waiblingen - Vor knapp einem Jahr hat Christine Käferle den Vorsitz der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit von Jürgen Kurz übernommen. Jetzt ist sie die Chefin jener Behörde, bei der sie einst als Beraterin angefangen hat. Sie hat den Schritt nicht bereut – auch wenn sie auf manche Botschaft, die sie verkünden durfte, gerne verzichtet hätte.

Frau Käferle, als Sie vor einem Jahr bei der Arbeitsagentur angetreten sind, herrschte nahezu Vollbeschäftigung im Rems-Murr-Kreis. Ketzerisch gefragt: Haben Sie da überhaupt etwas zu tun gehabt?

(Lacht) Auch bei Vollbeschäftigung gibt es leider nicht nur Gewinner auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben unter anderem die Möglichkeiten genutzt, uns noch intensiver um jene Menschen zu kümmern, sie zu qualifizieren und trainieren und ihnen bessere Chancen für einen Berufsstart zu verschaffen.

Die tollen Arbeitsmarktzahlen haben sich ja dann auch gewandelt.

Ja, leider hatte ich die undankbare Aufgabe, immer schlechtere Quoten verkünden zu müssen. Als ich angetreten war, lag die Arbeitslosenquote im Rems-Murr-Kreis noch bei 2,9 Prozent, mittlerweile sind wir bei 3,6.

Muss man sich auf schlechte Zeiten einstellen?

Das lässt sich nicht einfach beantworten, weil so viele, auch globale Faktoren eine Rolle spielen: Der Handelskrieg zwischen den USA und China oder der Corona-Virus etwa. Klar ist, dass einige heimische Unternehmen mit den Herausforderungen der Digitalisierung und dem strukturellen Wandel zu kämpfen haben, und wir erleben in manchen Branchen durchaus eine Eintrübung der Konjunktur. Aber es war auch klar, dass der Boom nicht ewig so weitergehen konnte. Es gibt aber parallel auch Branchen, wie beispielsweise der Bau, Handel, Gesundheitsberufe und andere, die aktuell auch dringend Personal suchen.

Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeit der Arbeitsagentur?

Wir müssen uns natürlich wieder mehr auf unsere Vermittlungstätigkeit konzentrieren. Aber wir merken auch, dass viele Unternehmen bestrebt sind, ihre Fachkräfte zu halten.

Die Aufgabe der Arbeitsagentur ist aber nicht nur auf Arbeitsvermittlung beschränkt.

Nein, wir verstehen uns mittlerweile als lebenslanger Berufsbegleiter. Das Ziel ist, junge Menschen schon deutliche Zeit vor ihrer Schulentlassung auf ihre Berufswahl vorzubereiten und später auch im Job, etwa bei der Weiterqualifizierung, zu unterstützen.

Wie kommen Sie denn an die jungen Menschen ran?

Indem wir auf sie zugehen. Wir möchten in den oberen Klassen ein fester Bestandteil der Schule werden. Diesen Schritt haben wir an fünf Modellschulen bereits erfolgreich erprobt. Dort sind unsere Berater vor Ort und gut mit den Lehrern vernetzt.

Wie wird das angenommen?

Bis zur Sekundarstufe I funktioniert das schon sehr gut, an den Gymnasien sind wir noch nicht so weit, aber wir arbeiten dran.

Und die Weiterbildungsberatung im Erwachsenenbereich?

Ist sicherlich noch ausbaufähig, wenngleich wir da schon ein paar Jahre dran sind. Wir brauchen dafür natürlich auch eine entsprechende Aufgeschlossenheit.

Wie groß ist die bei den Arbeitgebern?

