Die Vielfalt der Chorszene im Land: Das Stuttgarter Chorfest im Mai 2016 Foto: /Lichtgut/Leif Piechowski

Die Vielfalt der Chorszene in Baden-Württemberg ist herausragend – Die Verbände kümmern sich um die Arbeit im Detail

Stuttgart - Die Verbände der Fußballprofis haben es vorgemacht: Sie haben ein Konzept entwickelt, wie wieder Bundesliga-Fußball gespielt werden kann in Zeiten, in denen dies aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln eigentlich gar nicht möglich ist. Damit haben sie die Politik derart unter Druck gesetzt, dass seit Mitte Mai wieder Fußballspiele der Profis stattfinden, wenn auch unter Ausschluss des Publikums in den Stadien.

Ob dies nun der richtige Zeitpunkt ist, derartige Spiele anzusetzen, ob dies gesellschaftlich gesehen überhaupt jetzt das richtige Signal ist, darüber wird nun zu Recht debattiert. Aber unabhängig von dieser Diskussion zeigt das Beispiel auch: Stellt sich ein Verband mal richtig der Aufgabe, ein Konzept in diesen Pandemie-Zeiten zu erarbeiten, um wieder aktiv zu werden, und betreibt er dann noch eine entsprechende Lobby-Arbeit bei den politischen Gremien, ist manches möglich, was die derzeit geltenden Gesetze und Verordnungen eigentlich gar nicht vorgesehen haben.

Profis oder Nicht-Profis – das macht den Unterschied

Taugt das nicht als Vorbild für die bundesweit agierenden Chorverbände, die doch viele Mitglieder mehr hinter sich haben als die der Profifußballer? Eine nahe liegende Frage, doch genau der Begriff Profi macht den Unterschied. Wenn sich die Bundesliga-Kicker jetzt wieder in menschenleeren Stadien für Spiele begegnen, repräsentieren sie weder den Fußball in seiner Breite, noch den Sport an sich. Es ist eben die Sparte jener, für die der Fußball der Hauptberuf ist, rein zahlenmäßig eher eine kleine Truppe, auch wenn sie sehr öffentlichkeitswirksam auftritt.

Und so gibt es auch prominente Chöre mit Leuten, die da hauptberuflich singen. Aber es gibt noch viel mehr, die mit viel Engagement, aber vor allem mit viel Spaß und Freude, in der Gemeinschaft singen. Und das ist auch der Grund, weshalb Organisationen wie der Wilhelm-Hauff-Chorverband (WHCV) oder der Schwäbische Chorverband (SCV) nicht derart ins Rampenlicht treten.

Sorgen um die Vielfalt der Chorszene

Holger Frank Heimsch, der Leiter von Chormäleon, dem Chor der Dualen Hochschule, und beim WHCV Vorsitzender der Sängerjugend, beschreibt dies so: „Uns treibt vor allem die Sorge um, wie lange es unsere Chöre in dieser Form überhaupt noch geben wird.“ Profis entwickeln Konzepte zu Proben und kammermusikalischen Besetzungen für Videostreams. Heimsch: „Da kommen herausragende Ergebnisse raus. Das SWR-Vokalensemble hat diese Möglichkeiten und produziert ein virtuelles Kammerkonzert mit vier oder fünf Leuten, die geschickt im Funkstudio verteilt werden.“

Heimsch leitet auch einen Amateurchor in Pleidelsheim: „Da geht es noch um die Frage, ob und wie wir online zusammenkommen können.“ Da muss erörtert werden, wie die einzelnen überhaupt digital ausgestattet sind in ihren Wohnungen, da geht es darum, wie sie mit Rechner und Smartphone umgehen können. Und: „Da gibt es erfahrungsgemäß einige, die ganz grundsätzlich sagen: Da mache ich nicht mit. Unabhängig davon, ob sie nun zuhause digital gut vernetzt sind oder nicht.“

Manche machen prinzipiell nicht mit

Chöre sind eben auch Gemeinschaften, für viele eine Familie, wo der Austausch gepflegt wird, wo die regelmäßigen Treffen rot markierte Zeiten sind in den Kalendern. Die digitale Kommunikation ist da ein Ersthelfer, mit dem Vieles reguliert werden kann, aber fürs Miteinander taugt dies nicht. Dabei ist genau dies ein wichtiger Grund, weshalb Baden-Württemberg und der Raum Stuttgart so eine vielschichtige große Chorlandschaft haben.

Die persönliche Begegnung zählt

Untätig oder im Jammermodus bleiben die Verbände deshalb aber nicht: „Wir schauen, dass unsere Chöre möglichst gut vorbereitet sind für den Tag, wenn Auftritte wieder möglich sind. Aktuell hat der SCV ein Musterbeispiel für ein Hygienekonzept entwickelt, welches die Chöre auf ihre Örtlichkeiten anpassen können.“ Ganz ohne elektronische Kommunikation geht das freilich nicht. Aber manches Speichermedium kann ja auch noch physisch konkret bis an die Haustüre der Sangesfreundinnen und -freunde gebracht werden, verbunden mit einer persönlichen Aufmerksamkeit und einem Gespräch. Es sind eben auch die Lösungsmöglichkeiten im Kleinen, die Chorgemeinschaften am Leben erhalten, die nun auch für die Verbände interessant sind, um solche Empfehlungen weiterzuleiten. Zumal es ja auch vorsichtigere Naturen gibt: „Viele nehmen es lieber in Kauf, dass sie sich über einige Monate virtuell behelfen, als dass sie real ihre Gesundheit riskieren“, weiß Heimsch.

Und dann gibt es ja auch noch die Erfahrung, dass jüngere Jahrgänge meist virtuoser mit den virtuellen Kommunikationsmöglichkeiten umgehen. Gerade mit den Hochschul-Studenten von Chormäleon hat Heimsch viele positive Erfahrungen gemacht. Schon seit vielen Jahren geht da sehr viel bei denen, die viel pendeln zwischen Arbeitsplatz und Uni, die mobil und neugierig sind auf Präsentationsformen wie Flashmobs. Heimsch: „Da ist eher ein Problem, dass die Qualität des Netzes von Ort zu Ort verschieden ist.“ So bleibt für die Chöre und deren Verbände auch viel zu tun jenseits von Lobbyistenarbeit.