Wertekonservative Innenpolitikerin: CDU-Landesvorstandsmitglied Birgül Akpinar: Foto: Leif Piechowski

Birgül Akpinar ist die einzige Migranten-Vertreterin im CDU-Landesvorstand. In Zeiten, in denen das Thema Integration den Menschen auf den Nägeln brennt, lebt sie Integration vor.

Stuttgart - Birgül Akpinar steht im Saal des Geislinger Kulturzentrums Rätsche. Gut eine Stunde lang hat die CDU-Vorständlerin erklärt und erläutert. Ein wahres Energiebündel, beschreibt sie stolz und strahlend das Glück, mitsamt ihrer Familie Teil einer offenen und toleranten Gesellschaft zu sein. „Wir können in unserem Land in Freiheit leben. Dafür lohnt es auch, sich einzusetzen.“

Dabei ist ihr Thema an diesem Abend alles andere als leicht bekömmlich oder gar erbaulich. Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe „Islam, wohin?“ spricht sie über die Islamverbände im Land. Damit kennt sich die 42-Jährige bestens aus. Integrations- und Sicherheitspolitik gehören seit Jahren zu den Schwerpunkten ihrer Parteiarbeit. Sie leitet das Netzwerk Integration in der Südwest-CDU, sitzt seit 2013 als erste und einzige Vertreterin mit Migrationshintergrund im CDU-Landesvorstand.

Für die Zuhörer hat sie eine schlechte und eine gute Nachricht parat. Die schlechte: „Keine der muslimischen Organisationen in Deutschland ist politisch neutral, sie stehen immer für eine bestimmte Strömung und hängen am Tropf des Herkunftslandes.“ Dann die gute: „80 Prozent der hier lebenden Muslime werden von den konservativen Verbänden gar nicht vertreten.“ Vor allem diesen Menschen sollte sich die Politik zuwenden, und nicht umstrittenen Gruppierungen wie Ditib, Milli Görüs oder dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), fordert sie mit Nachdruck.

Zähe Ausdauernatur

Akpinar ist eine zähe Ausdauernatur. Viele Dinge im Leben musste sie sich hart erkämpfen: Als Einjährige kam sie mit ihren Eltern und Geschwistern aus Erzincan in Ostanatolien nach Filderstadt. Der Vater arbeitete jahrzehntelang im Bosch-Werk in Leinfelden-Echterdingen. Die Filder sind zur Heimat geworden. Dort ging sie zur Schule, dort lebt sie und zieht die beiden Töchter groß. Ihr Mann hilft bei der Organisation des Alltags, wenn sie Familienzeit in die Politik steckt. Bis auf den Vater sind alle Familienmitglieder längst deutsche Staatsbürger, besitzen nur den deutschen Pass.

Immer wieder überwindet sie als Erste in ihrer Familie kulturelle und soziale Barrieren. So bewirbt sie sich nach der Schule um eine Ausbildung zur Verwaltungsangestellten bei der Bundeswehr. Als Aufnahmetest schreibt sie einen Aufsatz unter dem Titel: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“ Mit verschmitztem Lächeln erzählt sie: „Dabei war ich zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Deutsche.“ Die Familie war zunächst alarmiert: die junge Tochter als einzige türkischstämmige Frau in einer Männerdomäne. „Doch meine Erfahrungen bei der Bundeswehr waren fast durchweg positiv“, sagt Akpinar und betont vor allem ihre Chance zu weiterer Bildung. Seit 2008 arbeitet sie beim Land.

Den Weg in die Politik findet sie über die Gewerkschaft beim Verband der Arbeitnehmer der Bundeswehr (VAB). Ende der 90er wird sie zum ersten türkischstämmigen Mitglied in den VAB-Bundesvorstand gewählt. Zu den Christdemokraten führt ihr Weg über die Junge Union und den CDU-Stadtverband Filderstadt. Längst hat ihre Stimme in der Südwest-CDU Gewicht. Sie hält das Kopftuch im öffentlichen Dienst weiter für äußerst problematisch – trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das 2015 das pauschale Verbot bei Lehrerinnen verwarf. Bei den grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen im Frühjahr 2016 hat sie mitverhandelt und dort insbesondere beim Abschnitt zur Gefahrenabwehr von religiösem und politischem Extremismus durchgesetzt, dass die Landesregierung die Finanzierung extremistischer Organisationen aus dem Ausland genauer überprüfen will.

Deutschland Ort der Befreiuung

„Ich weiß es sehr zu schätzen, dass sich Birgül Akpinar mit ihrem ganzen Sachverstand so engagiert einbringt“, meint Steffen Bilger, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Ludwigsburg und Chef des CDU-Bezirks Nordwürttemberg, der ihre neuerliche Kandidatur für den Landesvorstand beim anstehenden Parteitag am Freitag und Samstag in Weingarten (Kreis Ravensburg) unterstützt. Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz (CDU) aus Leonberg ergänzt: Akpinar sei „seit etlichen Jahren die erste Ansprechpartnerin, wenn es um Fragen zum Islam, zu Migrantenverbänden und zur Integration geht“. Akpinar ist eine wertekonservative Innenpolitikerin durch und durch und dabei patriotischer als so mancher gebürtiger Deutsche. Etwa wenn sie betont, „unser deutsches Rechts-, Demokratie- und Staatsverständnis ist auch für Migranten nicht verhandelbar“. Und: „Für mich gehören innere Sicherheit und Integration zusammen.“

Akpinars starke Hinwendung zu Deutschland erklärt sich auch daraus, dass sie dem alevitischen Glauben angehört, und damit einer bis heute in der überwiegend sunnitisch geprägten Türkei nicht anerkannten Minderheit. Aleviten kennen keine Geschlechtertrennung, gehen nicht in die Moschee und fasten auch nicht, berichtet Akpinar. In der Türkei daher immer wieder verleumdet, kümmerte das in Deutschland niemanden. Für ihre Familie wirkte das wie eine große Befreiung. Natürlich hat sie auch Ausgrenzung und Diskriminierung erlebt, sich davon aber nie entmutigen lassen. Deshalb lehnt sie auch die Opferrolle ab, die die Islamverbände nur allzu gerne für sich politisch zu nutzen versuchen.

Die religiös-nationalistische Politik des türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan verfolgt sie mit Sorge. Er spalte die Gesellschaft in der Türkei und die Deutschtürken hierzulande. Das gefällt ihr ganz und gar nicht. Sieht sie doch ihren Lebensweg als Beleg dafür, dass in Deutschland dazugehört, wer dies möchte und die Regeln beachtet.