Keine Angst vorm Zahnweh! Die Stuttgarter Band Karies Foto: Sunnyi Löhmann/This Charming Man

Die Stuttgarter Band Karies stürzt sich auf ihrem dritten Album „Alice“ kunterbunt-missvergnügt in Zicke-Zacke-Postpunk-Nummern und verstörenden Albtraumpop. Im November geht es auf Tournee. Finale ist dann am 17. November im Esslinger Komma. Wo auch sonst?

Stuttgart - Karies sind ein nicht unerheblicher Teil des Stuttgarter Noiserock-Punk-Postrock-Wunders. Wie Die Nerven oder Human Abfall haben sie mit ihren ersten Platten „Seid umschlungen Millionen“ und „Es geht sich aus“ dafür gesorgt, dass plötzlich auch Berliner Indie-Hipster Stuttgart für cool halten. Jetzt ist das dritte Karies-Album namens „Alice“ raus – und es schreibt diese etwas andere Erfolgsgeschichte störrisch weiter.

„Alice“ ist eine herrlich überspannte, daueraufgeregte Platte, die die Räume zwischen Noiserock und Dreampop mit düster-markanter Stabreim-Poesie erkundet. Man begegnet in den Liedern Menschen, die in der Dunkelheit duch den Wald oder über Nebenstraßen irren, trifft überall auf Zerfall, auf Untergangsszenarien, verheddert sich in Geschichten, die nervös vom Auf- und Zusammenbruch erzählen. Max Rieger von Die Nerven hat das Album produziert und gemischt, Ralv Milberg hat gemastert. Die üblichen Verdächtigen also.

Alice irrt nicht durchs Wunderland, sondern duch Klangschleifen

Mit einem übermütigen Bass, einer verhallten Gitarre, einem zackiges Schlagzeug und der Geschichte von „Holly“, die allein im Wald steht, beginnt das Album. „Pebbo“ reimt Upper Class auf Zwischengas und erinnert spätestens im Nimmersatt-Refrain („Hast du was? Gibt mir was! Gibt mir alles, was du hast!“) an die britischen Postpunk-Helden Gang of Four. „Nebenstraßen“ ändert ständig die Laufrichtung. „Havarie“ feiert hymnisch die Lust an der Niederlage.

Es gibt auch Platz für spröde Studien über das Alleinsein („1987“) und New-Wave-Abzählreime („Bruch“), für Dada und Dreampop, Lärm und Lamenti, und für so eindringliche Stücke wie den Titelsong „Alice“, der mit seiner melancholischen Zartheit betört, der irgendwann im Mittelteil einen „Sleeper in Metropolis“-Sequenzer auspackt und Alice nicht durchs Wunderland, sondern durch Klangschleifen irren lässt.

Ein kleiner Schritt für Karies – ein großer Schritt für die Popmusik

Eine tolle Platte also. Aber wenn Sie uns nicht glauben, glauben Sie ja vielleicht Max Gruber aka Drangsal, der sich auf Facebook als Nebenerwerbs-Musikkritiker versucht hat: „Alice“ sei Popmusik im besten Sinne, stellt er da fest: „Songs wie ‚Nebenstraßen‘ oder ‚Havarie‘ sind eingängig wie eigensinnig, und ‚1987‘ klingt nach einer Mischung aus dem Thema eines B-Movies übers Detektive und als würde T-Pain versuchen New Wave zu machen. Ein kleiner Schritt für Karies – ein großer Schritt für die Popmusik.“

Das Album „Alice“ (This Charming Man Records) ist am 12. Oktober erschienen. Auf der Tour im November, wird Schlagzeuger Kevin Kuhn, der derzeit mit Die Nerven und Wolf Mountains ausgelastet ist, von Paul Schwarz ersetzt, der eigentlich bei Human Abfall trommelt. Beim Tourfinale stellen Karies das Album am 17. November im Komma in Esslingen vor, im Vorprogramm spielen Scharping aus Berlin. Los geht es um 20 Uhr.