In seiner Rolle als kleiner Tramp war er mal weltbekannt: Charlie Chaplin Foto: Roy Export

Früher kannte ihn jedes Kind, heute droht er, Bildungsgut für wenige zu werden: Charlie Chaplin. Ein langer Abend bei Arte zeigt, dass die alten Werke des Meisters noch immer unmittelbar anpacken und lachen lassen – auch ohne Filmstudium.

Stuttgart - Es gibt einige Filmstars, die man rund um den Planeten kennt. Aber nur von Charlie Chaplin lässt sich ohne Anflug von Wahnvorstellung dieser Satz sagen: Er sei einmal der bekannteste Mensch der Welt gewesen. Diesen Fakt führt noch einmal Dominik Wesselys Dokumentarfilm „Charlie Chaplin - Der Komponist“ vor Augen, der an diesem Donnerstag ab 22.50 Uhr als Finale eines Chaplin-Abends bei Arte zu sehen ist.

Der geniale Komiker und ideenreiche Kinoinnovator konnte keine Noten lesen und spielte nach Aussagen unglücklicher Ohrenzeugen miserabel Cello. Trotzdem komponierte Chaplin in anstrengender Zusammenarbeit mit Musikern, denen er zu erklären versuchte, was ihm durch den Kopf ging, die Soundtracks seiner Filme.

Abgelöst von Adolf Hitler

Was dabei herauskam, ist großartige, wirkmächtige, inhaltliche Positionen entwickelnde Filmmusik, für die er zu Recht auch einen Oscar bekam. Wessely, der an der Filmakademie in Ludwigsburg studiert hat und mit der Staubsaugervertreter-Doku „Die Blume der Hausfrau“ bekannt wurde, hebt diese oft übersehene Seite Chaplins zwar hervor. In nicht einmal einer Stunde gibt sein Porträt aber einen prägnanten Abriss des gesamten Lebens, der Leistungen und Kämpfe dieses Mannes. Auch wenn keine Zeit bleibt, länger über die gruseligen Seiten dieser Karriere nachzudenken. Etwa darüber, dass der Komiker Chaplin in den 30er Jahren als bekanntester Mann der Welt von jenem Massenmörder abgelöst wurde, den er in „Der große Diktator“ (1940) selbst so unheimlich gut erfasste, bloßstellte und weiterdachte: von Adolf Hitler.

Drei Jahrzehnte lang hat Chaplin die Figur des Tramps genutzt und verfeinert, hat den Außenseiter gespielt, der neben der Gesellschaft herlief und um Brot, Liebe und Würde kämpfte. Aus dieser Phase zeigt Arte ab 20.15 Uhr „Der Zirkus“ von 1928, in dem der Tramp noch einmal einem ganzen System der Unbürgerlichkeit, beim Überleben hilft. Um 21.25 Uhr läuft dann „Lichter der Großstadt“, der letzte große Tramp-Film, der nach mehreren Jahren Arbeit 1931 fertig wurde. Der Tramp gewinnt hier die Liebe einer blinden Frau – in Umkehrung der bitteren Wahrheit, dass die sehende Gesellschaft sich bemüht, ihn nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen. In „Modern Times“ wird der Tramp dann schon vom Außenseiter zum Industriearbeiter, wird eingezogen von der Maschine und soll normiert – oder zermalmt – werden. Chaplins Held kann sich noch einmal freikämpfen, aber man ahnt, dass das fast nur noch im Kino geht. 1952 hat man den Briten Chaplin dann, Ironie des Schicksals, als vermeintlichen Kommunisten aus den USA hinausgeworfen.

Ausstrahlung: Arte, 2. Januar, ab 20.15 Uhr