Zweikampfstark: Christian Günter (re., gegen VfB-Spieler Chadrac Akolo) vom SC Freiburg. Foto: Baumann

Er ist das perfekte Sinnbild für den Weg des SC Freiburg. Verteidiger Christian Günter besticht durch Gradlinigkeit auf dem Rasen und hohe Sozialkompetenz außerhalb des Platzes. Das zeigte sich auch bei der Krankheit seiner Freundin.

Stuttgart/Freiburg - Julian Nagelsmann sprach ein bisschen in Rätseln, und hätte man vorher nicht gesehen, was, oder besser: wen der Trainer des TSG Hoffenheim da genau meinte – seine Ausführungen wären recht unergiebig gewesen. „Der SC Freiburg hatte einen sehr, sehr starken Schützen zurück in der ersten Elf“, sagte Nagelsmann also nach der vergangenen Partie im Breisgau – und nach der näheren Betrachtung des Spiels kam für diese Beurteilung nur ein Mann in Frage. Er hört auf den Namen Christian Günter, ist der Typ klassisches Freiburger Eigengewächs – und bereitete beide Tore des SC beim 2:4 gegen die TSG durch extrem scharf und präzise geschossene Ecken vor. An diesem Sonntag (18 Uhr) nun will Günter sein ganz besonderes Standardprogramm auch im Spiel beim VfB Stuttgart auf den Platz bringen – und den Gegner so mal wieder das Fürchten lehren.

Dauerrenner und Serientäter

Wenn man so will, ist Günter (25) mit seinen starken Hereingaben bei ruhenden Bällen ein echter Serientäter – was man auch sonst ganz gut über ihn behaupten kann. Denn der Linksverteidiger ist auf seiner Seite nicht nur ein Dauerrenner. Er ist auch der Dauerbrenner in Freiburg. In 63 Pflichtspielen des SC hintereinander stand, oder besser, rannte Günter die kompletten 90 Minuten auf dem Feld – bis der Rückrundenstart in diesem Jahr folgte. Der Abwehrmann fehlte in Frankfurt (1:3) aufgrund von muskulären Problemen. Gegen Hoffenheim dann machte Günter wie gewohnt wieder seine 90 Minuten voll – und startete damit womöglich die nächste Serie ohne jede Spielpause.

Dynamische Flankenläufe

Warum er nicht wegzudenken ist aus der Freiburger Startelf, liegt auf der Hand. Denn Günter kann nicht nur dauerhaft rennen, er kann vor allem auch schnell rennen. Seine dynamischen Flankenläufe, gerne auch mal aus der eignen Hälfte heraus, sind beim Gegner gefürchtet, hinten macht er seine Seite zudem meist verlässlich zu. Dazu kommen die starken Standards mit dem starken linken Fuß – woran Günter noch arbeiten muss, sind die technischen Mängel, die ihm bisweilen noch bei Flanken aus dem Spiel heraus Schwierigkeiten machen, seine Streuung ist manchmal noch zu hoch.

Lehrmeister Streich

Das weiß auch ein Mann, der den Abwehrmann so gut kennt wie kaum ein zweiter im Fußballgeschäft. Mit seinem aktuellen Coach Christian Streich arbeitet Günter schon seit Jugendzeiten zusammen, Streich war sein A-Jugendtrainer – und verhalf ihm schon dort zum Durchbruch. Günter kam im Jahr zuvor, im zweiten Jahr bei der B-Jugend des SC, kaum zum Zug. Es folgte der Sprung in die A-Jugend, wo Streich sein Trainer wurde. „Er war von mir überzeugt, das hat er mir von Anfang an gezeigt“, sagt Günter im Rückblick: „Plötzlich machte ich als Kerl aus dem jüngeren Jahrgang jedes Spiel.“

Als 13-Jähriger um SC

Auch bei den Profis setzt Streich konstant auf Günter, was angesichts seiner fußballerischen Vita kaum verwundert. Denn der gebürtige Tennenbronner ist so etwas wie das perfekte Sinnbild für den Freiburger Weg. Zwar war für Günter aufgrund seiner Herkunft im 65 Kilometer von Freiburg entfernten Tennenbronn kein Wohnplatz in der berühmten Freiburger Fußballschule frei, weil dort die Jugendlichen aus weiter entfernten Regionen einen Platz bekommen. Günter aber wechselte schon im Jahr 2006 als 13-Jähriger zum SC und saugte alles auf, was der ehemalige Leiter der Fußballschule und spätere Jugendtrainer Streich vorgab. Es war für Günter im gewissen Sinne ein leichtes, all das bei den Profis unter Streich umzusetzen, und Streich wiederum wusste immer, was er an Günter hat. Es ist das Idealbeispiel einer engen Verzahnung zwischen Jugend und Profis, es ist der Freiburger Weg mit einer einheitlichen Philosophie, den Günter perfekt verkörpert. Und ist es nicht übertrieben zu behaupten, dass dem Schwarzwälder Jungen mit dem südbadischen Dialekt in der Jugend des SC auch Sozialkompetenz mitgegeben wurde, die sich in seinem stets offenen und reflektierten Umgang zeigt.

Krankheit der Freundin als Schock

Wie empathisch Günter außerhalb des Platzes handeln kann, das wurde im Jahr 2015 für die breite Öffentlichkeit klar, als bei seiner Freundin Lymphknotenkrebs diagnostiziert wurde. Sie war 21 Jahre alt, Günter auch, die beiden waren erst seit wenigen Monaten zusammen. Der Schock kam aus dem Nichts, Chemotherapie, das ganze Programm. Und was machte Günter? Rasierte sich die Haare ab, aus Solidarität mit seiner Liebsten. Und er lernte fürs Leben.

Günters größer Sieg im Leben

„Es gab viele sehr schwierige Situationen, die sie meistern musste, die wir gemeinsam meistern mussten“, sagt Günter, „und es ist nicht selbstverständlich, dass unsere Beziehung diese Krankheit überstanden hat.“ Als der Arzt nach der Abschlussuntersuchung sagte, dass alles gut sei, war das vielleicht auch Günters größter Sieg im Leben. Heute sagt er, dass es „uns beiden“ super gehe. Was dazu führt, dass Christian Günter im allerbesten Sinne befreit aufspielen kann – am liebsten ohne jede Unterbrechung.