Christian Wulff nimmt lukrative Tätigkeiten an, obwohl er vom Staat stattliche Bezüge erhält. Foto: dpa

Altbundespräsident Christian Wulff zieht wieder einmal Ärger auf sich. Seine Tätigkeit für eine türkische Modefirma hat eine Debatte um den Ehrensold für frühere Staatsoberhäupter ausgelöst. Die bisherigen Regelungen sind modernisierungsbedürftig, meint Matthias Schiermeyer.

Stuttgart - Es sei „eine helle Freude, wenn man immer noch jeden Tag danach sucht, dazu zu lernen“, hat Christian Wulff erst vor wenigen Wochen in einem Fernsehinterview gesagt. Er sei „ganz glücklich“ darüber, „dass ich dazu gelernt habe“. Im neueren Lichte betrachtet stellt sich jedoch die Frage, ob das frühere Staatsoberhaupt tatsächlich einen Erkenntnisgewinn aus den Ereignissen gezogen hat, die vor fünf Jahren zu seinem Rücktritt geführt haben. Denn seine geschäftsführende Tätigkeit für ein türkisches Modelabel verträgt sich in keiner Weise mit der Würde des Bundespräsidentenamtes.

Kein Verzicht auf den Ehrensold

Wulff war 51-jährig jung ins Präsidentenamt gekommen und hat mit nunmehr 58 Jahren noch einen bedeutenden Teil seiner beruflichen Tätigkeit vor sich. Wohl niemand erwartet von ihm, dass er sich schon jetzt zur Ruhe setzt. Wohl auch aus diesem Grund hat seine bereits 2014 aufgenommene freie Anwaltstätigkeit bisher keine große Aufregung ausgelöst. Dabei wirft schon diese Aufgabe Fragen auf: Inwieweit entwertet Wulff sein früheres Amt, wenn er sich vor Gericht auf Scharmützel um kleinteilige Rechtsfragen einlässt? Da Wulff vermutlich eher auf größere, lukrative Fälle aus ist, dürfte sein Gesamteinkommen den jährlichen Ehrensold von 236 000 Euro womöglich bereits übersteigen. Verzichten mag er dennoch nicht darauf.

Gute Beziehungen in die Türkei

Der Ehrensold mitsamt Büro und Dienstwagen dient dazu, dass sich ein früherer Bundespräsident von jeglichen Abhängigkeiten freimachen kann, um seine Erfahrungen auf der staatspolitischen Ebene einzubringen. Beispielsweise könnte Wulff, der den Islam einst als Teil Deutschlands bezeichnet hat, seine guten Beziehungen in die Türkei dazu nutzen, dass der Riss zwischen beiden Nationen nicht immer größer wird. Der Prokuristenjob für eine expandierende Modemarke aus Istanbul dient diesem Ziel nicht.

Wieder einmal lässt der Christdemokrat einen Instinkt für das akzeptable Maß vermissen. Damit bestätigt er im Nachhinein alle, die ihn Anfang 2012 – wenngleich in teils überzogener Art und Weise – aus Schloss Bellevue vertrieben haben. Vor Gericht wurde Wulff später zwar in einem Korruptionsprozess vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen, politisch hatte er seinen Kredit schon zum Rücktrittzeitpunkt verspielt.

Gesetzgeberischen Missstand offenbart

Auch jetzt ist es nicht illegal, was Wulff macht. Doch erneut reizt er die Grenzen des politisch Erträglichen aus. Womit dieser Fall noch einen zweiten schweren Missstand offenbart: Dass der Gesetzgeber es verpasst hat zu regeln, wie mit den Ruhebezügen von Ex-Präsidenten im Falle von weiteren Einnahmequellen aus der Privatwirtschaft umzugehen ist. Der neue Bundestag sollte diese Regelungslücke dringend schließen und alle weiteren Bezüge anrechnungsfähig machen.

„Ich finde Vorbilder extrem wichtig“, hat Wulff in dem genannten Interview geäußert. Politiker seien in vielerlei Hinsicht Vorbilder oder auch nicht. Er selbst bietet sich als solches gewiss nicht an. Vielmehr nährt Wulff das – ungerechtfertigte – Vorurteil, dass Politik vor allem dem persönlichen Wohlstand derjenigen dient, die sie betreiben. Damit schürt er Politikverdruss und Populismus, den er in seinen Reden doch vorgibt zu bekämpfen. Allen bisherigen Bundespräsidenten ist es mehr oder weniger gut gelungen, sich ihren Ruf als moralische Instanz nach dem Abschied vom Amt zu bewahren. Alle haben sich in Bescheidenheit geübt. Auch dies erklärt den hohen Beliebtheitsgrad der Staatsoberhäupter. Wulff bleibt folglich die unrühmliche Ausnahme, als die er schon während seiner verunglückten Amtszeit betrachtet werden musste.