Je nach individueller Lage natürlich unterschiedlich. Aber wir empfehlen, gerade die Zeiten, in denen die Auftragsbücher vielleicht nicht so voll sind, zu nutzen, um Mitarbeiter fit für die Zukunft zu machen. Dass das gerade für kleinere Unternehmen nicht so einfach ist, wissen wir natürlich auch. Aber es gibt durch das Qualifizierungschancengesetz auch gute Möglichkeiten der Unterstützung. Allein für dieses Jahr stehen uns im Rems-Murr-Kreis 15 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Arbeitgeberverbände warnen vor einer erlahmenden Wirtschaft und fordern flexiblere Regelungen, etwa bei Kurzarbeitergeld und befristeten Arbeitsverträgen.

Solche Regelungen, die uns auch gut aus der Wirtschaftskrise 2009 heraus geholfen haben, werden voraussichtlich kommen. Allerdings sind wir da noch auf einem ganz anderen Niveau. Auch die Kurzarbeit wird noch nicht in so hohem Maße in Anspruch genommen, wie man meinen könnte.

Wie sieht es mit jenen aus, die schon länger arbeitslos sind?

Ihnen bietet das Teilhabechancengesetz neue Möglichkeiten. Langzeitarbeitslose können mit einem Lohnkostenzuschuss bis zu 100 Prozent und einem Coaching behutsam an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Bisher sind immerhin bereits 75 solcher Förderungen angelaufen.

So viel zur Arbeitsmarktpolitik – wie ist es Ihnen persönlich in Ihrem ersten Jahr als Chefin der Arbeitsagentur Waiblingen ergangen?

Das mit den schlechten Nachrichten hatten wir ja schon angesprochen, aber auch sonst war es durchaus ein wenig turbulent, weil sich hausintern viel verändert hat. Ich musste mich allerdings nicht erst mit den Gegebenheiten des Rems-Murr-Kreises bekannt machen, schließlich bin ich hier aufgewachsen und lebe hier. Sehr geholfen hat auch, dass man hier hervorragend in Netzwerken zusammenarbeitet, etwa in der Fachkräfteallianz. Ich bin von allen Partnern sehr offen aufgenommen worden.

Auch von den Mitarbeitern im Haus?

Absolut. Ich glaube, es war ein reibungsloser Übergang von meinem Vorgänger Jürgen Kurz. Wie ich angekommen bin, müssen Sie aber vielleicht besser meine Mitarbeiter fragen.

Was ist Ihre persönliche Handschrift, was würden Sie als Ihre Stärken bezeichnen?

Mir ist ein wertschätzender Umgang miteinander sehr wichtig und Transparenz. Ich habe für jeden immer eine offene Tür.

Bei der Arbeitsagentur Waiblingen – damals noch Arbeitsamt – schließt sich ihr persönlicher beruflicher Kreis. Hier haben Sie einst begonnen. Warum eigentlich?

Ich wollte mit und an Menschen arbeiten, aber keinen reinen sozialpädagogischen Beruf ergreifen.

Haben Sie diese Entscheidung dann je wieder bereut?

Nein, die Arbeit ist genau die richtige. Ich hätte mir vielleicht noch ein Psychologiestudium vorstellen können – aber das ginge ja auch noch nach der beruflichen Laufbahn.

Begeisterte Chefin und Skifahrerin

Agentur Christine Käferle hat den Vorsitz der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit vor knapp einem Jahr von Jürgen Kurz übernommen, der das Amt sieben Jahre lang inne hatte. In der Agentur für Arbeit sind 161 Mitarbeiter, im Jobcenter 284 beschäftigt.

Berufsweg Die 56-Jährige hatte ihren Berufsweg nach dem Studium an der Fachhochschule des Bunds für Verwaltung genau dort als Arbeitsberaterin begonnen. Zuletzt war sie als Geschäftsführerin in der Agentur für Arbeit in Stuttgart im operativen Bereich tätig.

Privat Käferle ist in Stuttgart geboren, in Fellbach aufgewachsen und wohnt in Waiblingen. Sie ist verheiratet und ist in ihrer Freizeit im Winter eine begeisterte Skifahrerin. Im Sommer tauscht sie das Sportgerät gegen ein Stand-Up-Paddle-Board.