Die neue Heimat der chaldäischen Gemeinde: die St. Paulus-Kirche in Rohrbach Foto: Horst Rudel

Der seit zwei Jahren verwaisten St. Paulus-Kirche in Rohracker wird neues Leben eingehaucht: Die chaldäischen Christen in Stuttgart ziehen ein. Am zweiten Adventssonntag feiern sie dort den ersten Gottesdienst.

Stuttgart - Der Pfarrer der chaldäischen Gemeinde freut sich: Er zieht mit seinen Schäfchen um. Sie werden die ersten Chaldäer in Stuttgart sein, die sich ihre Kirche mit niemandem teilen müssen. Kurz vor Weihnachten ist die Freude bei Pfarrer Sizar Happe besonders groß. „Vergangenes Jahr kamen an Weihnachten 550 Gläubige zum Gottesdienst“, sagt er. „Wir mussten Stühle direkt neben dem Altar aufstellen, damit jeder einen Platz findet.“

In Stuttgart leben rund 750 chaldäische Christen – fast alle von ihnen Flüchtlinge aus dem Irak. Nimmt man die Region dazu, sind es sogar fast doppelt so viele. Die gesamte Diözese Stuttgart-Rottenburg zählt rund 3000 Chaldäer. Stuttgart ist ihr Mittelpunkt in Baden-Württemberg. Steht ein großes Fest, wie die Gemeinde-Tagung an, kommen schon einmal 1500 Gläubige zusammen.

Bisher feierte die chaldäische Gemeinde „Mar Schimon Bar Sabai“ den Gottesdienst in der Botnanger St. Clemens-Kirche. Sie bietet rund 180 Personen Platz. „Das ist zu wenig“, erklärt Pfarrer Happe, dessen Seelsorgegebiet bis nach Mainz reicht. Das neue Gotteshaus der irakischen Christen ist geräumiger: In die Pauluskirche in Rohracker passen bis zu 430 Menschen.

Doch nicht nur das findet Pfarrer Happe schön. „Die Kirche in Botnang mussten wir uns mit den deutschen Gemeinden teilen“, sagt er. „Oft war es problematisch, die Nutzung der Räume zeitlich aufzuteilen.“ Nun kann die Gemeinde den Zeitplan für ihre Frauen-, Jugend- und Kommunionsgruppen frei einteilen. Denn auch den Kindergarten und die Gemeinderäume von St. Paulus können die Chaldäer in Zukunft nutzen.

Der neue Treffpunkt sei wichtig für seine Gemeinde, betont Happe. „Die Chaldäer sind ein sehr gläubiges Volk“, sagt er. „Hier in Stuttgart kommen sie aber nicht nur als Gläubige, sondern auch als Flüchtlinge zusammen. Für sie ist es schön, sich zu begegnen und gemeinsam feiern zu können.“

Den Raum dafür stellen ihnen die katholischen Gemeinden der Neckarvororte, die Seelsorgeeinheit St. Urban, zur Verfügung. Die Nutzungskosten übernimmt die Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Das ist kein spektakulärer Betrag“, sagt Uwe Renz von der Diözese. „Für die Chaldäer wäre er aber nicht zumutbar – er würde ihre Möglichkeiten sprengen.“ Dass gerade die Pauluskirche zur neuen Heimat der chaldäischen Gemeinde werde, habe sich geschickt ergeben, so Renz: „Die Kirche wurde 2012 stillgelegt. Nun wird sie einem schönen Zweck zugeführt.“ Auch Diözesen-Bischof Gebhard Fürst begrüßt die Entscheidung. „Ich freue mich, dass die chaldäischen Mitchristen in Stuttgart einen Ort bekommen, an dem sie ihre Liturgie feiern und ihr Gemeindeleben gestalten können“, sagt er zu dem Umzug der irakischen Christen nach Rohrbach. Mit ihm wolle die Diözese die Chaldäer darin unterstützen, nach den bitteren Erfahrungen von Verfolgung und Entwurzelung wieder eine Heimat zu erleben, so der Bischof weiter.

Und genau das – eine geistliche Heimat – sollen die Christen aus dem Irak in der St. Paulus-Kirche finden. Denn in Botnang waren sie nur Gast. „Man muss sich das so vorstellen: So, wie Sie Ihr Wohnzimmer anders einrichten würden als ich, so verhält es sich mit den Chaldäern“, sagt Renz. „Die chaldäisch-katholische Kirche hat eine östliche Liturgie mit anderen Riten und Kultgegenständen. In Rohrbach können sie sich endlich so einrichten, wie es ihnen gefällt.“

Der erste Gottesdienst der Gemeinde findet am 7. Dezember um 16 Uhr statt. Pfarrer Sizar Happe wird ihn leiten. Der Gottesdienst ist aber nicht das einzig Neue an dem Tag. Ab erstem Advent gilt ein neuer Ritus für die gesamte chaldäisch-katholische Kirche. Am 7. Dezember werden die Stuttgarter Chaldäer diesen zum ersten Mal feiern. Dazu lädt Pfarrer Happe die deutschen Mitbürger ein. „Wir haben Übersetzungen für die aramäischen Liedtexte vorbereitet“, sagt er. „Und nach dem Gottesdienst bieten wir ein Essen an: Dolma, also gefüllte Weinblätter, und chaldäische Weihnachtssüßigkeiten.“