Es wird wieder gesungen – aber mit Abstand: Der Chor Young Voices Korntal probt bei schönem Wetter auf dem Hof der Teichwiesenschule Foto: factum/Jürgen Bach

Ob draußen oder drinnen: Die Chöre im Strohgäu sind heilfroh, dass sie wieder gemeinsam singen dürfen – wenngleich die pandemiebedingten Auflagen nicht ganz ohne sind. Gerade die Abstandsregeln führen bei vielen Chören zu einem Platzproblem.

Strohgäu - Die Vorfreude ist riesig: Nachdem der Chor Young Voices Korntal am 11. Juli die Proben wieder aufgenommen hat, wird dies der gemischte Stammchor am 6. Oktober tun. „Es ist ergreifend, wieder gemeinsam zu singen“, sagt die Vorsitzende Renate Gurka. Alle Mitglieder des Stammchors bedauerten sehr, dass sie bisweilen allein singen müssen. „Corona ist hart für uns.“ Doch viele Sänger seien 75 bis 85 Jahre alt. „Deshalb war es bisher nicht ratsam zu singen. Die Chorleute hatten auch ihre Bedenken, obwohl wir in unserem Chortreff im Haus der Feuerwehr die Abstände einhalten können“, sagt Renate Gurka.

Vorige Woche nun haben die Frauen – 14 kamen zum Treffen – aber beschlossen, auch wieder zu starten. „Wir müssen jetzt langsam anfangen. Mal sehen, wie die Probe ankommt und was daraus wird“, sagt Renate Gurka. Zuvor muss sie bei der Stadt Korntal-Münchingen ein Hygienekonzept einreichen. Es sieht vor, dass die Sänger mindestens zwei Meter Abstand zueinander halten und sechs Meter zum Dirigenten, weil sie ihn direkt ansingen, viel lüften, alles desinfizieren und genug Pausen einlegen. Eine Stunde lang werden die Frauen singen, danach sollen die sieben bis acht Männer proben. „So haben wir es ihnen vorgeschlagen“, sagt Gurka.

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Anders als der Nachwuchs verzichtete der Stammchor auf gemeinsame Online-Proben – nicht nur, weil es für viele Ältere technisch herausfordernd ist. „Das ist eine Möglichkeit zu singen, aber kein Ersatz. Selbst beim jungen Chor hat nur eine Handvoll mitgemacht“, sagt Gurka. Singen sei eben eine gemeinschaftliche Sache. Gleichwohl nehmen Gurka und weitere Sänger an virtuellen Chorproben teil, weil sie bei der Initiative „3. Oktober – Deutschland singt“ dabei sind. Da Korntal-Münchingen für eine lokale Veranstaltung zu wenige Teilnehmer hat, schließt sich der Korntaler Chor Leonberg an.

Gerlinger Gospelchor verbucht Einbußen

Im Freien auf dem Hof der Teichwiesenschule und in halber Besetzung mit zwölf Sängern probt bereits der Chor Young Voices. Beim ersten Treffen im Juli sei eine besondere Stimmung gewesen, berichtet ein Mitglied. Auch sei es erst mal ungewöhnlich gewesen, Abstand zu halten. Der Dirigent Christof Eßwein sieht darin aber auch einen Vorteil: „Die Sänger können die eigene Stimme sehr gut hören, die dadurch viel präsenter ist. Außerdem kann sich ein besonderes Bewusstsein für die eigene Singstimme entwickeln.“ Renate Gurka ergänzt: „Man muss konzentriert sein und lernt, anders zu singen.“ Unsichere Sänger könnten sich nicht mehr am Nachbarn „anlehnen“.

Das stellt auch Stefanie Wunder fest. „Man hört sich mehr als den Gesamtklang“, sagt die Leiterin des Gospelchors der Gerlinger Lukasgemeinde, Lukas Voices. Auch er probt seit Juli wieder. Zunächst tat er dies auf dem Kirchhof, nun steht er wieder in der Lukaskirche. 34 der mehr als 60 Sänger dürfen nur noch auf einmal rein. Wenn nach den Ferien mehr mitsingen, gibt es zwei Gruppen. „Die Proben und der Austausch danach tun uns richtig gut. Wir haben Spaß“, sagt Stefanie Wunder – auch wenn der Chor Einbußen bei Gesangstechnik, Rhythmus und Textsicherheit verbuche. „Es hat natürlich nicht jeder daheim für sich geprobt“, sagt Stefanie Wunder. Auch bei den virtuellen Proben über zehn Wochen – „eine Riesenherausforderung“ – habe nicht jeder mitgemacht. „Für die, die dabei waren, war es eine gute Erfahrung. Es hat uns durch die Zeit getragen, in der wir keinen treffen durften“, sagt Stefanie Wunder. Sie wolle alle Chöre ermutigen, wieder in die Proben einzusteigen. Gleichwohl ist sie sich bewusst, dass viele Ensembles ein Platzproblem haben.

Münchinger suchen geeignete Räume

Davon können die Chöre des Liederkranzes Münchingen, einer der ältesten Vereine im Ort, ein Lied singen. Man plane, im Oktober mit den Proben zu beginnen und kläre gerade, wo und wie sie stattfinden können, sagt die Vorsitzende Birgit Heinrich. „Wir vermissen nicht nur das Singen, sondern auch die Gemeinschaft, das regelmäßige Treffen und den persönlichen Austausch untereinander.“ Allerdings gestaltet es sich wohl schwierig, einen geeigneten Raum zu finden: Der Platz im Feuerwehrhaus reiche nicht aus, um mit allen Sängern proben zu können. „Einen größeren Raum zu mieten, würde auf Dauer unsere finanziellen Möglichkeiten sprengen“, sagt Birgit Heinrich, die von fehlenden Einnahmen von mehreren Tausend Euro für das gesamte Jahr 2020 spricht. Eine Option sei der Widdumhof. Dies wäre aber mit Kosten von etwa 1000 Euro im Monat verbunden.

Im Freien zu singen, stand beim Liederkranz zwar zur Debatte – wurde aber verworfen. Draußen habe man weder einen Flügel noch ein Klavier, sagt Birgit Heinrich. „Hinzu kommt, dass keine Akustik existiert, und der Klang sich verflüchtigt.“ Dennoch wolle man diese Alternative nochmals bei den Planungen mit einbeziehen.

Chorleiter: „Die Sänger geben sich mehr Mühe“

Auch in den Proberaum der Singgemeinschaft Hemmingen, der Musikraum der Grundschule, passen abstandsbedingt nicht mehr alle Sänger rein. Ohnehin sind Schulen für zahlreiche Aktivitäten noch tabu, was viele Chöre ebenfalls in Schwierigkeiten bringt. Die Hemminger haben Glück: Die Gemeinde überlässt ihnen einmal pro Woche kostenlos die Gemeinschaftshalle. Der Männerchor mit 20 Sängern könne dort komplett proben, „der Frauenchor wird geteilt“, sagt der Leiter Jonas Kronmüller. Das Interesse sei groß gewesen, im Juli wieder gemeinsam zu singen. „Man merkt schon, dass der Chor lange nicht gesungen hat. Aber wir proben auf nichts hin. Für uns steht im Fokus, ihn zusammenzuhalten“, sagt Jonas Kronmüller. Ihm fällt auf, dass sich die Sänger mehr Mühe als bisher geben: „Wegen des Abstands ist jeder selbst für seine Stimme verantwortlich und schaut viel mehr als sonst auf mich“, sagt Kronmüller.