Die Landefläche besteht aus 6000 Einzelmatten, die zusammengebunden wurden.Foto:Gottfried Stoppel Das gibt richtig Schwung: Der Sprungturm ist 30 Meter hoch. Foto: Gottfried Stoppel

Auf der kleinen Schanze hat die Olympiasiegerin Carina Vogt einst ihre ersten Hüpfer gemacht. Mit der neuen großen Mattenschanze will der SC Degenfeld dafür sorgen, dass auch künftig von der Ostalb aus Überflieger die Sportwelt erobern.

Schwäbisch Gmünd - Wenn Carina Vogt nach Degenfeld kommt, wird sie an ihre größten Triumphe erinnert. „Wieder Gold! Wahnsinn! Glückwunsch!“ steht auf einem großen Plakat am Ortseingang über dem Foto der doppelten Doppelweltmeisterin. Gleich zwei Mal hintereinander hat die Skispringerin aus dem Schwäbisch Gmünder Stadtteil bei den Weltmeisterschaften Gold im Einzel und im Mixed-Team-Springen gewonnen. Außerdem geht die Waldstettenerin als erste weibliche Olympiasiegerin in die Skisprung-Geschichte ein.

Das Wochenende vom 23. bis zum 25. Juni wird für die Leistungssportlerin zum Heimspiel. Dann weiht ihr Verein, der SC Degenfeld, eine neue 75-Meter-Schanze ein. Nur in Hinterzarten kann man im Sommer noch größere Sprünge machen; der kritische Punkt dort liegt bei 95 Metern. Damit steht die zweitgrößte Mattenschanze im Land auf der Ostalb. Und Carina Vogt kann, wenn sie heimkommt, in Zukunft auch zuhause richtig abheben.

Keine Schule, kein Laden – aber viele Vereine

Dabei gelten die 481 Degenfelder als bodenständig. Eine Schule gibt es im Ort schon seit mehr als 50 Jahren nicht mehr. Die Zustimmung zur Eingemeindung der auch vom benachbarten Kreis Göppingen umworbenen Degenfelder soll sich der damalige Oberbürgermeister von Gmünd mit dem Versprechen erkauft haben , die Infrastruktur des idyllisch gelegenen Weilers auszubauen. Doch mittlerweile sind auch die beiden letzten Gasthöfe dicht, der Hirsch und der Pflug. Zwei Mal in der Woche fährt ein Bäcker Gmünds südlichsten Stadtteil an. Es gibt einen Kindergarten, und freitags bis sonntags kann man in der Egentalhütte Kaffee trinken.

Viel ist das nicht. Bauplätze hat man leider auch kaum. Interessenten gebe es genug, sagt der Ortsvorsteher Hans-Peter Wanasek. In den vergangenen zwei Jahren ist Degenfeld um 20 Einwohner gewachsen. „Aber wir haben ein reges Vereinsleben“, sagt Wanasek: die Landfrauen, den Liederkranz, die Wandergruppe, die Feuerwehr, das Rote Kreuz, das Frauenturnen – und den Skiclub, der mit 300 Mitgliedern der größte im Flecken ist.“ „Die Vereine“, sagt der Ortsvorsteher, „sind das Rückgrat unseres Dorfes.“

Die Skispringer sind der ganze Stolz

Und die Skispringer sind der ganze Stolz. Carina Vogt, Anna Rupprecht, Tim Fuchs, die Mayländers, früher Kevin Horlacher: Alle haben auf der kleinen Mattenschanze K 15, deren kritischer Punkt bei 15 Metern liegt, ihre ersten Hüpfer gewagt und auf der benachbarten K 43 an ihren Talenten gefeilt. Das Skispringen gehört schon lange zum Portfolio. Die Große Schanze in der Winterhalde, deren kritischer Punkt bei 88 Metern liegt, wurde schon 1925 gebaut, drei Jahre nach der Vereinsgründung. Der Haken: auf der Naturschanze in der Winterhalde kann nur gesprungen werden, wenn Schnee liegt.

Als Carina Vogt vor 20 Jahren im Schülerferienprogramm das Skispringen lernte, war ihr Vereinskollege Kevin Horlacher schon deutscher Schülermeister, später Dritter bei der Deutschen Meisterschaft und Deutscher Skisprungmeister mit dem Team. Trainieren konnte er zuhause auf dem Kalten Feld da schon lange nicht mehr, die K 43 war für dieses Leistungsniveau zu klein. 2003 beschloss der Verein: Wir bauen eine Normalschanze. Drei Jahre später bekam man die Baugenehmigung. Doch erst 2014 konnte man mit dem Bau beginnen: Erst dann hatte man die notwendigen 1,6 Millionen Euro beisammen.

Die neue Schanze soll den Sprungnachwuchs sichern

Frank Ziegler vom Vorstand des SC kennt die Zahlen alle auswendig. Der Sprungturm der neuen Schanze ist 30 Meter hoch. Unter den Schanzen sind Wassertanks vergraben, die 300 000 Liter fassen. Damit werden die Anlaufspuren und die Plastikmatten gewässert, auf denen die Springer landen. Allein an der Landefläche für die neue Schanze hätten die Vereinsmitglieder des SC ein Jahr lang buchstäblich herumgepuzzelt, erzählt Ziegler. Sie besteht aus 6000 Einzelmatten, die aussehen wie Plastikbesen. Stück für Stück mussten sie zusammengeflochten und mit 30 000 Kabelbindern fixiert werden. Zig Stunden hingen Ehrenamtliche im Hang fest und fieselten an den Kabelbindern herum, um dem Verein die 50 000 Euro zu sparen, die eine Firma dafür verlangt hätte.

„Der SC Degenfeld hat schon viele erfolgreiche Skispringer hervorgebracht“, sagt Markus Rohde, seit dem 1. Mai hauptamtlicher Skisprungtrainer im Stützpunkt. „Mit der neuen Schanze gewährleisten wir Nachwuchs für die Zukunft.“ Damit erspare man den jungen Talenten viele Kilometer: „Wer die neue Schanze springen kann, hat auch keine Probleme mit einer 90-Meter-Schanze“, sagt Rohde. Der Nachwuchs fährt auch jetzt schon zwei Mal pro Woche einige Kilometer weit ins Training. Der zehnjährige Julian beispielsweise, der die Schanzen beim Spazierengehen und das Springen für sich entdeckt hat, kommt aus dem 60 Kilometer entfernten Fellbach im Rems-Murr-Kreis.

Vielleicht lockt die neue Schanze nicht nur Sportler, sondern auch wieder Touristen – und mit ihnen Gastronomen ins Dorf. Das hofft der Ortsvorsteher Wanasek, und Frank Ziegler und Markus Rohde hoffen mit ihm: Für die künftigen Wettkämpfe und Lehrgänge auf der neuen Schanze brauchen sie Unterkünfte – und Köche, die die hungrigen Sportler und ihre Begleiter mit den passenden Mahlzeiten versorgen. www.skiclub-degenfeld.de