Rückkehr nach Stuttgart: Christian Träsch (li., gegen Freiburgs Sebastian Kerk) Foto: dpa

Christian Träsch freut sich auf das Duell beim VfB Stuttgart, zu verschenken hat er mit dem VfL Wolfsburg gegen seinen ehemaligen Verein aber nichts. „Die Champions-League-Qualifikation wäre ein Zuckerl für uns“, sagt er.

- Herr Träsch, Glückwunsch zur deutschen Meisterschaft!
(Stutzt) Meister? Bayern München!? (Überlegt) Ach so, Sie meinen Ingolstadt!
Als gebürtiger Ingolstädter sind Sie doch bestimmt aus dem Häuschen, dass der ERC erstmals den Eishockeytitel gewonnen hat?
Ja! Das ist Wahnsinn, eine Sensation. Vor allem, weil Ingolstadt nur Neunter nach der Meisterschaftsrunde war.
Sie sind ja richtig euphorisch.
Na ja, Eishockey interessiert mich schon. In Wolfsburg habe ich vor kurzem die Play-off-Spiele der Grizzly Adams gegen Nürnberg mitverfolgt.
Wie nahe stehen Sie dem ERC?
Als ich zehn, elf Jahre alt war, hat mich mein Vater öfter mitgenommen. Ich hatte sogar ein Trikot mit der Unterschrift von Clayton Young, der Ingolstadt Ende der 90er Jahre in die Bundesliga geführt hat.
Seither hat Sie das Fieber gepackt?
Das wäre zu viel gesagt. Ich bin kein richtiger Eishockey-Fan, aber ich schaue das eine oder andere Spiel bei den Grizzly Adams gern an und freue mich auch für Ingolstadt.
Wie verbunden sind Sie Ihrer Heimatstadt?
Meine Frau und ich stammen aus Ingolstadt, unsere Freunde und Familien leben dort. Wir versuchen, sie so häufig wie möglich zu besuchen. Wobei das mit unserer kleinen Tochter (Tamina, knapp ein Jahr, Anm. d. Red.) nicht mehr so einfach ist.
Was bedeutet Heimat für Sie?
Heimat ist da, wo meine Wurzeln und meine Familie sind. In Wolfsburg fühlen wir uns sehr wohl. Stuttgart ist auch ein Stück Heimat für mich, aber mehr Nähe habe ich natürlich zu Ingolstadt.
Was brauchen Sie, um glücklich zu sein?
Meine Frau und meine Tochter. Wenn die beiden bei mir sind, ist alles gut.
Was darf bei Ihnen nie fehlen?
(Überlegt) Ich habe keine Rituale. Etwas Gescheites zum Essen vielleicht . . . (Lacht) Spätzle . . . Und meine Musik: Hip-Hop und R’n’B. Ohne die würde mir was abgehen.
Sind Sie im Mannschaftsbus der Discjockey?
Nein, da hört jeder seine Mucke. Nach den Spielen wird häufig etwas aufgelegt. Aber wir haben keinen Kabinen-DJ. Das geht reihum, wer Lust und Laune hat. Da legen auch mal unsere Brasilianer ihre Musik auf.
Womöglich ist Ihnen nach dem Spiel beim VfB die gute Laune vergangen. Mit welchen Gefühlen reisen Sie nach Stuttgart?
In Stuttgart habe ich viele Freunde. Mit Ulle ( Sven Ulreich, Anm. d. Red.), Gente ( Christian Gentner) und Georg (Niedermeier) telefoniere ich öfter mal, mit Ulle alle ein, zwei Wochen. Und ich freue mich, alte Bekannte von der Geschäftsstelle zu sehen. Ich habe mich in Stuttgart immer wohlgefühlt.
Woran erinnern Sie sich besonders gern?
An den Schlossplatz, auf dem man sich an sonnigen Tagen auf den Rasen legt und das Wetter genießt. Jetzt, wo ich daran denke, bringt das schöne Erinnerungen zurück.
Gar nicht schön ist diese Saison für den VfB. Wie haben Sie den Kampf gegen den Abstieg Ihres ehemaligen Vereins erlebt?
Ganz ehrlich, der VfB kostet mich in diesem Jahr einige Nerven. Ich leide sehr mit dem Verein und der Mannschaft, ich habe immer die Daumen gedrückt. Aber jetzt hat es der VfB ja geschafft.
Moment, mindestens ein Punkt fehlt noch.
Ach was, der VfB ist durch. Der Hamburger SV wird nicht mehr zweimal gewinnen.
Sie kennen das Gefühl, unten drinzustehen. 2011 haben Sie die Erfahrung mit dem VfB gemacht.
Deshalb konnte ich ja auch voll mitfühlen, wie es den Jungs ergeht. Wenn die Beine schwer werden und wenn jeder Pass zu einer Herausforderung wird, damit er auch ja beim Mitspieler ankommt.
Hat die Mannschaft nicht mehr Substanz?
Doch, bestimmt. Der VfB hat einen guten Kader und gute Einzelspieler. Im Laufe einer Saison wirken da plötzlich Mechanismen, die du nicht erklären kannst. Als Spieler hast du dann Angst, Fehler zu machen. Irgendwann traust du dir nichts mehr zu.
In welcher Verfassung erwarten Sie den VfB an diesem Samstag?
Der VfB wird sehr kompakt stehen, hinten wenig zulassen und nach vorn sein schnelles Umschaltspiel zur Geltung bringen wollen. Das müssen wir unterbinden.
Wolfsburg ist erstmals seit 2009 wieder für die Europa League qualifiziert, mit etwas Glück reicht es sogar in die Champions League.
Wir haben richtig Qualität in der Mannschaft. Dass wir international spielen, ist der Anspruch der ganzen Stadt. Die Champions-League-Qualifikation wäre ein Zuckerl obendrauf.
Zuletzt gab es nur ein 2:2 gegen den SC Freiburg. Sie haben zwei Gegentore mitverschuldet, ein Tor aufgelegt und einen Schuss auf der Linie gerettet. Verrückt, oder?
(Schmunzelt) Da war alles drin, stimmt. Im ersten Moment waren wir alle enttäuscht über den Punkt. Aber wer weiß, vielleicht wird er noch richtig wichtig.
Sie haben in Wolfsburg zwei Jahre Anlauf benötigt. In dieser Saison haben Sie sich beim VfL als rechter Verteidiger etabliert.
Es läuft ganz gut für mich. Dabei hat die Runde denkbar schlecht angefangen.
Erzählen Sie!
In der Vorbereitung in der Schweiz habe ich in einem Testspiel einen Schlag auf die Brust bekommen, danach hatte ich Herzrhythmusstörungen. Mein Puls lag permanent bei 180. Der ist einfach nicht hinuntergegangen. Da habe ich leicht Panik bekommen und bin in der Intensivstation gelandet. Nachts ist es mir dann zum Glück besser gegangen.
Leben Sie seither in Angst?
Nein, es war ein dummer Zufall, dass mein Gegenspieler mich genau an der Stelle getroffen hat. Aber ich weiß natürlich nicht, ob es nicht noch einmal so einen Zufall gibt.